Düsseldorf:Nach Polizeieinsatz bei Demo Kritik an Versammlungsgesetz

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Polizisten begleiten einen Protestzug gegen das geplante Versammlungsgesetz. (Foto: Roberto Pfeil/dpa/Archivbild)

Nach dem massiven Polizeieinsatz bei einer Demonstration am Wochenende gegen das geplante Versammlungsgesetz wird Kritik an dem Entwurf der...

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Düsseldorf (dpa/lnw) - Nach dem massiven Polizeieinsatz bei einer Demonstration am Wochenende gegen das geplante Versammlungsgesetz wird Kritik an dem Entwurf der CDU/FDP-Landesregierung laut. SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty forderte die Regierung auf, den Gesetzentwurf zurückzuziehen. Die Demonstration am vergangenen Samstag in Düsseldorf habe gezeigt, welche „gesellschaftliche Sprengkraft“ das geplante Gesetz habe, sagte der SPD-Partei- und Fraktionschef am Montag in Düsseldorf. Auch aus der Bundes-FDP kam Kritik an dem Gesetz.

Die Veranstalter der Demonstration forderten den Rücktritt von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Ausgerechnet eine Demonstration für das Demonstrationsrecht wurde verhindert“, sagte eine Sprecherin des Bündnisses von 75 überwiegend linken Gruppen, das zu der Demonstration aufgerufen hatte. Es seien über 100 Menschen verletzt worden, darunter auch Minderjährige.

Der Polizeieinsatz sei unverhältnismäßig und verfassungswidrig gewesen, sagte Rechtsanwältin Anna Busl vom Verein Republikanischer Anwälte, der zu dem Bündnis gehört. Sie forderte die lückenlose Aufklärung und Ermittlungen gegen die leitenden Polizisten des Einsatzes. Begleitet von einem massiven Polizeiaufgebot hatten am Samstag in Düsseldorf mehrere tausend Menschen gegen das geplante Versammlungsgesetz demonstriert.

Die Polizei hatte bei der Demonstration einen Teil der Demonstranten, den sogenannten Antifa-Block, stundenlang eingekesselt und ihnen den Weiterzug untersagt. Dies war in Durchsagen damit begründet worden, dass etwa durch das Hochhalten von Transparenten und Schwenken von Fahnen gegen das Vermummungsverbot verstoßen worden sei, sowie mit dem Einsatz von Pyrotechnik aus den Reihen der Demonstranten. Die Anwältin wies daraufhin, dass die Polizei Maskenpflicht angeordnet hatte. Das Hochhalten von Transparenten sei kein Verstoß gegen das Vermummungsverbot.

Nach dem Polizei-Übergriff auf einen Fotografen der Deutschen Presse-Agentur bei der Demonstration versprach NRW-Ministerpräsident Laschet Aufklärung. „Pressefreiheit gilt immer und muss überall gewährleistet sein“, sagte Laschet am Montag der dpa, nachdem er den Journalisten zu einem Gespräch getroffen und sich nach dessen Befinden erkundigt hatte. Er versicherte dem Fotografen, dass die zuständigen Stellen den Vorfall lückenlos aufklären würden.

Der dpa-Fotograf wurde nach eigenen Angaben von einem Beamten mehrfach mit einem Schlagstock geschlagen. Er berichtete von mindestens einem weiteren Kollegen, der ebenfalls angegriffen worden sei.

„Gerade die Polizei steht dafür ein, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten zu schützen“, sagte Laschet, der bei der Bundestagswahl im September als Unions-Kanzlerkandidat antritt. „Deshalb müssen die im Raum stehenden Vorwürfe aufgeklärt werden.“

Innenminister Reul verteidigte den Gesetzentwurf. „Was hat das Versammlungsgesetz damit zu tun, dass möglicherweise ein Polizist sich falsch verhalten hat?“ Offensichtlich wollten einige das nutzen, um eine politische Debatte herbeizuführen. Er habe gute Argumente, warum das Gesetz richtig sei.

Das neue Versammlungsgesetz sieht unter anderem ein Verbot von militantem Auftreten etwa durch uniformes oder einschüchterndes Aufmarschieren rechtsextremer Gruppierungen oder auch linksradikaler Extremisten vor. Als Erscheinungsbild wird dabei neben dem Tragen von Uniformen, Uniformteilen und uniformähnlicher Kleidung auch ein paramilitärisches Auftreten der Teilnehmer genannt. Reul hatte als Beispiele Aufmärsche uniformierter Rechtsextremisten, aber auch den sogenannten Schwarzen Block der linksextremistischen Szene genannt.

SPD-Fraktionschef Kutschaty sagte, mit dem Entwurf werde das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit missachtet. Das Gesetz sei „eindeutig zu restriktiv“ und schränke die Grundrechte massiv ein. Die geplanten Regeln verhinderten auch ein flexibles und deeskalierendes Handeln der Polizei. Die SPD-Fraktion hatte ein eigenes „Versammlungsfreiheitsgesetz“ vorgelegt.

Ihn wundere, dass sich die FDP-Fraktion als Koalitionspartner der CDU dazu noch nicht geäußert habe, sagte Kutschaty. Eine klare Reaktion hatte es zuvor von der FDP-Bundestagsabgeordneten Marie-Agnes Strack-Zimmermann gegeben. Sie schrieb auf Twitter, dass es sich um einen Entwurf aus dem CDU-geführten Innenministerium handele, „den die FDP-NRW so sicher nicht akzeptieren wird“. Die FDP-Fraktion habe „hier noch ein gehöriges Wort mitzureden“.

Grünen-Landtagsfraktionschefin Verena Schäffer sagte, der Regierungsentwurf werde Versammlungen „deutlich erschweren“. Die FDP sei in Sachen Freiheits- und Bürgerrechte „wieder einmal ein Totalausfall“, denn ihre drei Kabinettsmitglieder hätten dem Gesetzentwurf der Landesregierung zugestimmt, die FDP-Fraktion habe den Entwurf begrüßt. Laschet und Reul müssten jetzt nicht nur die Vorwürfe gegen den Polizeieinsatz aufklären. Sie müssten auch darlegen, wie sie in der CDU/FDP-Koalition den Entwurf für das restriktive Versammlungsgesetz grundlegend überarbeiten wollten.

Am Donnerstag wird der Polizeieinsatz auf Antrag von SPD und Grünen auch Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag. Die SPD will wissen, was die Landesregierung zu den Vorwürfen von Journalisten sagt, die Übergriffe der Polizei beklagten.

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisierte den Polizeieinsatz. Demonstranten seien bis in die Abendstunden eingekesselt und zum Teil wegen Kreislaufproblemen behandelt worden. Den Eingekesselten seien offensichtlich noch nicht einmal Toiletten zur Verfügung gestellt worden. Die Vorkommnisse zeigten, „dass künftig mit gravierenden Eingriffen in die Versammlungsfreiheit zu rechnen ist“.

In Köln demonstrierten am Montagabend mehr als 1000 Menschen gegen das geplante neue NRW-Versammlungsgesetz und das Vorgehen der Polizei bei den vorangegangenen Düsseldorfer Protesten am Samstag. „Wer kontrolliert die Polizei?“, stand auf einem der Plakate. „Gemeinsam gegen Rassismus und Polizeigewalt weltweit“, hieß auf einem anderen. Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl zunächst auf etwa 1500, wie eine Sprecherin sagte. Die Demonstration sei störungsfrei gestartet. Die Organisatoren der Kölner Demonstration hatten im Vorfeld kritisiert, dass es in Düsseldorf zu „aggressiver Polizeigewalt“ gegenüber Demonstranten und auch Journalisten gekommen sei.

© dpa-infocom, dpa:210628-99-175926/5

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