Süddeutsche Zeitung

Luftschlag auf syrische Luftwaffenbasis:Wie Russland und Syrien auf den US-Luftschlag reagieren

Lesezeit: 4 min

Von Julia Ley

Die fast 60 Tomahawk-Marschflugkörper, die die USA am frühen Freitagmorgen abschossen, haben die Lage im syrischen Bürgerkrieg mit einem Schlag geändert. Bisher konnte das syrische Regime sich in seinem brutalen Vorgehen gegen das eigene Volk in relativer Sicherheit wiegen - auch weil die USA nicht gewillt waren, ihr Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg über den Kampf gegen den Islamischen Staat hinaus auszuweiten. Mit dieser Gewissheit ist es nun vorbei. Mit seinem Luftschlag hat US-Präsident Trump eine deutliche Botschaft gesendet: Wir werden nicht länger jede Gräueltat gegen syrische Zivilisten akzeptieren.

Die kommenden Tage und Wochen werden zeigen, ob diese Botschaft in Syrien angekommen ist, und wenn ja, wie sehr sich Assad davon beeindrucken lässt. Am Freitag fielen die Reaktionen in Syrien eher verhalten aus. Der syrische Informationsminister Omran al-Subi war offensichtlich bemüht, die Bedeutung des ersten US-Angriffs auf die eigenen Truppen herunterzuspielen: Die Aktion sei "begrenzt" ausgefallen und ohnehin bereits "erwartet" worden. Man gehe nicht von einer weiteren militärischen Eskalation aus. Im Staatsfernsehen bezeichnete ein syrischer General den Luftschlag als "Aggression", mit der die Amerikaner den Kampf gegen den Terrorismus untergraben würden.

Am Nachmittag äußerte sich schließlich auch der syrische Präsident. Die US-Aktion sei "rücksichtslos und unverantwortlich", verlautete es aus seinem Büro. Sie spiegele die "Fortsetzung einer Politik wider, die auf die Unterwerfung von Völkern abziele". Offensichtlich seien die USA der Propaganda-Kampagne über den vermeintlichen Chemiewaffenangriff aufgesessen.

Am Abend beteuerte der syrische Botschafter bei den Vereinten Nationen während einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates, dass Syrien über keine Chemiewaffen mehr verfüge. Im Anschluss bezichtigte er die USA, mit dem IS und der terroristischen al-Nusra-Front gemeinsame Sache zu machen.

Damaskus kündigt an, den Kampf gegen die Rebellen auszuweiten

Konkrete militärische Aktionen in Richtung der USA ließ Damaskus dem Angriff bisher nicht folgen. Allerdings scheint der Angriff auch nichts an Assads Entschlossenheit, sich seiner innenpolitischen Gegner gewaltsam zu entledigen, geändert zu haben. Im Gegenteil: Syriens Regierung kündigte an, den Kampf gegen die Aufständischen im eigenen Land verschärfen zu wollen. Bereits am Freitagabend flug die syrische Luftwaffe wieder Angriffe vom Luftwaffenstützpunkt Al-Schairat. Zwei Kampfflugzeuge hätten von dort aus Angriffe auf Ziele in der Nähe von Palmyra geflogen, meldete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte

Fraglich ist, ob Assad die US-geführte Anti-IS-Koalition im eigenen Land weiterhin in gleichem Maße gewähren lassen wird. Bisher hatte Syrien den USA und seinen Verbündeten im Rahmen der Anti-IS-Koalition weitgehend freie Hand bei Luftschlägen gegen den IS gegeben. Nach dem Angriff könnte sich der syrische Präsident künftig im Recht sehen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten. US-Kampfjets könnten bei ihren Einsätzen gegen die Terrormiliz im Norden des Landes plötzlich ins Kreuzfeuer der Regierungstruppen geraten. Allerding wird sich Assad gründlich überlegen, ob er es auf eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem mächtigsten Militär der Welt ankommen lassen möchte.

Der wichtigste Unterstützer Assads ist, neben Iran, der russische Präsident Putin. Die russische Führung verurteilte das US-Bombardement am Freitag erwartungsgemäß und sprach von einem Angriff auf die Unabhängigkeit Syriens: "Präsident Putin hält die amerikanischen Angriffe für eine Aggression gegen einen souveränen Staat, gegen das Völkerrecht, dazu noch mit einem erdachten Vorwand", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die syrische Armee habe keine Chemiewaffen mehr, das habe nach der Entwaffnung auch die zuständige UN-Organisation bestätigt. Gleichzeitig werde der Einsatz von Chemiewaffen durch "Terroristen" von den USA komplett ignoriert.

Damit spielt Peskow auf die russische Darstellung des mutmaßlichen Chemiewaffenangriffs in Syrien an. Während die USA davon ausgehen, dass das Nervengas von syrischen Flugzeugen abgeworfen wurde, stellen Russland und die syrische Regierung den Vorfall als eine Art Versehen dar. Die syrische Armee habe eine Fabrik angegriffen, in der Rebellen Chemiewaffen produzierten. Infolgedessen sei das Nervengas ausgetreten. Am Freitag bezeichnete Kreml-Sprecher Peskow den Chemiewaffenangriff dann jedoch als "gefährliches und monströses Verbrechen". Es sei aber falsch, jetzt schon Schuldzuweisungen anzustellen.

Der Vowurf, die USA hätten mit ihrem Alleingang gegen internationales Völkerrecht verstoßen, wird auch hierzulande von vielen Beobachtern geteilt. Für wenig glaubwürdig halten Militärexperten hingegen die russische Erklärung, das Assad-Regime sei nicht für den Chemiewaffeneinsatz verantwortlich, diese seien von Rebellen hergestellt worden.

Später am Freitag verschärfte die russische Regierung den Tonfall gegenüber den USA. Der Luftschlag hätte beinahe zu einer militärischen Auseinandersetzung mit Moskau geführt, sagte Premierminister Medwedew. "Zwischen uns herrscht absolutes Misstrauen", schrieb er auf Facebook. Das sei sehr traurig für die ohnehin beschädigten Beziehungen zwischen Washington und Moskau.

Russland will syrische Flugabwehr stärken

Russland zog am Freitag erste Konsequenzen aus dem US-Angriff auf die syrische Luftwaffe: Die Regierung setzte eine mit den USA geschlossene Vereinbarung außer Kraft, mit der Zusammenstöße im syrischen Luftraum vermieden werden sollten. Bislang hatten beide Länder Daten über Flugbewegungen ausgetauscht, um Kollisionen zu verhindern.

Russland kündigte außerdem an, die syrische Luftabwehr zu stärken. Konkret will das Militär bei der Sicherung einer Luftwaffenbasis in der Provinz Homs helfen. Ein russischer Parlamentarier verwies darauf, dass bereits Luftabwehrraketen an russischen Stützpunkten in Syrien stationiert seien. Die Systeme S-300 und S-400 schützten den Flugplatz in Latakia und den Marinestützpunkt Tartus.

Am Freitagabend wird der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über den US-Luftangriff auf den Luftwaffenstützpunkt beraten. Offenbar hatte Russland das Gremium einberufen.

Russland wurde offenbar vorab über den Angriff informiert

Über die Frage, wann Russland von dem Luftschlag erfuhr, herrschte anfangs Verwirrung. Nach Darstellung des Verteidigungsministeriums in Washington wurden russische Militärs vorab informiert. Damit habe ausgeschlossen werden sollen, dass russische Soldaten Opfer des Raketenangriffs werden, hieß es seitens des Pentagons. US-Außenminister Rex Tillerson sagte hingegen, dass es vor der Operation keine Absprache oder Koordinierung mit Moskau gegeben habe. Am Freitag bestätigte dann aber Kreml-Sprecher Peskow, dass der Präsident vorab über den Angriff informiert worden sei.

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