IS-Terrormiliz im Irak:Zehntausende Jesiden sitzen im Gebirge fest

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Eine jesidische Familie auf der Flucht: Amnesty International spricht von Hunderttausenden, die vor der Gewalt der IS-Kämpfer im Nordirak fliehen. (Foto: REUTERS)

Im Norden Iraks machen die Kämpfer der IS-Terrormiliz Jagd auf die Minderheit der Jesiden. Zehntausende sind noch in einem Gebirge nahe der syrischen Grenze eingeschlossen - ohne Nahrung, ohne Wasser. Doch für manche von ihnen gibt es nun Hoffnung.

  • Bis zu 40 000 Jesiden sitzen im irakischen Sindschar-Gebirge fest, eingekesselt von den Kämpfern der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS). Doch offenbar konnten einige Menschen gerettet werden, teilt ein UN-Sprecher mit.
  • Hilfsorganisationen gehen von 130 000 weiteren Flüchtenden aus, nachdem IS die Stadt Sindschar und weitere Orte angegriffen hat. Dort leben besonders viele Angehörige der jesidischen Minderheit.
  • Amnesty International fordert rasche humanitäre Hilfe und Schutz für die Flüchtlinge.

Zehntausende Jesiden sitzen im Gebirge fest

Für mehrere zehntausend Jesiden im Irak droht der Fluchtweg zur Falle zu werden: Aus Furcht vor den vorrückenden Kämpfern des Islamischen Staats (IS) haben sich Tausende Menschen in das Sindschar-Gebirge nahe der syrischen Grenze zurückgezogen. Das berichten internationale Medien, darunter der britische Guardian, und berufen sich auf Hilfsorganisationen. Demnach hätten sich zwischen 10 000 und 40 000 Menschen an neun verschiedenen Orten in dem zerklüfteten Gebirge verschanzt, in der Mehrheit Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden. Deren Lage spitzt sich offenbar zu: Sie sind von IS-Kämpfern eingekesselt, haben aber kaum Lebensmittel. Und vor allem: kein Wasser. Mehrere Menschen sollen schon gestorben sein, darunter auch Kinder.

Doch soll es Hoffnung geben: Es sei gelungen, einige Menschen zu retten, teilte ein UN-Sprecher mit. Die Vereinten Nationen würden alle Ressourcen mobilisieren, um sicherzustellen, dass die Menschen Hilfe erhielten, zitiert das äyptische Nachrichtenportal Al-Ahram-Online den Sprecher.

Hunderttausende auf der Flucht

Auslöser der jüngsten Fluchtwelle ist der Überfall der islamistischen IS-Miliz am vergangenen Samstag auf die Stadt Sindschar und umliegende Orte, wo viele Jesiden leben. Neben den bis zu 40 000 auf dem Berg Eingekesselten seien mindestens 130 000 weitere Menschen aus der Region auf der Flucht in die kurdischen Autonomiegebiete, berichtet der Guardian weiter, vor allem in die Städte Erbil und Dohuk. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht gar von Hunderttausenden, darunter auch Christen. An diesem Donnerstag haben IS-Kämpfer weitere Städte im Norden unter ihre Kontrolle gebracht, darunter auch eine Christen-Metropole.

Verbliebene Jesiden in Sindschar droht der Tod

Der Guardian zitiert einen jesidischen Bewohner, der die Stadt Sindschar noch nicht verlassen hat: "Man sagt uns, dass wir konvertieren sollen, ansonsten werde man uns köpfen." Amnesty International spricht von hunderten Zivilisten aus Sindschar und Umgebung, die vermisst werden und möglicherweise entführt oder getötet wurden. Auch viele Männer, die zu den Waffen gegriffen hätten, um den Angriff des IS abzuwehren, seien getötet oder verschleppt worden.

Lage der Flüchtlinge im Gebirge spitzt sich zu

Die Lage im Sindschar-Gebirge beschreibt ein Eingeschlossener dem Guardian als dramatisch: "Es gibt kaum Nahrung, es gibt kaum Munition und auch kaum Wasser. Wir haben ein Stück Brot, dass wir uns zu zehnt teilen. Wir müssen zwei Kilometer laufen, um an Wasser zu kommen. Es gab gestern ein paar Luftschläge, aber die haben nichts bewirkt." Wie die US-Zeitung Washington Post berichtet, wurden Essenspakete per Fallschirm über den Verstecken in den Bergen abgeworfen. Doch nur wenige der Pakete hätten die Flüchtlinge erreicht.

Die Situation der Jesiden im Irak

Im Irak leben etwa eine Viertelmillion Jesiden. Wegen der jahrelangen Verfolgung sind viele von ihnen ins Ausland geflohen. Es gibt Diasporagruppen in Syrien, Iran und Armenien, aber auch in Deutschland; hier leben laut dem Zentralrat der Jesiden etwa 60 000 Angehörige der Glaubensrichtung. Weltweit gehören Schätzungen zufolge bis zu 800 000 der Glaubensrichtung an. Von vielen, insbesondere radikalen Muslimen werden sie als "Teufelsanbeter" bezeichnet.

IS-Terrormiliz versuche, die Minderheit "auszurotten"

In einer bewegenden Rede im irakischen Parlament sagte die jesidische Abgeordnete Vian Dakhil am Dienstag, bei dem Vormarsch der Islamisten seien bereits 70 jesidische Kinder und 500 Männer "abgeschlachtet" worden. Frauen würden getötet oder versklavt. Der Islamische Staat, so Dakhil, versuche, die Gemeinschaft der Jesiden "auszurotten". Nachdem sie gesprochen hatte, brach Dakhil weinend zusammen.

© SZ.de/dpa/Reuters/sle - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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