Management der Corona-Krise:Europas Stunde schlägt noch

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Ein Mann desinfiziert in Brüssel ein Rednerpult (Foto: REUTERS)

Das Ausmaß des materiellen Schadens durch die Corona-Epidemie lässt sich noch nicht beziffern. Will die EU überleben, muss sie schon jetzt den Wiederaufbau gut vorbereiten - in einem Geist der Solidarität.

Kommentar von Stefan Kornelius

Gleich dreimal in dieser Woche haben sogenannte multilaterale Gremien zur Weltkrise getagt: die G 7, die G 20 und erneut die EU in Form ihrer Regierungschefs. Dreimal hat sich die Vermutung bestätigt, dass dem Multilateralismus gerade das Sterbeglöckchen läutet. Die Roland-Emmerich-Inszenierung von der Eintracht aller Völker im Angesicht glitschiger Weltallkreaturen funktioniert in der Realität jedenfalls nicht. Weltharmoniesauce zur Kur von Covid-19 - gibt es gerade nicht viel.

Gleichwohl besteht auch kein Anlass zum Defätismus. Nationalstaaten sind nun mal die handlungsstärksten Institutionen im internationalen Gefüge. Sie wirken jetzt mit Blick nach innen, zum Wohl ihrer Schutzbefohlenen. Doch es regt sich was. Die USA und China haben ihren Verbalkrieg um die Virenurheberschaft weitgehend eingestellt. Die Präsidenten telefonieren miteinander. Man wird sich brauchen nach dem Sturm.

Dasselbe gilt für die EU, wo so langsam Hilfe über Staatsgrenzen hinweg funktioniert. Europa hat keinen Nothilfemechanismus, der für eine Krise dieser Dimension geschaffen wäre. Das muss sich ändern, aber für Corona ist es zu spät. Europa hat freilich alle Instrumente, um jenseits der unmittelbaren Nothilfe die Krise zu lindern. Wenn die Welle über dem Kontinent zusammengebrochen ist und der Wiederaufbau beginnt, dann schlägt die Stunde der Gemeinschaft.

Diese Erkenntnis sollte auch den Staats- und Regierungschefs zu vermitteln sein, die ihren letzten Videogipfel in großer Uneinigkeit beendet haben. Unter normalen Umständen würde man sagen: Dieser Gipfel ist geplatzt. Ein Offenbarungseid. Diesmal aber muss es heißen: Dieser Gipfel kam zu früh.

Das Ausmaß des wirtschaftlichen Schadens ist momentan nicht zu beziffern. Völlig unklar ist, welchen Grad von Produktivität Europa nach der Krise wieder erzielen kann, wie viel Arbeitslosigkeit auf Dauer herrschen wird, und welcher Staat sich besonders schwertut mit der Wiederauferstehung. Um ein vernünftiges Krisenpaket zu schnüren, braucht es diese Informationen.

Deswegen ist die vorsichtige Annäherung richtig: Der Krisenfonds ESM kann die nächste Zeit überbrücken. Euro-Bonds, also die Vergemeinschaftung von Schulden aus der Krise, können auch helfen. Aber ihr Einsatz muss wohlüberlegt sein. Den stärksten Hebel entwickelte Europa, wenn es ein gemeinsames Wiederaufbauprogramm entwirft. Das muss gekoppelt sein an den Haushalt der Europäischen Union, der allemal neu verhandelt und vor allem neu justiert werden muss. Und es muss gekoppelt sein an ein strenges Regelwerk. So ein neuer Marshallplan für Europa wird Wirtschaftskraft und Wertschöpfung fördern, die Arbeitslosigkeit mildern und der Produktivität helfen.

Die vermeintliche Uneinigkeit der EU-Staaten hat eine negative psychologische Wirkung, die nicht unterschätzt werden darf. Europas Bürger wollen die Solidarität spüren. Können sie das nicht, wird die EU auseinanderfallen. Die Risiken sind also enorm, aber auch das Bewusstsein, dass Europa eine Chance bekommen wird. Darüber lässt sich nicht in einer Videokonferenz entscheiden. Geld allein macht Europa nicht glücklich, es kommt darauf an, wofür es ausgegeben wird.

© SZ vom 28.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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