Die fast 60 Tomahawk-Marschflugkörper, die die USA am frühen Freitagmorgen abschossen, haben die Lage im syrischen Bürgerkrieg mit einem Schlag geändert. Bisher konnte das syrische Regime sich in seinem brutalen Vorgehen gegen das eigene Volk in relativer Sicherheit wiegen - auch weil die USA nicht gewillt waren, ihr Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg über den Kampf gegen den Islamischen Staat hinaus auszuweiten. Mit dieser Gewissheit ist es nun vorbei. Mit seinem Luftschlag hat US-Präsident Trump eine deutliche Botschaft gesendet: Wir werden nicht länger jede Gräueltat gegen syrische Zivilisten akzeptieren.
Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, ob diese Botschaft in Syrien angekommen ist, und wenn ja, wie sehr sich Assad davon beeindrucken lässt. Am Freitag fielen die Reaktionen in Syrien eher verhalten aus. Der syrische Informationsminister Omran al-Subi war offensichtlich bemüht, die Bedeutung des ersten US-Angriffs auf die eigenen Truppen herunterzuspielen: Die Aktion sei "begrenzt" ausgefallen und ohnehin bereits "erwartet" worden. Man gehe nicht von einer weiteren militärischen Eskalation aus. Im Staatsfernsehen bezeichnete ein syrischer General den Luftschlag als "Aggression", mit der die Amerikaner den Kampf gegen den Terrorismus untergraben würden.
Am Nachmittag äußerte sich schließlich auch der syrische Präsident. Die US-Aktion sei "rücksichtslos und unverantwortlich", verlautete es aus seinem Büro. Sie spiegele die "Fortsetzung einer Politik wider, die auf die Unterwerfung von Völkern abziele". Offensichtlich seien die USA der Propaganda-Kampagne über den vermeintlichen Chemiewaffenangriff aufgesessen.
Am Abend beteuerte der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen während einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, dass Syrien über keine Chemiewaffen mehr verfüge. Im Anschluss bezichtigte er die USA, mit dem IS und der terroristischen al-Nusra-Front gemeinsame Sache zu machen.
Damaskus kündigt an, den Kampf gegen die Rebellen auszuweiten
Konkrete militärische Aktionen in Richtung der USA ließ Damaskus dem Angriff bisher nicht folgen. Allerdings scheint der Angriff auch nichts an Assads Entschlossenheit, sich seiner innenpolitischen Gegner gewaltsam zu entledigen, geändert zu haben. Im Gegenteil: Syriens Regierung kündigte an, den Kampf gegen die Aufständischen im eigenen Land verschärfen zu wollen. Bereits am Freitagabend flug die syrische Luftwaffe wieder Angriffe vom Luftwaffenstützpunkt Al-Schairat. Zwei Kampfflugzeuge hätten von dort aus Angriffe auf Ziele in der Nähe von Palmyra geflogen, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte
Fraglich ist, ob Assad die US-geführte Anti-IS-Koalition im eigenen Land weiterhin in gleichem Maße gewähren lassen wird. Bisher hatte Syrien den USA und seinen Verbündeten im Rahmen der Anti-IS-Koalition weitgehend freie Hand bei Luftschlägen gegen den IS gegeben. Nach dem Angriff könnte sich der syrische Präsident künftig im Recht sehen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. US-Kampfjets könnten bei ihren Einsätzen gegen die Terrormiliz im Norden des Landes plötzlich ins Kreuzfeuer der Regierungstruppen geraten. Allerding wird sich Assad gründlich überlegen, ob er es auf eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem mächtigsten Militär der Welt ankommen lassen möchte.