Iran:Eine Reise im Zeichen der Kriegsgefahr

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Die Reise von Außenminister Maas dürfte weltweit mit großem Interesse begleitet werden. (Foto: AP)
  • Außenminister Maas bricht zu einer Reise nach Jordanien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und nach Iran auf.
  • Maas will die Iraner einer Illusion berauben. Sie argumentieren, Iran müsse den Deal nicht in vollem Umfang einhalten, da er viel weniger bringe als vereinbart.
  • Die Europäer sind sich einig: Wenn sich Iran nicht mehr vollständig an das Abkommen hält, ist es tot.
  • Wenn Iran seine Uran-Produktion hochfährt, sind US-Militärschläge gegen Nuklearanlagen und Einrichtungen der Revolutionsgarden eine konkrete Option.

Von Daniel Brössler, Berlin, und Paul-Anton Krüger

Bevor der Außenminister eine Reise tut, sind seine Mitarbeiter für gewöhnlich um diplomatisches Understatement bemüht. Die Erwartungen sollen nicht zu hoch geschraubt werden. Doch bevor Außenminister Heiko Maas (SPD) an diesem Freitag zu einer Reise über die Pfingsttage aufbricht, ist alles ein bisschen anders. "Das ist eine Reise in die Krise", kündigt seine Sprecherin an. Sie wird Maas nach Jordanien und in die Vereinigten Arabischen Emirate führen und am Pfingstmontag nach Teheran. Vor allem wegen der letzten Station ist es bislang vermutlich die wichtigste Reise des Außenministers. Ein Jahr nach dem Ausstieg der USA steht das Atomabkommen mit Iran auf der Kippe. In vier Wochen läuft ein Ultimatum aus Teheran aus. Bis dahin verlangen die Iraner den Beweis, dass sich das Abkommen für sie noch lohnt.

Geht Maas also auf Vermittlungsmission? "Wir stehen ganz klar auf einer Seite", betont die Sprecherin des Ministers. Und das sei die Seite "des Atomabkommens, das wir erhalten wollen" und das dem Ziel diene, eine nukleare Bewaffnung Irans zu verhindern. Genau das steht auf dem Spiel: Mitte Mai hatte Iran ein 60-Tage-Ultimatum verhängt und damit gedroht, den nach dem Deal zulässigen Höchstwert bei der Uran-Anreicherung zu überschreiten. Zwar haben Deutschland und die anderen westlichen Partner das Ultimatum zurückgewiesen, als reale Gefahr aber können sie es nicht ignorieren. Maas will, wie er mitteilen lässt, in Teheran besprechen, "was wir tun, um dieses Abkommen zu erhalten und was Iran tun kann, um in die gleiche Richtung zu gehen". Mit London und Paris sei die Reise "abgesprochen und koordiniert". Auch hatte Maas kürzlich US-Außenminister Mike Pompeo bei dessen Besuch in Berlin unterrichtet.

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Vorab hat Maas vor zwei Wochen seinen Politischen Direktor Jens Plötner nach Teheran geschickt, um das Terrain zu sondieren und ein paar Botschaften zu platzieren. Vor allem ging es darum, die Iraner vor zu großen Erwartungen an die Europäer zu warnen. So gilt der Wunsch nach einem Ausgleich der riesigen Verluste aufgrund des von den USA durchgesetzten Öl-Embargos als unerfüllbar. Gearbeitet wird an einem sehr viel bescheideneren Projekt, nämlich an einem Zahlungskanal namens Instex. Dieser soll es ermöglichen, Geschäfte ohne Dollar und abseits des US-Zugriffs abzuwickeln. Dabei geht es primär um humanitäre Güter, etwa Medikamente. Wenn es gut läuft, soll das erste Geschäft über Instex Anfang Juli abgewickelt werden.

Das wichtigste Anliegen der deutschen Diplomatie aber ist es, die Iraner einer Illusion zu berauben: jener, dass sie den Atomdeal brechen und doch erhalten können. Nach iranischer Logik wäre das möglich. Da der Deal viel weniger bringe als vereinbart, müsse Iran ihn auch nicht in vollem Umfang einhalten, argumentieren sie. Die europäischen Partner sind sich hingegen einig: Wenn sich Iran nicht mehr vollständig an das Abkommen hält, ist es tot. Die Europäer müssten dann konsequenterweise wie die USA Sanktionen verhängen. Was danach geschieht, gilt als unberechenbar, einschließlich steigender Kriegsgefahr.

Die USA haben zwar in den vergangenen Tagen ihre Rhetorik entschärft - mehr aber nicht. Außenminister Pompeo bot Iran Gespräche ohne Vorbedingungen an, sagte aber zugleich, die "Kampagne des maximalen Drucks" werde unvermindert fortgesetzt. Präsident Donald Trump sagte, er wolle lieber reden, aber natürlich gebe es "immer die Möglichkeit" einer militärischen Auseinandersetzung. So werden 1500 zusätzliche Soldaten in die Region verlegt, so bleiben die erhöhte Alarmbereitschaft der US-Truppen und der Abzug vieler Diplomaten aus dem Irak bestehen.

Die Vereinigten Arabischen Emirate haben dem UN-Sicherheitsrat einen Bericht zukommen lassen, in dem sie "einen staatlichen Akteur" für Angriffe auf vier Schiffe vor Fudschaira verantwortlich machen, die offenbar durch Haftminen beschädigt worden waren. Welches Land gemeint ist, steht nicht explizit in dem Bericht, doch ist klar, dass Iran gemeint ist. Trumps Sicherheitsberater John Bolton hatte Belege für die zumindest indirekte Verantwortung des Regimes in Teheran angekündigt. Überdies plant er plant im Juni ein trilateralesTreffen mit seinem russischen Kollegen, das Israel ausrichten soll.

Die Regierung in Teheran hat sich mit ihrem Ultimatum selbst unter Zugzwang gesetzt

Trumps Sicherheitsberater John Bolton hat angekündigt, dem UN-Sicherheitsrat Beweise für Irans Verwicklung in Angriffe auf Schiffe vor Fudschaira vorzulegen. Er plant im Juni ein Treffen mit seinem russischen Kollegen, das Israel ausrichten soll. Dabei soll es nicht nur um Irans Rolle im benachbarten Syrien gehen, sondern auch Moskau soll dazu gebracht werden, von Teheran abzurücken und sich der US-Haltung zu öffnen, dass Iran der Störenfried in der Region ist, von Libanon über den Irak bis Jemen. Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate drängen ebenfalls den Kreml, die Bindung mit Iran zu lockern, die weniger strategischer Natur ist, sondern auf zeitweise ähnlichen Interessen basiert.

Während also die USA, ihre arabischen Verbündeten und Israel daran arbeiten, Iran weiter zu isolieren, hat sich die Regierung von Präsident Hassan Rohani selber unter Zugzwang gesetzt. Wenn das 60-Tage-Ultimatum auslaufe, müsse Rohani etwas vorzuweisen haben, sagen iranische Diplomaten und verweisen auf die Situation im Land. Die politischen Solidaritätsadressen aus Europa linderten nicht die tiefe Wirtschaftskrise, die durch die hohe Inflation und die Entwertung der Landeswährung gegenüber dem Dollar viele Menschen im Land hart trifft. Daran werde sich aber auch nichts ändern, wenn Iran das Atomabkommen aufgebe, halten westliche Emissäre entgegen - im Gegenteil. Iran verspiele dann jede Unterstützung.

Trump könnte das als Erfolg seiner Strategie verbuchen. Seine Berater prophezeien seit der Kündigung des Abkommens im Mai 2018, den Europäern werde letztlich nichts bleiben, als sich den USA anzuschließen. Fährt Iran sein Atomprogramm wieder hoch, entsteht binnen Monaten eine Situation, in denen begrenzte Militärschläge gegen Nuklearanlagen und Einrichtungen der Revolutionsgarden keine Drohkulisse sind, sondern eine konkrete Option.

Nur hat dann Iran selbst den Grund geliefert, während die USA darauf verweisen können, dass Teheran alle Gesprächsangebote abgelehnt habe. Iranische Diplomaten wiederum erklären, dass die USA widersprüchliche Signale sendeten und nicht als verlässlicher Partner gelten könnten. Allerdings hat der Oberste Führer Ali Khamenei eine Hintertür offen gelassen für indirekte Verhandlungen. Viel Aufmerksamkeit erfuhren daher die hochrangigen Kontakte der USA mit der Schweiz, die Amerikas Interessen in Iran wahrnimmt. Und auch die Reise des Bundesaußenministers dürfte weltweit mit größerem Interesse begleitet werden, als es Maas sonst zuteil wird.

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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