Tyrannen Hitler und Mussolini:Eine groteske Männerfreundschaft

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Halbwegs im Gleichschritt: Adolf Hitler empfängt Benito Mussolini im Jahr 1937 in München. Ein Jahr später unterschrieben sie hier das "Münchner Abkommen". (Foto: Scherl/SZ Photo)

Wolfgang Schieder analysiert das Verhältnis Hitlers zu Mussolini. Die Bewunderung für den italienischen Diktator, so die These, beeinflusste Hitlers Ideologie.

Rezension von Clemens Klünemann

Im Jahr 1934 war es so weit: Der von ihm jahrelang umworbene italienische Faschistenführer hatte sich bereit erklärt, den deutschen Reichskanzler zu empfangen, und dieser - in geradezu kindischer Freude über diese späte Anerkennung seines jahrelangen Werbens - merkte gar nicht, dass und wie der von ihm bewunderte Duce bei dieser ersten Begegnung in Venedig die Symbolsprache des Protokolls seiner öffentlichen Auftritte benutzte, um den deutschen Gast auf Distanz zu halten.

Hitler muss indes, als er sich zurück in Berlin "begeistert von der Begegnung mit Mussolini" zeigte, gespürt haben, dass dieser ihm (noch!) überlegen war: "Menschen wie Mussolini werden einmal alle 1000 Jahre geboren", sinnierte er im geliebten Superlativ über den "genialen Führer des faschistischen Italien", dem er drei Jahre zuvor ein Porträtfoto von sich "mit der Bitte um wohlwollende Aufnahme" geschickt hatte.

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Die in Wolfgang Schieders Buch "Adolf Hitler. Politischer Zauberlehrling Mussolinis" immer wieder fallenden Begriffe wie Respekt, Begeisterung und Bewunderung sowie der Austausch von signierten Fotos scheinen das Bild der "brutalen Freundschaft" zweier Gewaltmenschen zu relativieren, das Frederick Deakin in seiner gleichnamigen Studie über die merkwürdige Beziehung der beiden Diktatoren gezeichnet hat.

Dabei liegt Schieder nichts ferner als eine unangebrachte Psychologisierung des Verhältnisses der "faschistischen Dioskuren" zueinander. Vielmehr zeigt er, dass diese Verbindung keinerlei privaten Charakter hatte, sondern eine, wenn auch aus unterschiedlichen Interessen, von beiden inszenierte politische Freundschaft war.

Was Hitler angeht, so war der Grund seines engen Verhältnisses zu Mussolini eine bisweilen bis zur Ergebenheit ausufernde Dankbarkeit: Der Duce hatte ihm die Technik der Machteroberung und des Machterhalts vermittelt, obwohl Hitler das italienische Vorbild zunächst missverstanden hatte: Denn der martialisch von Mussolini in Szene gesetzte Marsch auf Rom im Herbst 1922 war ja, wie der Münchner Historiker Hans Woller in seiner Mussolini-Biografie (2016) schreibt, "dutzende Kilometer vor der Hauptstadt im Schlamm steckengeblieben" und wurde ganz abgeblasen, während Mussolini im Schlafwagenabteil am nächsten Morgen Rom erreichte.

Hitler versuchte die sofort von der faschistischen Propaganda ins Mythische erhobene "Marcia su Roma" ein Jahr später in München zu imitieren und landete nach kläglichem Scheitern bekanntermaßen in Landsberger Festungshaft. Hier beginnt der Lernprozess, den Wolfgang Schieder in allen Facetten nachzeichnet: Es sei Mussolinis Doppelstrategie von Gewaltbereitschaft und Scheinlegalität gewesen, die den Faschismus an die Macht gebracht habe - und dann eben auch seinen deutschen Zauberlehrling.

Es ging um "herrschaftspolitisch instrumentelles Handeln in ritualisierter Form"

Aber noch etwas lernte dieser von seinem italienischen Meister: nämlich die Ästhetisierung von Politik als eine der demokratischen Öffentlichkeit parlamentarischer Demokratien weit überlegene Herrschaftstechnik, mittels derer die Massen fasziniert und die Zweifelnden eingeschüchtert werden können.

Am Beispiel der insgesamt 17 Begegnungen zwischen Hitler und Mussolini - vor allem hinsichtlich der Treffen, die bis zum Kriegsbeginn mit Massenaufmärschen in Venedig, Florenz, Rom, München und Berlin stattfanden - zeigt Wolfgang Schieder, dass Mussolinis und zunehmend auch Hitlers politische Aktionen ein "herrschaftspolitisch instrumentelles Handeln in ritualisierter Form" darstellten. In "Mythos Mussolini" (2013) hat Schieder diese Ritualisierung als Schlüsselbegriff der vom italienischen Diktator inszenierten Audienzen gezeigt und überträgt ihn nun auf dessen Begegnungen mit Hitler, die anfangs in der Tat auch den Charakter von Audienzen hatten.

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Aber eben nur anfangs, denn der Zauberlehrling perfektionierte nicht nur die Technik des Meisters, sondern überflügelte ihn: Spätestens bei Kriegsbeginn, als Hitlers "Blitzkrieg-Strategie" von Mussolini mit einer Nichtbeteiligung beantwortet werden musste, war klar: "Hitler war nunmehr der Meister, Mussolini sein Adlatus."

Mit viel Gespür für die Unterströmungen dieser absonderlichen Männerfreundschaft zweier brutaler Machtmenschen zeigt Wolfgang Schieder das permanente Changieren zwischen kühlem Kalkül der Inszenierung und kitschiger Sentimentalität, an der sich beide Diktatoren gleichermaßen bei ihren Treffen berauschten - und dies, bis sie sich zum letzten Mal am 20. Juli 1944 in Hitlers Wolfsschanze begegnen und sich gemeinsam darüber empören, dass es offenbar Gegner ihrer Politik gab.

Am 20. Juli 1944 wunderten sich beide, dass es Widerstand gegen sie gab

Wolfgang Schieders überaus lesenswerte Studie macht darüber hinaus deutlich, wie sehr Hitlers Buhlen um die Freundschaft Mussolinis seine politischen Entscheidungen, ja seine Ideologie beeinflusste: So spielte die ansonsten obsessiv-allgegenwärtige "Blut und Boden"-Doktrin keine Rolle für Hitler, sobald es um Südtirol ging - was zu allerlei Irritationen in seiner Gefolgschaft führte.

Dem deutschen Diktator war aber vor allem wichtig, seinen italienischen Freund und Lehrmeister nicht zu verprellen, auch als er diesen längst überflügelt hatte. Der Aufstieg des deutschen Zauberlehrlings ist in der Tat nur zu erklären, wenn außer den Folgen des Versailler Vertrags und des Sonderwegs Deutschlands nach 1871 auch der deutsch-italienische Entstehungszusammenhang dieser Diktatur berücksichtigt wird.

In seiner Mussolini-Biografie (2014) schrieb Wolfgang Schieder, dass Mussolinis Diktatur ohne die transnationalen Verflechtungen mit dem nationalsozialistischen Deutschland nicht hinreichend verstanden werden könne; seine nun vorliegende Studie macht deutlich, dass dies gleichermaßen für Hitlers Diktatur gilt.

Clemens Klünemann ist Honorarprofessor am Institut für Kulturmanagement der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und lehrt über die Geschichte Westeuropas im 19. und 20. Jahrhundert.

© SZ vom 12.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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