Flüchtlinge aus der Ukraine:"Moldau steht nicht allein"

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Sichert Moldau Unterstützung bei der Versorgung der Flüchtlinge aus der Ukraine zu: Außenministerin Annalena Baerbock. (Foto: Hannibal Hanschke/AP)

Auf Initiative von Außenministerin Annalena Baerbock unterstützen 45 Staaten und Organisationen gemeinsam den südlichen Nachbarn der Ukraine.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Kein Nachbarland der Ukraine hat gemessen an Bevölkerung und Wirtschaftskraft nach dem russischen Angriff mehr Kriegsflüchtlinge aufgenommen als die Republik Moldau. Und kein Land ist durch den Krieg in seiner eigenen Stabilität so bedroht. Das ist die Triebfeder hinter der Moldau-Konferenz, zu der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zusammen mit ihren Kollegen aus Frankreich und Rumänien, Jean-Yves le Drian und Bogdan Aurescu, am Dienstag nach Berlin geladen hatte.

Baerbock hatte Moldau vor drei Wochen besucht und daraufhin zusammen mit ihren Kollegen die Initiative für eine sogenannte Unterstützungsplattform ergriffen. Sie stellt dem zwischen Rumänien und der Ukraine gelegenen Land mit seinen 2,6 Millionen Einwohnern nun sowohl Soforthilfe bereit, um die Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen. Zugleich wollen die Vertreter von 36 Staaten sowie Spitzen von neun internationalen Organisationen, die der Einladung folgten, die wirtschaftlichen Schäden durch den Krieg abfedern und langfristige Unterstützung bei politischen Reformen und der Entwicklung gewähren; Moldau zählt zu den ärmsten Ländern Europas.

Sie stellen der Regierung in Chișinău, vertreten durch Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița, nun 71 Millionen Euro für humanitäre Hilfe für die Versorgung von Flüchtlingen zur Verfügung. Zugleich sagten sie zu, 12 000 Ukrainerinnen und Ukrainer auszufliegen. Insgesamt haben sich laut Gavrilița 400 000 Menschen aus dem Nachbarland in Moldau in Sicherheit gebracht; etwa 100 000 halten sich dort noch auf. Baerbock hatte bereits zugesagt, 2500 Menschen nach Deutschland zu holen; am Wochenende ist dazu ein dritter Charterflug geplant. Auch bei der Kontrolle seiner Grenzen wollen die Europäer Moldau helfen. Dazu stellt Deutschland Wärmebildkameras und technisches Gerät zur Überprüfung von Dokumenten bereit.

695 Millionen Euro in Krediten und Budgethilfen

Um die finanzielle Widerstandsfähigkeit des Landes zu stärken und die Entwicklung der Wirtschaft zu fördern, gewähren die Geber Moldau weitere 695 Millionen Euro, überwiegend in Form von Krediten und Budgethilfen. Die Bundesregierung beteiligt sich mit einem ungebundenen Sofortkredit von 50 Millionen Euro. "Wir haben uns heute getroffen, um klar zu sagen, Moldau steht nicht allein", sagte Baerbock. Die Konferenz sei auch "eine deutliche Botschaft: Kein Land ist Verfügungsmasse, kein Land ist Russlands Hinterhof."

Die Sicherheitslage in Moldau, das eingezwängt liegt zwischen der kriegsgeplagten Ukraine und dem befreundeten Rumänien, gilt als höchst prekär. (Foto: DANIEL MIHAILESCU/AFP)

Flankiert werden diese finanziellen Zusagen von der Einrichtung von internationalen thematischen Arbeitsgruppen, die Moldau politisch und mit technischem Rat unterstützen sollen. Ein vordringliches Thema ist die Gas- und Stromversorgung, bei der das Land derzeit fast vollständig von Russland abhängig ist. Das einzige mit Gas betriebene Großkraftwerk steht in der von russischen Truppen kontrollierten abtrünnigen Region Transnistrien. Nachdem die derzeitige proeuropäische Regierung bei den Wahlen die nach Moskau orientierte Vorgängerregierung abgelöst hatte, hat Russland die Gaspreise um ein Vielfaches erhöht.

Die in Berlin versammelten Staaten kündigten zudem an, der Regierung von Moldau bei der Umsetzung der geplanten Reformen zur Seite zu stehen. Dazu gehören vor allem die Stärkung der Justiz und des Rechtsstaates, die Bekämpfung der Korruption und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung.

In Russland, Belarus und der Ukraine brechen Absatzmärkte weg

Premierministerin Gavrilița wies darauf hin, dass sich ihr Land schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine in einer schwierigen Lage befunden habe, ausgelöst durch die Covid-Pandemie, die extrem gestiegenen Energiepreise und die hohe Inflation. Moldau muss nun nicht nur die Flüchtlinge versorgen, die derzeit vier Prozent der Bevölkerung ausmachen, das Land leidet auch stark darunter, dass in Russland, Belarus und der Ukraine wichtige Absatzmärkte wegbrechen und zudem der Handel mit dem Rest der Welt durch die Blockade des Schwarzmeer-Hafens von Odessa durch die russische Marine abgeschnitten ist.

Sie bat darum, Importe in die EU zu erleichtern und den Beitritt ihres Landes voranzutreiben. Der rumänische Außenminister Aurescu schlug vor, in der EU eine Unterstützungsgruppe für Moldau einzurichten. Zugleich warnte er, der Krieg in der Ukraine gefährde nicht nur die Stabilität Moldaus, sondern habe negative Folgen für die gesamte Region und bedeute "Herausforderungen für die euro-atlantische Sicherheit". Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte, er blicke nicht nur auf Moldau, sondern auch auf den Südkaukasus und den Westbalkan.

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