Margaret Hodge:Labour-Abgeordnete zieht Zorn der Parteispitze auf sich

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Die 73-jährige Abgeordnete Margaret Hodge ist seit mehr als 50 Jahren Mitglied in der Labour-Partei. (Foto: REUTERS)

Die 73-jährige Margaret Hodge nennt Parteichef Corbyn öffentlich einen "Rassisten und Antisemiten". Sie spricht damit aus, was viele Mitglieder der Partei denken. Nun läuft ein Disziplinarverfahren gegen sie.

Von Cathrin Kahlweit, London

Der Streit, in dem die 73-jährige Labour-Abgeordnete Margaret Hodge vehement Position bezieht, schwelt schon lange in ihrer Partei. Dame Margaret Hodge, wie sie offiziell heißt, hat nur zugespitzt formuliert, was viele Mitglieder denken. Sie nannte Parteichef Jeremy Corbyn im Parlament, hörbar für Freund und Feind, einen "Rassisten und Antisemiten".

Und auch wenn jetzt intern darüber debattiert wird, ob sie genau das gesagt oder es vielleicht doch etwas höflicher ausgedrückt hat, so beharrt Margaret Hodge doch auf ihrem Standpunkt: Corbyn rede zwar viel darüber, dass er den Antisemitismus bekämpfen wolle, aber mit der Weigerung, eine international anerkannte Definition von Antisemitismus vollständig in die Statuten zu übernehmen, zeige die Parteispitze, dass sie es nicht ernst meine. "An ihren Taten" müsse man sie messen, sagt die ehemalige Ministerin, die in den Nullerjahren nacheinander den Ressorts Jugend, dann Arbeit und Kultur vorgestanden hatte, "nicht an ihren Worten".

Jüdische Zeitungen stellten sich hinter Hodge

Hodge, seit mehr als 50 Jahren Parteimitglied, hat sich damit den Zorn der Labour-Führung zugezogen. Der zweite Mann hinter Corbyn, Schatten-Finanzminister John McDonnell, sagt, Hodge habe die Antisemitismus-Regeln von Labour "komplett missverstanden" und in der Konfrontation mit Corbyn die Fassung verloren. Die Partei will die Causa jetzt in einem Disziplinarverfahren untersuchen, weil Hodge ein Parteimitglied persönlich attackiert habe. Die wehrt sich mit Hilfe von Anwälten und Interviews: Sie habe die Wahrheit gesagt - und es sei schon sehr merkwürdig, dass sie zwölf Stunden nach ihrer Konfrontation mit Corbyn über eine interne Untersuchung informiert werde, während es die Partei seit Jahren nicht schaffe, den Antisemitismus in den eigenen Reihen zu bekämpfen.

Am Donnerstag stellten sich dann in einem nie da gewesenen Akt die drei größten jüdischen Zeitungen des Landes, Jewish Chronicle, Jewish News und Jewish Telegraph, auf die Seite von Hodge und allen, die Labour kritisieren. "United we stand" war die gemeinsame Schlagzeile, unter der sich ein wortgleicher Leitartikel fand. Darin heißt es, solle Labour an die Macht kommen, so wäre dies "eine existenzielle Bedrohung für das jüdische Leben" im Königreich.

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Das ist harter Tobak, aber die Parteiführung tut derzeit auch viel dazu, diese berechtigte Wut zu schüren. Hodge, die aus einer Familie von deutschen Emigranten kommt, einige Familienmitglieder im Holocaust verloren hat und sich selbst als "säkulare Jüdin" bezeichnet, sagt, sie werde depressiv angesichts der wachsweichen Haltung der Parteiführung. Die israelkritische, propalästinensische Haltung Corbyns habe sich leider mit einer antijüdischen Tendenz vermischt. Das führe zu tiefem Misstrauen in der britisch-jüdischen Community.

Die Eltern von Margaret Hodge, Hans und Lisbeth Oppenheimer, waren in den 30er-Jahren aus Deutschland nach Kairo geflohen, wo ihre Tochter geboren wurde, später zogen sie weiter nach Großbritannien, wo Margaret Ökonomie studierte. Die Industriellenfamilie gründete damals eine Stahlfirma, die Hodges Sohn bis heute leitet. Sie selbst lebt im Londoner Stadtteil Islington, wo auch Jeremy Corbyn wohnt; vor zwei Jahren, als der Parteichef schon einmal stark in der Kritik stand, soll sie zu der Gruppe gehört haben, die auf seinen Sturz hinarbeitete.

Der aktuelle Streit um die Definition von Antisemitismus in den Parteistatuten, an dem sich Hodges Ärger festmacht, ist nur der jüngste Höhepunkt in einer Auseinandersetzung, die reich ist an traurigen Höhepunkten. Im Frühling vergangenen Jahres hatten mehr als tausend vor allem jüdische Briten vor dem Parlament gegen Antisemitismus in der Labour-Partei demonstriert. Margaret Hodge sagt, sie sei einst in die Politik gegangen, um gegen Rassismus zu kämpfen - fünfzig Jahre später kämpfe sie immer noch - in der eigenen Partei.

© SZ vom 27.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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