Mexiko:Von Mexiko kann die Welt lernen, wie mit Trump umzugehen ist

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Seit ihrem Treffen im August hat Mexikos Präsident Peña Nieto der Welt eine Erfahrung voraus: Er ist der erste Staatschef, der mit dem Politiker Trump gesprochen hat. (Foto: REUTERS)

Schotten sich die USA ab, droht Mexiko ein Kollaps. Mit neuen Verhandlungen will Präsident Peña Nieto das Schlimmste verhindern. Ganz Lateinamerika wird ihm dabei zusehen.

Kommentar von Sebastian Schoepp

Was tun, wenn man Grund hat, sich vor jemandem zu fürchten? Den Kopf einziehen? Oder die Konfrontation suchen, auch wenn man der Schwächere ist? Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto, wahrlich kein politischer Riese, hat sich im August für den riskanten Weg entschieden. Er hat Donald Trump nach Mexiko eingeladen. Zuerst war die Empörung groß: Wie er sich mit einem Mann zeigen könne, der Mexikaner verunglimpfe? Peña Nieto antwortete, er habe immerhin erreicht, dass der Kandidat "seinen Ton ändert". In der Tat sind grobe Ausfälle gegen die Nachbarn seitdem ausgeblieben. Jetzt ist Trump Präsident, und Peña Nieto hat der Welt eine Erfahrung voraus: Er ist der erste Staatschef, der mit dem Politiker Trump gesprochen hat.

Möglicherweise hat er ja sogar vorgemacht, wie man mit dem neuen US-Präsidenten umgehen muss: Auf ihn zugehen, ihn sozusagen als Betroffener direkt mit seinen eigenen Aussagen konfrontieren. Es ist ja bisher vor allem sein Ton gewesen, an dem Trump gemessen werden muss. Taten hat er noch keine vorzuweisen, das gilt auch für die angedrohte Mauer an der Grenze zu Mexiko, von der Peña Nieto klar gesagt hat, dass sein Land sie bestimmt nicht bezahlen wird.

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Der Nachbar leidet unter den USA, kann aber auch nicht ohne sie

Die Flucht nach vorn war wohl die einzige Möglichkeit, die der Präsident eines Landes hat, das die neue Politik aus Washington als erstes spüren wird. Ein Vorgeschmack war der Wertverlust des Peso nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses in Washington. Es wird sich nun herausstellen, ob es eine gute Idee war, die Wirtschaft ganz auf den großen Nachbarn auszurichten. Vier Fünftel des mexikanischen Exports gehen nach Norden, Waren und Dienstleistungen im Wert von 316 Milliarden Dollar im Jahr. Das hat dem Land ein schönes Wirtschaftswachstum und viel Lob als Musterschüler des Freihandels eingebracht - aber eben auch das Risiko, dass alles zusammenbricht, wenn der starke Nachbar sich wieder abschottet. Der Rest der Welt wird davon lernen können.

Mexiko leidet unter den USA, kann aber auch nicht ohne sie - allein die Zahlungen ausgewanderter Mexikaner in der Heimat halten Millionen von Menschen am Leben, 25 Milliarden Dollar sind das jedes Jahr, mehr als die Öleinnahmen. Sollten die USA die Rücküberweisungen illegal Eingewanderter wirklich stoppen, hätte das enormes Elend im Süden zur Folge. Nicht mal ein Donald Trump kann das wollen. Um das Schlimmste zu verhindern, ist Mexiko nach dem Sieg Trumps nun erneut in Vorlage gegangen und hat angekündigt, mit den USA über Verbesserungen beim Abkommen Nafta reden zu wollen. Die anderen Länder Lateinamerikas werden genau beobachten, wie es Mexiko damit ergeht.

An sich wäre der Zeitpunkt günstig für die USA, mit der ganzen Südhälfte des Kontinents über mehr Freihandel zu sprechen, jetzt, da dort die Linksregierungen nach und nach abtreten. Argentinien und Brasilien werden geführt von Männern, mit denen Trump sich bestens verstehen müsste: Milliardärs-Kollege Mauricio Macri regiert in Buenos Aires mit einer business-freundlichen Banker-Truppe. Brasiliens Michel Temer wirkt wie eine Latino-Kopie von Trump, von der sehr viel jüngeren Model-Ehefrau bis hin zu seinem weißen Altmännerkabinett aus der Finanzelite, das in guter alter Schwellenlandmanier alles zunichte macht, was die Vorgänger initiiert haben. Ja, fast könnte man meinen, die USA haben sich durch die Wahl des Patriarchen Trump ein Stück weit brasilianisiert.

Doch bislang hat Trump - abgesehen von Mexiko - nicht das geringste Interesse an Lateinamerika gezeigt. Vielleicht herrscht dort deswegen vergleichsweise gelassene Stimmung. Phasen des Desinteresses von Seiten der USA waren für Länder des Südens bislang oft schlicht die besten.

© SZ vom 14.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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