Nach Angriff durch mutmaßliche Islamisten:Jesiden in Deutschland fühlen sich bedroht

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"Wie kann es sein, dass Jesiden mitten in Deutschland angegriffen werden?", fragt die Linken-Politikerin Feleknas Uca - in Herford hatten mutmaßliche Islamisten einen jesidischen Ladenbesitzer attackiert und verletzt. Ist die Glaubensgemeinschaft nun auch hierzulande in Gefahr?

Von Felix Hütten und Luisa Seeling, München

Mehr als 3000 Kilometer liegen zwischen dem Irak und Nordrhein-Westfalen, am Mittwoch aber kam der Konflikt der deutschen Stadt Herford ganz nahe. Hier leben viele Angehörige irakischer Jesiden, in wachsender Sorge um die Verwandten im Irak, die zu Zehntausenden vor der vorrückenden Terrormiliz Islamischer Staat (IS) flüchten. Am Mittwoch riefen Mitglieder der jesidischen Gemeinde in Herford zu Demonstrationen gegen die Vertreibungen im Irak auf. Ein Imbissbesitzer in der Herforder Innenstadt hängte den Aufruf in seinem Laden auf und wurde daraufhin von einer Gruppe mutmaßlicher IS-Sympathisanten attackiert.

Der jesidische Ladenbesitzer sowie ein 16 Jahre alter Schüler wurden durch Messerstiche leicht verletzt. Die Polizei nahm die sechs mutmaßlichen Täter vorläufig fest. Es handele sich um polizeibekannte 20 bis 26 Jahre alte Männer, die überwiegen aus Tschetschenien stammten, erklärte sie. Aus Protest gegen den Angriff versammelten sich am Abend etwa 300 Jesiden zu einer Kundgebung. Dabei zogen nach Polizeiangaben vermummte Demonstranten mit Schlagstöcken durch die Straßen, mindestens ein Passant wurde verletzt. Zu Ausschreitungen kam es auch am bei einer Demonstration von Jesiden in Hannover. Etwa 200 Demonstranten versuchten am Donnerstagabend, eine Polizeiwache in der Innenstadt zu stürmen. Sie wollten nach Angaben eines Polizisten eine junge Frau aus der Wache holen, die sich in die Wache geflüchtet hatte - angeblich vor einer Zwangsverheiratung mit einem Salafisten, sagte der Polizeisprecher. Verletzte habe es nicht gegeben. Zwei weitere Kundgebungen in Detmold und Essen, an denen mehrere Hundert Jesiden teilnahmen, verliefen friedlich.

Für Samstag planen jesidische Verbände eine Großdemonstration in Bielefeld. Diese war zunächst in Berlin angemeldet, dann aber wieder abgesagt worden. Telim Tolan, Vorsitzender des Zentralrats der Jesiden, sagte, eine Kundgebung direkt am Brandenburger Tor sei nicht genehmigt worden. Zudem rechne er im Raum Bielefeld, wo die jesidische Gemeinde besonders stark vertreten sei, mit viel Zulauf. Der Zentralrat erwartet 5000 bis 10 000 Demonstranten. Die Polizei will die Veranstaltung mit einem Großaufgebot absichern. Weitere Kundgebungen sind in Dortmund, Frankfurt und Göttingen geplant.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özuğuz, rief zu Gewaltlosigkeit auf: "Auf keinen Fall darf es bei uns Stellvertreterkämpfe geben, die wegen schwerer Konflikte im Ausland zu uns getragen werden." Wer mit Terrororganisationen sympathisiere, erreiche die Grenze der Meinungsfreiheit, erklärte sie. Auch Tolan mahnte die Demonstranten zu Besonnenheit. Der Angriff in Herford sei eine Einzeltat: "Wir gehen nicht von einer grundsätzlichen Bedrohung durch Salafisten oder Extremisten in Deutschland aus." Die Jesidin und Linken-Politikerin Feleknas Uca hingegen sieht die Jesiden in Deutschland bedroht. "Die Situation ist schon länger angespannt, man wusste von möglichen Angriffen", sagte sie über den Vorfall in Herford. Am Freitag sind Gespräche zwischen dem Zentralrat der Jesiden und dem Auswärtigen Amt geplant.

Dabei soll es um Hilfsmaßnahmen für Jesiden im Nordirak gehen.

© SZ vom 08.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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