Nahost:Die USA haben im Nahen Osten keine Strategie - und Putin füllt das Vakuum

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Putin spricht zu russischen Soldaten in Syrien. (Foto: dpa)

Wenn Europa deshalb eine unabhängigere Nahostpolitik entwickeln will, ist das eine gute Sache. Doch man sollte sich darüber im Klaren sein, was das bedeutet.

Kommentar von Paul-Anton Krüger, Kairo

Wladimir Putin tourt durch den Nahen Osten. Erst besucht der Präsident Russlands Luftwaffenstützpunkt in Syrien und verkündet den Teilrückzug seiner Truppen - zum wiederholten Mal. Dann trifft er in Kairo Präsident Abdelfattah al-Sisi, mit dem er nicht nur den Verkauf eines Atomkraftwerks besiegelt, sondern auch über die Nutzung ägyptischer Militärflughäfen durch Russland spricht. Seit Langem gibt es Spekulationen über ein stärkeres Engagement Moskaus in Libyen an der Seite des von Ägypten favorisierten starken Mannes, General Khalifa Haftar. Es ist nur ein weiteres Indiz für Russlands Rückkehr in den Nahen Osten.

In Beirut, Amman und den Palästinenser-Gebieten brennen amerikanische Flaggen. Putin kommt zu einem Zeitpunkt, an dem der Niedergang Amerikas in der Region so offen zu sehen ist wie selten zuvor. Donald Trump hat die Führungsrolle der USA aufgegeben, die schon sein Vorgänger Barack Obama allenfalls noch zögerlich auszufüllen bereit war, nachdem George W. Bush sie im Irak auf verheerende Weise wahrgenommen hatte. Weder für den Irak noch für Syrien oder Jemen ist eine US-Strategie erkennbar. Und mit seiner Jerusalem-Entscheidung hat Trump die Chancen auf einen fruchtbaren Friedensprozess verschlechtert, wenn nicht endgültig ruiniert.

Putin zeigt, wie man in der arabischen Welt Einfluss nimmt

Vielerorts wird der Rückzug der USA begrüßt - aus europäischer Sicht aber muss es Sorge bereiten, dass Russland und zunehmend auch China die frei werdenden Räume besetzen. Sie verfolgen ihre eigene geopolitische und wirtschaftliche Agenda. Das ist an sich nicht verwerflich - nur ist sie oft nicht mit Europas Interessen kompatibel. Präsident Emmanuel Macron ist von der Ambition getrieben, Frankreichs internationalen Status wieder auszubauen. Aber er hat auch erkannt, dass die Europäer schon deshalb aktiv sein müssen, weil die Krisen und Geschicke des Nahen Ostens die Mitteleuropäer unmittelbar betreffen, nicht China oder Russland.

Eine unabhängigere Politik Europas im Nahen Osten ist also sinnvoll, aber sie hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn man sich über die Voraussetzungen ehrlich macht. Allein mit Wirtschafts- und Entwicklungshilfe ist nichts zu gewinnen. Harte Macht ist - man mag das bedauern - wie in keiner anderen Region bestimmender Faktor. Putin hat das mit dem militärischem Eingreifen in Syrien eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Irans Einfluss im Irak, in Syrien und Libanon erklärt sich maßgeblich mit dem Einsatz schiitischer Milizen.

Israel fliegt bald wöchentlich Luftangriffe auf Ziele der Hisbollah in Syrien. Russland nimmt das hin. Nicht weil Putin sie klammheimlich billigt. Vielmehr weiß man in Moskau, dass Israel sich von einer S-400-Luftabwehrbatterie oder ein paar russischen Kampfjets nicht beeindrucken lässt, wenn es seine existenziellen Sicherheitsinteressen gefährdet sieht. Das ist sicher kein Modell für Europa. Aber wer glaubt, im Nahen Osten Einfluss auszuüben und gänzlich ohne militärisches Unterfutter auszukommen, der wird Enttäuschungen erleben.

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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