Großbritannien:Tories verlieren zwei von drei Wahlkreisen

Lesezeit: 3 min

In drei Wahlkreisen waren britische Bürger zur Nachwahl aufgerufen. (Foto: Justin Tallis /AFP)

Die Nachwahlen gelten als Stimmungstest vor der britischen Unterhauswahl im nächsten Jahr. Für die Partei von Premier Sunak ist der Test nicht gut ausgefallen, obwohl es ausgerechnet in Boris Johnsons ehemaligem Wahlkreis eine Überraschung gibt.

Von Alexander Mühlauer, London

Am frühen Freitagmorgen gab es dann doch noch eine Überraschung. Nachdem klar war, dass die Tories zwei von drei Nachwahlen für das britische Unterhaus deutlich verloren hatten, wurde im dritten Wahlkreis noch einmal nachgezählt. Und anders als die Umfragen erwarten ließen, konnte die Konservative Partei von Premierminister Rishi Sunak dort einen knappen Sieg erringen. Mit einem Vorsprung von weniger als 500 Stimmen schafften es die Tories, den ehemaligen Wahlkreis von Boris Johnson im Westen Londons zu halten. Für Sunak bedeutet das immerhin ein wenig Erleichterung, schließlich verlor seine Partei nur zwei Parlamentssitze - und nicht wie befürchtet drei.

Die Ergebnisse der Nachwahlen gelten als wichtiger Stimmungstest vor der Unterhauswahl im kommenden Jahr. Seit Monaten liegen die Tories in den Umfragen etwa 20 Prozent hinter Labour. Sunak ist im vergangenen Oktober als Premier angetreten, um das Vertrauen der Bevölkerung in seine Partei wiederherzustellen, das unter seinen beiden Vorgängern Liz Truss und Boris Johnson stark gelitten hatte.

Ein Jahr vor der Parlamentswahl gelten die Nachwahlen als Stimmungstest

Auch wenn es für die drei Nachwahlen unterschiedliche Gründe gab, hatten sie eines gemeinsam: Ein gutes Jahr vor der Parlamentswahl dienen sie den britischen Parteien als Standortbestimmung. Im Wahlkreis Uxbridge and South Ruislip im Westen Londons musste jedenfalls neu gewählt werden, weil Boris Johnson sein Mandat als Abgeordneter niedergelegt hatte. Ein Parlamentsausschuss war zu dem Schluss gekommen, dass er im Unterhaus die Unwahrheit über Lockdown-Partys in Downing Street gesagt habe. Wie es aussieht, waren Johnsons Lügen aber nicht der entscheidende Faktor für den Wahlausgang in Uxbridge, sondern die Sache mit der ULEZ. So sehen es zumindest die Meinungsforscher, die am Freitag in der BBC, bei ITV und anderswo zu hören zu waren.

ULEZ ist eine Abkürzung für "Ultra Low Emission Zone", eine Zone im Großraum London, in der Autofahrer eine tägliche Gebühr von 12,50 Pfund zahlen müssen, wenn sie mit einem Fahrzeug unterwegs sind, das nicht bestimmten Abgaskriterien entspricht. Der Londoner Bürgermeister Sadiq Khan von der Labour Party will die Zone ausweiten, um die Luftqualität zu verbessern. Und so soll bald auch Uxbridge im Westen der Hauptstadt Teil der ULEZ werden. Dagegen machte der Tory-Kandidat für die Nachwahl massiv Stimmung. Sein Name ist Steve Tuckwell und auf seinen Wahlflyern stand im Grunde nur eine Botschaft: "Stop ULEZ". Folgerichtig lautete sein Fazit am Freitag: "Wir wissen, dass Labour diese Wahl wegen Sadiq Khans schädlicher und kostspieliger ULEZ-Politik verloren hat."

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Der Überraschungserfolg der Tories in Uxbridge konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Konservativen in zwei anderen Wahlkreisen erhebliche Niederlagen hinnehmen mussten. In Selby and Ainsty war der bisherige konservative Abgeordnete Nigel Adams aus Solidarität mit Boris Johnson zurückgetreten. Der Wahlkreis im englischen North Yorkshire galt bislang als klassisches Tory-Gebiet. Doch nun hat dort der Labour-Kandidat Keir Mather gewonnen - und zwar mit einem deutlichen Vorsprung von mehr als 4000 Stimmen. Labour-Chef Keir Starmer sprach von einem "historischen Ergebnis".

Es dürften nicht die letzten Nachwahlen vor der Unterhauswahl gewesen sein

Im Wahlkreis Somerton and Frome im Südwesten Englands gewannen wiederum die Liberaldemokraten. Deren Kandidatin Sarah Dyke lag mit mehr als 10 000 Stimmen klar vor den Tories. Der Parteivorsitzende der Liberaldemokraten, Ed Davey, bezeichnete das Ergebnis als "bemerkenswerten Sieg", der zeige, dass die Lib Dems wieder zurück seien. Die Nachwahl in Somerton and Frome war nötig geworden, nachdem der frühere Tory-Abgeordnete David Warburton sein Mandat aufgegeben hatte. Ihm wurde sexuelle Belästigung und Kokainkonsum vorgeworfen.

Wie es aussieht, dürften das nicht die letzten Nachwahlen vor der Unterhauswahl im kommenden Jahr gewesen sein. So droht die Tory-Abgeordnete Nadine Dorries schon seit einiger Zeit damit, ihr Mandat niederzulegen. Dorries macht Sunak dafür verantwortlich, dass Johnson nicht mehr Premier ist, und hat ein Buch darüber geschrieben. Es heißt "The Plot", und laut Dorries geht es darin um "die politische Hinrichtung" Johnsons. Das Buch erscheint Ende September, wenige Tage vor dem Tory-Parteitag.

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