Linken-Politiker fordert neue Hilfstruppe:Wie Lafontaine der SPD Willy Brandt wegnehmen will

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Er sieht sich als "Lieblingsenkel" von Willy Brandt. Jetzt will der einstige Linken-Chef Oskar Lafontaine der SPD das Erbe des Altkanzlers streitig machen: Auf dem Parteitag Ende Oktober wird er seine Idee einer humanitären Hilfstruppe als Alternative zur Bundeswehr vorstellen. Heißen soll sie ausgerechnet: Willy-Brandt-Korps.

Daniel Brössler

Es würde, obschon Oskar Lafontaine kürzlich seinen 68. Geburtstag gefeiert hat, niemandem in seiner Linkspartei einfallen, ihn als Großvater zu titulieren. Wenn Lafontaine seine Macht ausspielt, dann tut er es, wenn schon, als Enkel. Schon 2005, als seine Linken erstmals in den Bundestag einzogen, lauteten Lafontaines erste Worte: "Willy Brandt sprach von der Mehrheit links der Mitte - diese Mehrheit ist jetzt da."

Kampfansage an die SPD: Oskar Lafontaine will den Sozialdemokraten das Erbe Willy Brandts streitig machen. (Foto: dapd)

Das war kein Angebot an die SPD, sondern eine Kampfansage. Lafontaine, der angebliche "Lieblingsenkel" Willy Brandts, erhob Anspruch auf das Erbe des großen Sozialdemokraten - und tut es bis heute. Dazu passt ein Einfall, den er auf dem Programmparteitag Ende Oktober präsentiert. Deutschland soll als Alternative zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine humanitäre Hilfstruppe aufstellen. Lafontaine will sie Willy-Brandt-Korps nennen. Ausgerechnet.

Der Vorschlag ist enthalten in einem Änderungsantrag zum Programmentwurf und soll dem kategorischen Nein der Linken zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr eine positive Komponente hinzufügen. "Statt der Armee im Einsatz will die Linke eine humanitäre Hilfstruppe. Die Milliarden, die bisher für Kriege ausgegeben werden, wollen wir für Hilfe bei der Bewältigung internationaler Krisen und Katastrophen einsetzen", heißt es da. Ein "Willy-Brandt-Korps für internationale Katastrophenhilfe" sei eine friedliche Alternative zur Armee im Einsatz.

"Der Name ist genau richtig", lobt Parteichef Klaus Ernst, ebenfalls ein früherer Sozialdemokrat. "Wir müssen uns heute mehr denn je an Willy Brandts Grundprinzip erinnern, dass von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen darf", begründet er das. Soll heißen: Eigentlicher Sachwalter des Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt ist die Linkspartei und nicht die SPD.

Ärgern der SPD ist ein Anliegen

Deutschland, das "zur Zeit Willy Brandts eine in der Welt allseits geachtete Friedensmacht" gewesen sei, beteilige sich an völkerrechtswidrigen Kriegen wie dem in Afghanistan, polterte Lafontaine 2008 auf dem ersten ordentlichen Parteitag der Linken. Das Ärgern der früheren Genossen blieb dem einstigen SPD-Chef auch danach ein Anliegen.

Was Brandt vom Afghanistan-Einsatz gehalten hätte, wird die Welt nie erfahren. 1990 sagte er im Gespräch mit einem Journalisten der Zeit, das vereinte Deutschland erhalte eine "Quasi-Souveränität", was ganz sicher heiße, dass es der Staatengemeinschaft im Bedarfsfall Unterstützung nicht versagen könne.

Die Linke freilich will in ihrem Programm festschreiben, dass Deutschland sich an überhaupt keinen militärischen Einsätzen im Ausland mehr beteiligen darf, auch nicht in friedenserhaltender Mission im Auftrag der Vereinten Nationen. Einige Außenpolitiker der Partei, unter ihnen der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich, warnen vor so viel Dogmatismus. In einem Positionspapier fordern sie, die Partei dürfe "die Augen nicht davor verschließen, dass für Millionen von Zivilisten in Konflikt- und Kriegsgebieten UN-Soldaten oft die letzte Hoffnung auf Frieden und Stabilität sind". Jeder Einzelfall müsse daher gesondert geprüft werden.

Mit seiner Idee hofft Lafontaine den Streit in der Partei zu befrieden. Doch es gibt Widerstand. "Als Pazifistin sehe ich das Willy-Brandt-Korps skeptisch", sagt Vize-Parteichefin Katja Kipping. Wer mehr zivilen Aufbau wolle, brauche kein neues Korps. Das Technische Hilfswerk genüge.

© SZ vom 07.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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