Landratswahl in Thüringen:AfD kurz vorm Ziel

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Robert Sesselmann 2021 als AfD-Abgeordneter im Thüringer Landtag. Bei der Landratswahl in Sonneberg hat er fast die Hälfte der Stimmen erhalten. (Foto: Karina Hessland/Imago)

Die Partei will erstmals einen Landrat stellen. In Sonneberg wäre es ihr fast auf Anhieb gelungen, ihr rechtsextremer Kandidat geht nun als Favorit in die Stichwahl. Die CDU will "alles geben".

Von Iris Mayer, Leipzig

Im thüringischen Sonneberg ist die als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD einem strategisch wichtigen Ziel so nahegekommen wie nie zuvor. Ihr Kandidat Robert Sesselmann verfehlte bei der Landratswahl die erforderliche absolute Mehrheit im ersten Wahlgang nur knapp und lag mit großem Abstand vor dem Kandidaten der CDU. In die Stichwahl in zwei Wochen geht Sesselmann als Favorit. Thüringens AfD-Chef Björn Höcke hatte für 2023 als Ziel ausgegeben, dass seine Partei erstmals einen Landrat in Deutschland stellen werde. Am Sonntagabend jubelte Höcke: "Das wollen und werden wir für Thüringen schaffen!"

Sesselmann erhielt nach Auszählung aller Stimmen 46,7 Prozent, der CDU-Kandidat Jürgen Köpper kam auf 35,7 Prozent, die übrigen Bewerber landeten weit abgeschlagen. Sesselmann, Jurist und Landtagsabgeordneter, hatte bereits 2018 für den Posten kandidiert, schaffte es damals aber nicht in die Stichwahl. Im Wahlkampf warb Sesselmann für einen konsequenten Sparkurs und dafür, Leistungen für Asylbewerber von Geld- auf Sachleistungen umzustellen, eine Forderung, die zuletzt auch mehrfach von der CDU in Thüringen geäußert wurde. Sesselmann hatte zudem gesagt, man brauche Politiker, "die sich nicht alles aus der Bundesregierung gefallen lassen". Erst vor wenigen Wochen war im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree der AfD-Kandidat in einer Stichwahl nur knapp dem SPD-Bewerber unterlegen.

Die Mehrheit hat gar nicht gewählt

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) zeigte sich enttäuscht über den AfD-Erfolg und monierte die niedrige Wahlbeteiligung von 49,1 Prozent. "Die Hälfte, die nicht hingegangen ist, trägt auch ein Stück Mitverantwortung dafür, dass der AfD-Kandidat beinah aus dem Stand 50 Prozent gekriegt hat", sagte Ramelow. Mit Blick auf die Stichwahl sagte der 67-Jährige, er fände es gut, wenn sich nun Demokraten versammelten und sich auch lokale, exportorientierte Firmen zu Wort meldeten. SPD-Landeschef Georg Maier warb nach der Niederlage der eigenen Kandidatin für die Stichwahl um Stimmen für CDU-Mann Köpper. Für dessen Erfolg kündigte CDU-Chef Mario Voigt eine massive Kampagne an: "Wir werden in den nächsten zwei Wochen alles geben, damit Sonneberg stabil bleibt." Wer Protest zeigen wollte, habe das getan, "jetzt geht es um Vernunft oder Parolen".

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Letztere hat auch die CDU im Angebot, die aktuell eine Unterschriftenkampagne mit dem Titel fährt "Habecks Heiz-Hammer stoppen". Sonneberg ist Teil des Wahlkreises, in dem sie 2021 den früheren Verfassungsschutzpräsidenten und Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen als Direktkandidaten aufstellte. Maaßen twitterte am Sonntagabend, die Politik der CDU-Parteiführung in Berlin "ist für viele Bürger leider Grund genug, nicht CDU zu wählen". Die AfD habe "wirklich gute Chancen" den Landrat zu stellen. Der CDU-Vorstand hatte im Februar ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen eingeleitet, er selbst weigert sich, den Thüringer Landesverband zu verlassen.

SPD und FDP unterstützen den CDU-Kandidaten

Im zweiten Wahlgang am 25. Juni dürfte es nun vor allem darauf ankommen, Nichtwähler zu mobilisieren. Neben der SPD kündigte auch FDP-Chef Thomas Kemmerich - einst Kurzzeitministerpräsident Thüringens mit Hilfe der AfD - seine Unterstützung für den CDU-Kandidaten an. Das Ergebnis vom Sonntag sei nicht gut für den Landkreis. Dem Wahlaufruf für Köpper schloss sich am Montag auch die Linkspartei an. "Das ist eine Frage des Verantwortungsbewusstseins für die Demokratie", sagte die Landesvorsitzende Ulrike Grosse-Röthig.

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Der Thüringer AfD-Co-Vorsitzende Stefan Möller kündigte noch am Wahlabend an, die AfD werde "alle Kräfte mobilisieren, um einen Erfolg auch in der Stichwahl zu ermöglichen". Die Stichwahl könne ein Wendepunkt für den Landkreis Sonneberg und das ganze Land werden, so Möller.

Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet. Gegen den Landesvorsitzenden Höcke erhob die Staatsanwaltschaft Halle vergangene Woche Anklage wegen des Verwendens von Kennzeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation. Sie wirft dem ehemaligen Geschichtslehrer vor, bei einer Wahlkampfrede bewusst die verbotene SA-Parole "Alles für Deutschland" verwendet zu haben. Laut Staatsanwaltschaft stellte Höcke über seine Verteidigung die strafrechtliche Relevanz seiner Äußerung in Abrede.

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