Migration:Abschottungssignal aus Wien

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Die Balkanroute wird für Flüchtlinge zum Nadelöhr. (Foto: Georgi Licovski)

Budapest/Wien (dpa) - Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban greift die Strategie von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lösung der Flüchtlingskrise frontal an.

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Budapest/Wien (dpa) - Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban greift die Strategie von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Lösung der Flüchtlingskrise frontal an.

Er will die Bürger seines Landes über die von der EU beschlossenen Quoten zur Verteilung von 160 000 Flüchtlingen abstimmen lassen. In Budapest gab es kaum Zweifel an einem Nein der Ungarn zur Aufnahme von Flüchtlingen. Merkels Werben für eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der EU und eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise dürfte dadurch noch schwieriger werden.

Gegenwind bekam Merkel auch aus Wien, wo Österreich und die Staaten der Balkanroute eine engere Kooperation und nationale Maßnahmen zur Senkung der Flüchtlingszahlen vereinbarten. Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras beschwerte sich telefonisch bei Merkel über die Teilschließung der Balkanroute, die zu einem Rückstau tausender Migranten in Griechenland führt.

Tsipras erinnerte Merkel daran, dass sie und der französische Präsident François Hollande ihm am Rande des jüngsten EU-Gipfels versprochen hatten, sich dafür einzusetzen, dass die Balkanroute zumindest bis zum geplanten EU-Türkei-Migrationsgipfel offen bleiben werde. Der Gipfel ist für den 7. März geplant, bestätigte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Dabei soll es erneut um eine Reduzierung der Flüchtlingszahlen gehen.

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz sagte, bei der Konferenz sei es darum gegangen, „ein klares Signal zu setzen, dass wir den Zustrom (von Flüchtlinge) reduzieren“. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) ergänzte: „Wir wollen Druck und Tempo machen, damit die europäische Lösung vorankommt.“ Das Durchwinken von Flüchtlingen müsse ein Ende haben. „Es geht um die Sicherheit und Stabilität in ganz Europa“, betonte Mikl-Leitner.

Auch Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte eine Reduzierung des Flüchtlingsandrangs. „Die Flüchtlingszahlen müssen dramatisch sinken, sonst schaffen wir das nicht mehr“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) kritisierte das Vorgehen Wiens. „Wenn aber jedes Land aus Sorge vor der Grenzschließung eines anderen Landes die eigenen Grenzen schließt, ohne dass der Zustrom nach Europa wirksam reduziert wird, werden sich am Ende in einzelnen Ländern wie Griechenland immer mehr Menschen aufhalten“, warnte er. „Daraus wird dann schnell wieder ein Druck zur Verteilung in ganz Europa entstehen.“

Mikl-Leitner betonte, der Dominoeffekt sei beabsichtigt: „Was wir wollen, ist eine Kettenreaktion der Vernunft.“ Die Alpenrepublik lässt seit Freitag nur noch 80 Asylbewerber pro Tag an seiner Grenze zu und hat die Zahl der nach Deutschland durchreisenden Migranten auf täglich 3200 gedeckelt. Deshalb beschränkten auch die Länder der Balkanroute die Durchreise von Syrern und Irakern, Afghanen werden gar nicht durchgelassen. Deshalb beschränkten auch die Länder der Balkanroute die Durchreise von Syrern und Irakern, Afghanen werden gar nicht durchgelassen.

In Griechenland, das seine Seegrenze zur Adria nicht effektiv schützen kann, stauten sich deshalb immer mehr Flüchtlinge. Pro Tag kommen etwa 2000 neue Migranten aus der Türkei an. An der mazedonischen Grenze abgewiesene Migranten irrten in den Städten, auf Fernstraßen und an der Grenze herum. Die Regierung in Athen schien überfordert, und Hilfsorganisationen warnen: Das Land könne die Last kaum stemmen. Der Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), Filippo Grandi, sagte die Hilfe der Vereinten Nationen zu.

Die Teilschließung der Balkanroute verstoße gegen internationales und EU-Recht, hatte der EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos kritisiert. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker betonte jedoch, er wolle den Streit mit Österreich nicht eskalieren lassen.

Orban sagte zur Begründung des Referendums: „Bis jetzt hat niemand die Menschen in Europa gefragt, ob sie die verpflichtende Quote zur Zwangsansiedelung von Migranten haben wollen oder ob sie das ablehnen“, sagte er. Derartige Quoten festzulegen, ohne die Bürger zu befragen, komme einem „Machtmissbrauch“ gleich, fügte er hinzu.

Jedoch hat kein anderes EU-Land ein Referendum über die Verteilung der Flüchtlinge angekündigt. Orban fährt eine Politik der weitgehenden Abschottung gegenüber Flüchtlingen, die von fremdenfeindlichen Kampagnen begleitet wird. Die EU-Quote für Flüchtlinge hatte er von Anfang an abgelehnt. 

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