Menschenrechte:Neun Deutsche sitzen aus politischen Gründen in der Türkei in Haft

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Der deutsche Menschenrechtler und Fotograf Peter Steudtner war bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. (Foto: dpa)
  • Der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner ist einer von insgesamt 22 Deutschen, die seit dem Putschversuch aus politischen Gründen festgenommen wurden.
  • 13 von ihnen sind mittlerweile wieder freigelassen worden.
  • Bei den neun Deutschen, die weiterhin aus politischen Gründen in Haft sind, handelt es sich in vier Fällen um Personen, die sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft haben.

Von Detlef Esslinger, München

In der Türkei befinden sich derzeit 48 deutsche Staatsbürger in Haft, neun von ihnen aus politischen Gründen. Dies verlautete aus dem Auswärtigen Amt (AA) in Berlin auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung.

Insgesamt kamen nach dem Putschversuch vor einem Jahr 22 deutsche Staatsangehörige in dem Land "wegen politischer Strafvorwürfe" in Haft, wie es im AA hieß. 13 von ihnen sind mittlerweile wieder freigelassen worden. Drei dieser 13 Deutschen dürfen das Land aber derzeit nicht verlassen, die restlichen zehn wurden ohne Auflagen freigelassen, hieß es aus dem Berliner Ministerium.

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Bei den neun Deutschen, die weiterhin aus politischen Gründen in Haft sind, handelt es sich in vier Fällen um Personen, die sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürgerschaft haben. Vier weitere Häftlinge hatten früher ihre türkische Staatsbürgerschaft aufgegeben, so dass sie jetzt nur noch den deutschen Pass besitzen. Der neunte besaß immer nur die deutsche Staatsbürgerschaft; bei ihm handelt es sich um den Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner, dessen Inhaftierung in dieser Woche bekannt geworden war.

Namentlich bekannt sind in der Öffentlichkeit außer Steudtner nur drei weitere der Eingesperr ten: der Wel t-Korresponden t Deniz Yücel, der seit Februar im Gefängnis sitzt; er besitzt den deutschen und den türkischen Pass. Ende April wurde die Journalistin Meşale Tolu festgesetzt; sie besitzt nur den deutschen Pass. Bereits Anfang Dezember war der Unternehmer Özel Sögut aus Siegen verhaftet worden, der früher beide Pässe besaß, den türkischen Pass aber vor mehr als 15 Jahren aufgegeben hatte. Seine Ehefrau hatte im Februar Spiegel Online berichtet, ihrem Mann sei zum Verhängnis geworden, dass er eine Anlage zur alternativen Energiegewinnung an jemanden verkauft habe, der in der Gülen-Bewegung aktiv sei. Sögüt ist inzwischen aus der Haft entlassen, ob er aber zu denjenigen drei Deutschen gehört, über die die Türkei eine Ausreisesperre verhängt hat, oder ob er wieder völlig in Freiheit ist, war bislang nicht in Erfahrung zu bringen.

Über die Identität der insgesamt 18 weiteren Deutschen, die seit dem Putschversuch aus politischen Gründen eingesperrt waren beziehungsweise es immer noch sind, ist nichts bekannt. Das Auswärtige Amt macht von sich aus nie die Daten von Deutschen publik, die im Ausland in Haft geraten. Die Fälle Steudtner, Yücel, Tolu und Sögut wurden bekannt, indem deren Familie oder Arbeitgeber die Öffentlichkeit informierten. 39 Deutsche wiederum sind nach den Angaben aus dem Auswärtigen Amt in der Türkei in Haft, weil sie kriminelle Delikte, wie Diebstahl und Drogenhandel, begangen haben sollen.

Die Berliner Kirchengemeinde des Menschenrechtlers Steudtner will regelmäßig für ihr langjähriges Mitglied beten. "Wir fordern seine sofortige Freilassung", sagte Pfarrer Christian Zeiske von der Evangelischen Kirchengemeinde Prenzlauer Berg Nord am Freitag. "Solange werden wir regelmäßig Andacht halten." Am Donnerstag hätten sich in der Gethsemanekirche etwa 150 Menschen zusammengefunden. Die Gethsemanekirche war in der Wendezeit ein Treffpunkt für DDR-Oppositionelle. Im April 1990 kam die erste freigewählte Volkskammer vor ihrer konstituierenden Sitzung dort zum Gottesdienst zusammen.

© SZ vom 22.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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