Parteien:Wenn Wirtschaftsvertreter im Vorstand mitreden

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Michael Frenzel, ehemals Tui-Vorstandschef, ist Präsident des "Wirtschaftsforums der SPD". (Foto: Carsten Koall/dpa)

Bei der CDU darf die Chefin eines unternehmerischen Berufsverbandes an allen Vorstandssitzungen teilnehmen. Gibt es so etwas auch bei den anderen Parteien?

Von Robert Roßmann, Berlin

Die CDU muss sich gerade des Vorwurfs erwehren, eine Lobbyistin direkt im Bundesvorstand sitzen zu haben. Es geht dabei um Astrid Hamker, die Präsidentin des Vereins "Wirtschaftsrat der CDU". Das ist trotz des Namens keine Gliederung der Partei, sondern ein unternehmerischer Berufsverband, der nach eigener Aussage die Interessen der Wirtschaft "gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit" vertritt. Im Vorstand des Wirtschaftsrats sitzt zum Beispiel Hildegard Müller, die Chefin des Verbandes der Automobilindustrie. Astrid Hamker ist Gesellschafterin bei der Piepenbrock Unternehmensgruppe. Sie ist kein gewähltes Mitglied des CDU-Vorstands, als Präsidentin des Wirtschaftsrats darf sie aber trotzdem qua Amt als "ständiger Gast" an allen Bundesvorstandssitzungen der CDU teilnehmen, samt Rederecht.

"Ein Lobbyverband mit Sitz im Parteivorstand ist ein Unding", klagt deshalb der Verein Lobbycontrol. Aber wie sieht es bei den anderen Parteien aus? Es gibt ja auch das "Wirtschaftsforum der SPD", den "Grünen Wirtschaftsdialog" oder die "Bundesvereinigung liberaler Mittelstand". Dürfen deren Chefs auch als ständige Gäste an den Vorstandssitzungen ihrer Parteien teilnehmen?

Vorsitzender des "Grünen Wirtschaftsdialog e.V." ist der Unternehmer und ehemalige Bundestagsabgeordnete Thomas Gambke. Auf die Frage, ob Gambke oder ein anderes Mitglied der Führung des Wirtschaftsdialogs in 2020 oder 2021 an Sitzungen des Bundesvorstandes oder des Parteirats der Grünen teilgenommen hat, antwortet Gambkes Sprecher knapp mit: "Nein". Gambke besitze in den Gremien der Grünen weder ein ständiges Gastrecht noch Ähnliches.

Bei der SPD ist die Lage etwas komplizierter

Bei der FDP handhabt man es dagegen wie bei der CDU. Vorsitzender der Bundesvereinigung liberaler Mittelstand, auch sie ist als Verein organisiert, ist der Personalberater Dorian Hartmuth. Er habe im FDP-Bundesvorstand den Status eines ständigen Gastes und habe sowohl 2020 als auch in diesem Jahr an Vorstandssitzungen teilgenommen, sagt sein Sprecher.

Beim "Wirtschaftsforum der SPD e.V." ist die Lage etwas komplizierter. Präsident des Wirtschaftsforums der SPD ist Michael Frenzel, der ehemalige Tui-Vorstandsvorsitzende und heutige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Tourismuswirtschaft. Das Wirtschaftsforum habe "keinen Status als ständiger Gast oder Ähnliches" bei Sitzungen des SPD-Vorstandes, sagt Frank Wilhelmy, der Geschäftsführer des Wirtschaftsforums. Man werde aber "punktuell als Gast eingeladen, sofern es um wirtschaftspolitische Themen geht".

Astrid Hamker ist Vorsitzende des Wirtschaftsrates und darf qua Amt als "ständiger Gast" an allen Bundesvorstandssitzungen der CDU teilnehmen. (Foto: Jörg Carstensen/dpa)

Das bestätigt auch die Sprecherin der SPD. Ständige Gäste im Parteivorstand seien lediglich "SPD-MinisterInnen, SPD-Landesvorsitzende, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaften der SPD" sowie sozialdemokratische Ministerpräsidenten und -präsidentinnen, also weder das Wirtschaftsforum, noch Gewerkschaftsvertreter.

Aber wie häufig sitzen nun Abgesandte des Wirtschaftsforums im Bundesvorstand der Sozialdemokraten? Im Jahr 2020 habe kein Vertreter des Wirtschaftsforums an einer Sitzung des SPD-Vorstandes teilgenommen, sagt Geschäftsführer Wilhelmy. In diesem Jahr sei man zwei Mal eingeladen gewesen - zuletzt an diesem Sonntag. Bei beiden Sitzungen sei es um das Wahlprogramm der SPD für die Bundestagswahl gegangen.

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