Laut Laumann:Strukturen für Vereinbarkeit von Pflege und Beruf schaffen

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Ein Pfleger hält in einem Pflegeheim die Hand einer Bewohnerin. (Foto: Oliver Berg/dpa/Symbolbild)

Die Lebenserwartung steigt - das Renteneintrittsalter auch. Immer mehr Berufstätige müssen daher den Spagat zwischen Job und der Pflege der Eltern schaffen - eine riesige gesellschaftliche Aufgabe.

Von Bettina Grönewald, dpa

Düsseldorf (dpa/lnw) - Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Vereinbarkeit von familiärer Pflege und Beruf. Dafür Strukturen zu schaffen, werde in den nächsten Jahren eine vergleichbar große Herausforderung sein wie die bisherigen Anstrengungen um die Vereinbarkeit von Beruf und Kindern.

„Wir werden die Pflege nicht alleine über professionelle Kräfte lösen können“, sagte Laumann am Freitag in einer Aktuellen Stunde des Düsseldorfer Landtags zur Pflege-Situation in NRW. „80 Prozent der Pflegebedürftigen sind zu Hause.“

Ein Netz für pflegende Berufstätige

Das Renteneintrittsalter gehe nach oben. „Deswegen erleben heute viele Menschen auch in den Zeiten, wo sie noch berufstätig sind, die Pflegebedürftigkeit ihrer eigenen Eltern.“ Dafür müssten in den nächsten Jahren gesellschaftlich und auch am Arbeitsmarkt passende Bedingungen gestaltet werden, mahnte der Minister. „Und wenn wir mal sehen, welche Anstrengungen unternommen worden sind, um die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf hinzukriegen für Väter und Mütter, dann können wir uns vorstellen, was da in dieser Frage auf uns zukommt und was wir hier noch an Strukturen brauchen.“

Ausländer in Pflege und Krankenhäusern unverzichtbar

Ausdrücklich dankte er den vielen osteuropäischen Betreuungskräften, die in den Haushalten Pflegebedürftiger leben und sich um sie kümmern. Ohne sie wäre das offizielle Pflegesystem „von der einen Stunde auf die andere nicht mehr handlungsfähig“, räumte Laumann ein.

Jedes Jahr gebe es in NRW rund 5000 Anträge auf Berufsanerkennung von Pflegekräften, die im Ausland gelernt hätten. „Und deswegen finde ich es sehr wichtig, dass wir auch im Ausland symbolisieren, dass wir uns freuen, wenn diese Menschen kommen, dass wir ein weltoffenes Land bleiben und dass wir nicht in diesem Mief ersticken, jedem Menschen, der ausländische Wurzeln hat, zu misstrauen“, unterstrich der CDU-Politiker. Pflegekräfte aus dem Ausland würden dringend gebraucht- „egal mit welcher Qualifikationsstufe“.

Auch die Krankenhäuser würden „überhaupt nicht mehr funktionieren, wenn nicht sehr viele zugewanderte Menschen in diesen Krankenhäusern arbeiten würden“, betonte Laumann. „Und deswegen sage ich hier ganz klar: Zu glauben, dass uns Ausländer helfen, um unser Problem der Pflege zu lösen, aber dann sonntags die AfD zu wählen, dass das in diesem Bild nicht zusammenpasst“.

Opposition warnt vor Kollaps

Die Opposition warf der schwarz-grünen Landesregierung vor, nicht genug zu tun, um einen Kollaps des Versorgungssystems angesichts steigender Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Schon jetzt hätten in NRW mehr als 1,2 Millionen Menschen einen Pflegegrad, sagte der SPD-Abgeordnete Thorsten Klute.

Sowohl die Investitionen in die Pflegeschulen als auch die Investitionskostenförderung für ambulante Pflegedienste seien zu gering, kritisierte er. Die Bezirksregierungen müssten leistungsfähiger gemacht werden, damit im Ausland erworbene Pflege-Qualifikationen schneller anerkannt werden könnten. Darüber hinaus sollte der Einsatz digitaler Assistenzsysteme in der Pflege gefördert werden, damit Menschen länger selbstständig zu Hause leben könnten.

„Was tun Sie eigentlich, um zu verhindern, dass von den knapp 15 000 Menschen, die im Sommer 2023 den Weg in die Pflegeausbildung gefunden haben, nicht schon wieder mindestens ein Drittel die Ausbildung abbrechen?“, fragte der SPD-Politiker den Gesundheitsminister. Es sei zwar gut, dass die Ausbildungszahlen im vergangenen Jahr - nach einem Einbruch zuvor - wieder nach oben gegangen seien, allerdings sei das kein Grund für „Alles-Super-Gerufe“ der Landesregierung.

Jeder zehnte Schulabgänger beginnt eine Pflege-Ausbildung

CDU und Grüne sehen NRW dagegen auf einem guten Weg, um die Pflege-Ausbildung und die Versorgung zu verbessern. Es sei auch wichtig, positiver über Pflege zu sprechen statt „immer nur Untergangsszenarien anzustimmen“, mahnte die CDU-Abgeordnete Britta Oellers. Laumann hob hervor, dass immerhin zehn Prozent aller rund 180 000 jungen Leute, die jährlich in NRW die Schulen verließen, sich für eine Pflegeausbildung entscheiden. Auch der Grünen-Abgeordnete Mehrdad Mostifizadeh meinte: „In Nordrhein-Westfalen geht es aufwärts in der Pflege.“

Die FDP-Abgeordnete Susanne Schneider forderte Bürokratie-Abbau und den Einsatz moderner Technik etwa bei den Pflege-Begutachtungen. „Was spricht denn dagegen, dass Hausbesuche nicht auch durch Videogespräche ersetzt werden können?“, fragte die Freidemokratin. Sie empfahl eine Expertengruppe einzusetzen, um Innovations- und Digitalisierungspotential auszuloten.

„In der Sprache eines Schlossers“: Etwas gröber bitte

Häufig scheiterten solche Lösungen an zu engen Gesetzesschrauben, erklärte Laumann. „Und deswegen, glaube ich, müssen wir viel mehr Mut haben, die Gesetze - wenn ich es mal in der Sprache eines Schlossers sagen darf - etwas gröber zu machen und nicht so fein.“ Dann gebe es mehr Möglichkeiten, schneller auf Erneuerungen zu reagieren ohne jedes Mal Gesetze ändern zu müssen.

Kein Schulterklopfen für Trippelschritte

Der Landespartei- und Fraktionschef der AfD, Martin Vincentz, mahnte, um dem demografischen Wandel und der damit einhergehenden Pflege-Krise wirksam zu begegnen, brauche es ein größeres Bewusstsein für die Größe dieses gesellschaftlichen Problems „und kein Schulterklopfen für die Trippelschritte, die man bisher bereit war zu gehen“.

Allein in NRW gebe es mehr als 9000 offene Stellen in der Pflege, sagte der Mediziner. „Bereits heute müssen deshalb vier von fünf Pflege-Einrichtungen ihr Angebot manchmal deutlich einschränken.“ Im Nachtdienst bedeute das für Pflegebedürftige, „die Klingel zu drücken und teilweise stundenlang auf Hilfe zu warten“.

© dpa-infocom, dpa:240321-99-420137/4

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