Corona:Lauterbach verspricht bessere Versorgung von Long-Covid-Patienten

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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (links) will Long-Covid-Erkrankte besser versorgen, neben ihm Carmen Scheibenbogen, die Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité, und Karl Broich, Präsident des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Der Bundesgesundheitsminister will Betroffenen den Zugang zu Medikamenten erleichtern - und steht vor einem komplizierten Corona-Herbst.

Von Angelika Slavik, Berlin

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will Menschen, die an den Spätfolgen einer Corona-Erkrankung leiden, besser mit Medikamenten versorgen. Künftig sollten auch Arzneimittel, die eigentlich zur Behandlung anderer Krankheiten entwickelt wurden, für Long-Covid-Patienten verschrieben und von den Krankenkassen übernommen werden, sagte Lauterbach am Dienstag nach einem Treffen mit Experten. "Die Therapie von Long-Covid-Erkrankten soll nicht an Formalien scheitern."

Die Ursachen von Long Covid sind bislang weitgehend unerforscht, Arzneimittel speziell für diese Erkrankung gibt es nicht. Es habe sich aber gezeigt, dass vorhandene Medikamente - etwa gegen Schlafstörungen oder Kreislaufprobleme - helfen könnten, die Symptome von Long Covid zu lindern, sagte Lauterbach. Dieser sogenannte "Off-Label"-Einsatz wird von den Kassen bisher nur in Ausnahmefällen übernommen. Bis zum Jahresende soll nun beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Liste von Medikamenten erstellt werden, die Ärzte bei Long Covid verschreiben könnten, wenn das im individuellen Fall sinnvoll erscheint. Damit soll verhindert werden, dass sich Mediziner zur Behandlung von Long-Covid-Patienten in eine rechtliche Grauzone begeben müssen; zudem sei damit die Kostenübernahme durch die Krankenkassen geklärt.

Genaue Zahlen, wie viele Menschen von Long Covid betroffen sind, gibt es nicht. Im Ministerium schätzt man, dass zwischen sechs und 15 Prozent der Corona-Infizierten an Long Covid erkranken. In einer Überblicksstudie in der Fachzeitschrift Nature Reviews Microbiology Anfang des Jahres hieß es, dass Long Covid auf mindestens zehn Prozent der schweren Infektionen folge. Weltweit würden etwa 65 Millionen Menschen unter Corona-Spätfolgen leiden. Allein in Deutschland sollen eine Million Menschen betroffen sein.

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Kritik an Lauterbachs Plänen kam von der Opposition. Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger sagte der SZ: "Immer neue Gespräche und Ankündigungen helfen den Betroffenen nichts." Lauterbach habe Anfang des Jahres 100 Millionen Euro für die Erforschung der Krankheit und neue Therapien versprochen. "Im aktuellen Haushaltsentwurf der Bundesregierung findet sich nun nicht einmal die Hälfte der versprochenen Mittel." Auch Lauterbach selbst räumte ein, dass er die angestrebten Forschungsgelder bisher nicht habe durchsetzen können. Bislang sind im Haushalt 2024 für die Long-Covid-Forschung 40 Millionen Euro vorgesehen. Er werde deshalb nachverhandeln, kündigte der Minister an. "100 Millionen sind das Minimum, das wir benötigen." Zu den Erfolgsaussichten dieses geplanten Vorstoßes ließ sich Lauterbach am Dienstag nicht ein. Innerhalb der Ampelkoalition gab es zuletzt zahlreiche öffentlich ausgetragene Konflikte.

Auch jenseits der Long-Covid-Versorgung steht Lauterbach vor einem komplizierten Corona-Herbst: Experten sehen bereits den Beginn einer neuen Infektionswelle. "Die Varianten, die wir derzeit beobachten, sind sehr ansteckend", so Lauterbach. Positiv sei aber, dass man es immer noch mit Omikron-Varianten zu tun habe, wodurch mehrheitlich milde Krankheitsverläufe zu erwarten seien. Wie viele Menschen in den kommenden Monaten erkranken werden, sei nicht zu prognostizieren. Ebenso scheint offen zu sein, in welchem Maß das öffentliche Leben und die Wirtschaft von einer neuen Corona-Welle betroffen sein könnten. In der Bevölkerung gebe es eine gute Immunität, so Lauterbach, dennoch sei jede Corona-Erkrankung ein Risiko. Bei den nun wieder steigenden Infektionszahlen rate er "gerade jenen, die Risikofaktoren haben", etwa durch eine vorangegangene schwere Corona-Episode oder andere Vorerkrankungen, "unbedingt zum Masketragen".

Vom 18. September an soll der angepasste Corona-Impfstoff zur Verfügung stehen

Zudem plädierte Lauterbach dafür, den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu folgen. Diese legt Angehörigen von Risikogruppen und Menschen über 60 Jahre im Herbst eine Auffrischungsimpfung mit dem angepassten Corona-Impfstoff nahe. Das Vakzin von Biontech soll vom 18. September an in den Arztpraxen zur Verfügung stehen.

Allerdings könnte sich die Organisation der Impfungen kompliziert gestalten: Zum einen ist unklar, wie viele Menschen sich wirklich noch einmal gegen Corona impfen lassen werden. Eine Umfrage für den Tagesspiegel legte zuletzt nahe, dass ein Fünftel der Gesamtbevölkerung eine Auffrischungsimpfung plant, zehn Prozent seien noch unentschieden. Allerdings könnten sich diese Zahlen je nach Entwicklung der dann kursierenden Virusvarianten rasch verändern - in jede Richtung. Dazu kommt: Der angepasste Biontech-Impfstoff wird nur in Sechser-Dosen verfügbar sein. Um kein Vakzin zu verschwenden, müssten Ärzte also immer sechs Patienten zeitnah hintereinander impfen. Beim Hausärzteverband warnte man deshalb bereits vor einem "organisatorischen Overkill", auch Lauterbach zeigte sich am Dienstag sichtlich verärgert: "Das Unternehmen war nicht in der Lage, uns Einzeldosen zur Verfügung zu stellen."

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