Zwischenwahl in den USA:Die rote Welle bleibt aus

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Der von Meinungsforschern erwartete Erdrutschsieg der Republikaner ist bei den Zwischenwahlen ausgeblieben. (Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Die Republikaner verbuchen bei den Midterms in den USA weniger Erfolge als erwartet. In Florida siegt Donald Trumps parteiinterner Rivale Ron DeSantis bei den Gouverneurswahlen.

Von Nicolas Freund

Im Englischen gibt es die Redewendung "beyond the pale", die man mit "nicht ganz auf der Höhe" oder auch mit "geht gar nicht" übersetzen kann. Zuletzt fiel die Wendung auffällig oft, wenn es um Kandidatinnen und Kandidaten der republikanischen Partei bei den Zwischenwahlen in den USA ging. Unter ihnen tummeln sich viele von Donald Trump unterstützte Verschwörungsanhänger, Waffenfanatiker und Impfgegner. Auch das Leugnen des Wahlergebnisses von 2020 ist unter Kandidaten der Republikaner nach wie vor weit verbreitet und lange schien es, nichts und niemand ist zu weit "beyond the pale", um für die Grand Old Party anzutreten.

Gewählt wurden am Dienstag die Abgeordneten des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel des Senats. In manchen Bundesstaaten wurden außerdem Gouverneure neu gewählt, und es wurde über das Recht auf Abtreibung abgestimmt. Vorhergesagt war eine "rote Welle", die bei dieser Wahl über das Land rollen würde. Rot ist traditionell die Farbe der Republikaner, und fast ebenso traditionell bekommt die regierende Partei bei den Zwischenwahlen von den Wählern einen Dämpfer verpasst. In diesem Jahr kam es aber anders.

Die Demokraten verloren Sitze im Repräsentantenhaus, wie es zu erwarten gewesen war, nicht zuletzt, weil Republikaner in vielen von ihnen regierten Bundesstaaten die Wahlbezirke so neu zugeschnitten hatten, dass ihre Kandidaten bessere Chancen haben. Ein "Erdrutschsieg" der Republikaner, wie er befürchtet worden war, zeichnete sich am Mittwoch aber keineswegs ab. Die Auszählung war noch am Tag nach der Wahl unentschieden und weit von einer klaren republikanischen Mehrheit entfernt. Selbst prominente republikanische Abgeordnete wie die streng rechtskonservative Lauren Boebert aus Colorado mussten um ihren Wiedereinzug in den Kongress bangen.

Bei der Senatswahl gelang den Demokraten in Pennsylvania sogar ein symbolisch wie politisch wichtiger Sieg: Der Demokrat John Fetterman setzte sich dort gegen den Republikaner Mehmet Oz durch und gewann damit einen neuen Sitz für die Demokraten. Pennsylvania war zuvor von dem Republikaner Patrick Toomey im Senat vertreten worden. Eigentlich war auch in dieser Kammer nicht mit Zugewinnen der Demokraten gerechnet worden.

Bei großen Mehrheitsverlusten in Senat und Repräsentantenhaus würde die Regierung Joe Bidens für die verbleibenden zwei Jahre der Legislaturperiode praktisch handlungsunfähig werden, da die Republikaner dann fast alle Entscheidungen und Gesetze blockieren könnten. Dieser Fall scheint nun nicht einzutreten, denn selbst wenn die Republikaner nach der vollständigen Auszählung knappe Mehrheiten erringen sollten, könnte Bidens Regierung vermutlich trotzdem noch viele ihrer Vorhaben durchsetzen, da längst nicht alle Republikaner in Kongress und Senat immer auf Parteilinie stimmen. Entsprechend zufrieden zeigte sich Biden. Es habe keine "rote Welle" gegeben, sagte der US-Präsident. Unabhängig von den endgültigen Mehrheitsverhältnissen sei er bereit, "mit den Republikanern zusammenzuarbeiten".

Bis in beiden Kammern klare Verhältnisse herrschen, könnte es indessen aber noch einen Monat dauern. In Georgia hat es keiner der Kandidaten über die nötige Marke von mehr als 50 Prozent der Stimmen geschafft. Raphael Warnock von den Demokraten und Herschel Walker von den Republikanern liegen jeweils knapp darunter mit etwa einem Prozentpunkt Vorsprung für Warnock. Den Rest der Stimmen holte ein dritter, unabhängiger Kandidat. Nun muss in einer Stichwahl zwischen Warnock und Walker Anfang Dezember entschieden werden.

Dieses unerwartet starke Abschneiden der Demokraten liegt womöglich auch daran, dass es die Republikaner mit ihrer immer radikaleren, rechtskonservativen Politik übertrieben haben. Verschwörungsanhänger wie Lauren Boebert, die noch immer behaupten, die Wahl 2020 sei "gestohlen worden" und die auch mal mit ihren schwer bewaffneten minderjährigen Kindern vor dem Weihnachtsbaum posieren, sind vielen Wählern wohl doch zu sehr "beyond the pale".

Dafür spricht auch, dass in Michigan, Kalifornien und Vermont das Recht auf Abtreibung bestätigt worden war. Im August hatte der konservativ besetzte Oberste Gerichtshof der USA dieses Recht infrage gestellt. Obwohl sie zuletzt weniger präsent war, hat die Diskussion über Abtreibung vermutlich viele demokratische Wählerinnen mobilisiert, die sich in ihren Grundrechten angegriffen gefühlt haben.

Dazu kommen viele diverse Kandidaten, die sich durchsetzen konnten, selbst bei den Republikanern: Maryland bekommt mit Wes Moore den ersten schwarzen Gouverneur, in Massachusetts wird die offen lesbische Maura Healey Gouverneurin, und Arkansas wird das erste Mal von einer Frau regiert, nämlich Sarah Huckabee Sanders, der ehemaligen Pressesprecherin Donald Trumps.

Als Erfolg des ehemaligen US-Präsidenten können die Siege solcher Kandidaten aber auch nicht einfach verbucht werden. In Florida wurde der Republikaner Ron DeSantis wiedergewählt, der längst als ernst zu nehmender Rivale Trumps für die Präsidentschaftswahl 2024 gilt. Der drohte seinem einstigen Schützling bereits mit unangenehmen "Enthüllungen". Ähnlich ist die Lage in Ohio, wo der Bestsellerautor J.D. Vance die Senatswahl für sich entschieden hat. Auch er ist ein Anhänger Trumps, hatte bis vor wenigen Jahren aber noch scharfe Kritik an ihm geübt. Gut möglich, dass auch er sich bald gegen die Trumpisten wendet.

Die Gefahr, die von dieser Wahl ausging - ein massiver Einzug von Wahlleugnern, Rechtsextremen und Verschwörungsanhängern in amerikanische Institutionen -, scheint vertagt zu sein, gebannt ist sie nicht. Genug Anhänger Trumps und seiner Ideologie sitzen bereits auf wichtigen Posten. Das bescheidene Abschneiden der Republikaner und die langsam sichtbar werdenden Risse in der Partei zeigen aber auch: Nicht alle Republikaner hoffen auf eine Rückkehr Trumps - und ganz gewiss keine Mehrheit der Amerikaner.

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