Streit über Flüchtlingspolitik:"Absurdität", "Schaumschlägerei" - Kritik an Söders "Integrationsgrenze"

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Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bei einer Veranstaltung auf der Dachterrasse des Hotels Deutsche Eiche in München. (Foto: IMAGO/Stefan M Prager)

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder fordert die Ampelkoalition zum Umsteuern in der Asylpolitik auf. Seine Idee einer Begrenzung auf maximal 200 000 Migranten im Jahr lehnen SPD, FDP und selbst die AfD ab.

Markus Söder ist als provokanter Politiker bekannt und bleibt auch im aktuellen Wahlkampf seiner Linie treu: Mit seinen Forderungen zur Asylpolitik hat er heftige Reaktionen in konkurrierenden Parteien hervorgerufen.

In der Bild am Sonntag hatte Bayerns Ministerpräsident für eine Obergrenze für die Zuwanderung nach Deutschland plädiert: "Wir kommen doch jetzt schon mit der Unterbringung und dem Bau von Schulen, Kitas und Wohnungen nicht mehr hinterher. Deshalb braucht es in Anlehnung an die Obergrenze eine neue feste Richtgröße: die Integrationsgrenze."

Das Modell einer von der CSU durchgesetzten Begrenzung von höchstens 200 000 Migranten pro Jahr habe unter der großen Koalition funktioniert, fügte er hinzu: "Diese Zahl orientierte sich daran, was die Kommunen leisten können." Die Ampel habe dieses Konzept aufgegeben, weshalb man jetzt auf Rekordzahlen zusteuere.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hält Söders Äußerungen für Populismus. "Zeitpunkt, Ort und Inhalt des Söder-Interviews sind durchschaubar", sagte Kühnert dem Spiegel. "Wie so oft geht es bei ihm nicht um politische Substanz, sondern um Show."

Söder habe aus seinen Fehlern im Wahlkampf 2018 nichts gelernt, so Kühnert. Nach der für die CSU enttäuschenden Wahl vor fünf Jahren habe Söder noch "reumütig bekannt, er habe verstanden, dass Demokraten der AfD und ihrem Populismus nicht auf den Leim gehen dürfen". Jetzt aber erliege Söder wieder der Versuchung, "die Rechtsaußen auf dem Feld des Populismus schlagen zu wollen - und er wird wieder verlieren".

Kühnerts Parteikollege Georg Maier, der in Thüringen Innenminister ist, nennt Söders Vorschläge "populistische Schaumschlägerei".

Kritik auch aus FDP und AfD

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Sebastian Hartmann, führte im Tagesspiegel rechtliche Bedenken an: Alle Menschen, die Asyl beantragten, hätten auch das Recht auf ein Asylverfahren. Der Vorschlag von Söder sei also nicht rechtens.

Ähnlich argumentierte auch Stephan Thomae, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag. Er sagte der Welt: "Das ist der Versuch, ein politisches Problem mit einer mathematischen Formel zu lösen. Asylbewerber würden in der ersten Jahreshälfte aufgenommen, egal ob sie wirklich schutzbedürftig sind oder nicht, und in der zweiten Jahreshälfte würden Schutzsuchende abgewiesen, egal ob sie schutzbedürftig sind oder nicht. Das führt das Asylsystem völlig in die Absurdität, denn beim Asylrecht geht es um die individuelle Schutzbedürftigkeit."

Auch die AfD gibt Söder Kontra: "Das ist in Wahrheit eine planvolle Ausblendung des eigentlichen Kerns der gesamten Problematik", so der innenpolitische Sprecher Gottfried Curio. "Tatsache ist vielmehr, dass das Erstzutrittsland innerhalb der EU zuständig ist. Wer sich an die Gesetze und die tatsächliche Rechtslage bezüglich zu gewährender Schutzaufnahme hält, braucht keine Obergrenzen."

Söders Äußerungen kommen am Ende einer Woche, in der die Migrationspolitik die Debatten bestimmte. In der vergangenen Woche gab es auf der Mittelmeerinsel Lampedusa an einem Tag 7000 Neuankömmlinge. Behörden und Bürger vor Ort waren völlig überfordert, der Bürgermeister der italienischen Insel rief den Notstand aus. Am Sonntag reiste EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen gemeinsam mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni nach Lampedusa. Dort stellte sie einen Zehn-Punkte-Plan der Kommission vor und forderte andere EU-Staaten zur Solidarität mit Italien auf.

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