Schwerin (dpa/mv) - Die aktive Unterstützung für den Bau der Erdgasleitung Nord Stream 2 hat nach dem vorzeitigen Ende des Milliarden-Projekts finanzielle Spätfolgen für das Land Mecklenburg-Vorpommern. Das wurde am Freitag bei der Zeugenvernehmung im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Vorgänge um die Klimaschutzstiftung MV deutlich. Wie ein Mitarbeiter des Umweltministeriums sagte, wird die Renaturierung des Polders Bargischow im Bereich der Peenemündung nun vom Land finanziert. Nach Angaben des Grünen-Landtagsabgeordneten Hannes Damm geht es um etwa sechs Millionen Euro, für die die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern mbH zum Teil schon in Vorleistung gegangen sei. Die Gesellschaft, die dem Land zu 50 Prozent gehört, war von Anfang an an dem Vorhaben beteiligt.
Die Wiedervernässung des Moorgebietes bei Anklam war ursprünglich als Umweltausgleichsmaßnahme für den Bau der Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee geplant, finanziert durch die Gazprom-Tochter. Die Nord Stream 2 AG habe jedoch ihre Zahlungen eingestellt, nachdem das Pipeline-Projekt Anfang 2022 gestoppt worden sei, hieß es. Wegen der Aggression Russlands gegen die Ukraine hatte Deutschland die Betriebsgenehmigung für die Gasleitung verweigert. Wenig später wurden auch die Gaslieferungen über Nord Stream 1 eingestellt.
Die Nord Stream 2 AG hatte nach eigenen Angaben mehr als 40 Millionen Euro für Umwelt-Kompensationsmaßnahmen in Deutschland eingeplant. Mit dem Geld sollte unter anderem auch das Abwasserwerk in Greifswald erneuert werden, um den Eintrag von Stickstoff und Phosphor in die Umwelt drastisch zu verringern. Auch dort stehen dem Vernehmen nach noch Investitionen aus der Kompensationsvereinbarung aus. Wie viel Geld Nord Stream 2 bereits in Umweltmaßnahmen investierte, wurde nicht mitgeteilt.
Das Tochterunternehmen des russischen Staatskonzerns Gazprom hatte mit 20 Millionen Euro auch maßgeblich zur Finanzausstattung der umstrittenen Klimaschutzstiftung MV beigetragen. Die Stiftung war Anfang 2021 auf Beschluss des Landtags ohne Gegenstimme gegründet worden, um die Fertigstellung von Nord Stream 2 unter Umgehung von Sanktionsdrohungen der USA gegen beteiligte Firmen zu ermöglichen, was auch gelang. Der von der Opposition initiierte Sonderausschuss soll unter anderem klären, wie groß der Einfluss der russischen Geldgeber auf die damalige SPD/CDU-Landesregierung bei der Stiftungsgründung war.
Der Sonderausschuss hörte am Freitag auch einen früheren Mitarbeiter der Nord Stream 2 AG, der nach eigenen Angaben für die in Deutschland laufenden Genehmigungsverfahren zuständig war. Die Beziehungen zu den zuständigen Behörden bezeichnete er als „respektvoll und professionell“. Über strittige Fragen habe es einen transparenten und offenen Austausch gegeben. „Mir ist kein Punkt in Erinnerung, bei dem keine Lösung gefunden wurde“, sagte der aus der Schweiz angereiste Zeuge, der nach eigenen Angaben aber mit der Klimaschutzstiftung nicht in Verbindung stand und die Nord Stream 2 AG bereits 2020 wieder verlassen hatte.
Der CDU-Abgeordnete Sebastian Ehlers sah seinen Eindruck bestätigt, dass die Zusammenarbeit von Staatskanzlei, Stiftung und Nord Stream 2 AG „eng, vertrauensvoll, fast freundschaftlich“ gewesen sei. „Wer in der Dreiecksbeziehung Koch war und wer Kellnerin, lässt sich nach wie vor schwer sagen. Es spricht allerdings vieles dafür, dass sämtliche wesentlichen Impulse hinsichtlich der Stiftung aus Russland kamen“, erklärte Ehlers.
So habe Nord Stream 2 im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die Pipeline einen Kabinettsbeschluss und „ein starkes Signal“ aus Schwerin gefordert, und die SPD-geführte Staatskanzlei habe geliefert. Der Landtag sei später gerade gut genug gewesen, um ihn für die Stiftung „in Mithaftung“ zu nehmen. „Dass die Stiftung letztlich Generalunternehmerin zum Fertigbau der Pipeline war, haben wir erst hinterher erfahren“, erklärte Ehlers, dessen Fraktion seinerzeit auch für die Gründung der Stiftung gestimmt hatte.
Nach Überzeugung des Grünen-Abgeordneten Hannes Damm wäre Nord Stream 2 ohne die politische Hilfe der Landesregierung wohl kaum genehmigungsfähig gewesen. „Die Landesregierung hat alles getan, um rechtliche Hürden für die Nord Stream 2-Pipeline aus dem Weg zu räumen. Dabei ist die Regierung immer wieder weit über das normale Maß hinausgegangen“, konstatierte Damm.
Das Pipeline-Projekt habe im Genehmigungsverfahren jederzeit Vorzugsbehandlungen genossen. So habe die Nord Stream 2 AG große Schwierigkeiten gehabt, die gesetzlich vorgeschriebenen Kompensationsmaßnahmen für die erheblichen Eingriffe in den Naturraum Ostsee vorzulegen. Sie habe daher die Landesregierung gedrängt, Möglichkeiten für eine rechtssichere Genehmigung zu schaffen. „Einen Tag vor der Baugenehmigung erfüllte die Landesregierung diesen Wunsch und änderte per Kabinettsbeschluss die Verordnung der FFH-Schutzgebiete“, so Damm. Die Fauna-Flora-Habitat-Gebiete (FFH-Gebiete) sind besonders schützenswerte Gebiete.
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