Vorwurf des Landesverrats:Der Justizminister zweifelt

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Sieht den Vorwurf des Landesverrats im Fall netzpolitik.org kritisch: Bundesjustizminister Heiko Maas. (Foto: dpa)

Heiko Maas sagt lange nichts zum Verfahren gegen Netzpolitik.org. Dies zeigt, wie unangenehm der Regierung das gewaltige Medienecho ist. Dann findet der SPD-Politiker erstaunlich deutliche Worte.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundesjustizminister Heiko Maas ist eine Art Lucky Luke der politischen Kommunikation. Von dem Comic-Cowboy heißt es, er schieße schneller als sein Schatten. Bei Maas ist man sich oft nicht sicher, was eher da war: das Ereignis oder die Reaktion des Ministers darauf. Dem Sozialdemokraten muss keiner mehr beibringen, wie wichtig Geschwindigkeit im Berliner Politikbetrieb ist.

Umso bezeichnender war das Verhalten von Maas nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Netzpolitik.org. Der Justizminister tauchte erst einmal ab. Sein Twitter-Account verstummte, sein Ministerium gab keine Erklärung ab - und Maas selbst sagte einen öffentlichen Termin ab, bei dem er zu den Ermittlungen gefragt hätte werden können. Es dauerte mehr als 22 Stunden, ehe der ansonsten so beredsame Minister seine Sprache wiedergefunden hatte.

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Range steht seit Langem in der Kritik

Das Schweigen von Maas zeigt, wie unangenehm der Regierung das gewaltige Medienecho auf die Ermittlungen des Generalbundesanwalts (GBA) ist. Harald Range steht seit Langem in der Kritik, weil er weder in der Causa kriminelle Umtriebe der CIA, noch in der NSA-Abhöraffäre den Eindruck erweckt, an einer Aufklärung interessiert zu sein. Stattdessen ist der GBA durch seine ständige Suche nach Argumenten aufgefallen, warum er in diesen Fällen nicht tätig werden muss.

Und genau dieser Range eröffnet jetzt aktionistisch Ermittlungen wegen Landesverrats gegen zwei Blogger, weil sie Unterlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz veröffentlicht haben? Kein Wunder, dass der Fall zu gewaltiger Aufregung führt. Vor drei Wochen hatte Regierungssprecher Steffen Seibert noch versichert, dass die aktuelle Bundesregierung die Pressefreiheit "ganz besonders" als hohes Gut achte.

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Ein klassisches Dilemma

Womit wir wieder bei Heiko Maas wären. Denn der Justizminister ist gegenüber dem Generalbundesanwalt weisungsbefugt. Allerdings kann ein Minister von dieser Macht nicht Gebrauch machen, ohne sich vorwerfen lassen zu müssen, politisch in die eigentlich unabhängige Justiz einzugreifen. Ein klassisches Dilemma. In so einer Situation bedarf es vieler Telefonate - mit dem Generalbundesanwalt, aber auch mit dem Kanzleramt und dem Innenministerium. Das Ressort von Thomas de Maizière hat die Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die Anzeigen gestellt hat, die zu den Ermittlungen des Generalbundesanwalts geführt haben.

Und so dauerte es, bis Maas wieder sprechfähig war. Am Freitagnachmittag trat der Justizminister dann vor die Presse. Nachfragen waren nicht erlaubt, das Statement kurz. Dafür war es erstaunlich deutlich: "Ich habe heute dem Generalbundesanwalt mitgeteilt, dass ich Zweifel daran habe, ob die Journalisten mit ihrer Veröffentlichung die Absicht verfolgt haben, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen", sagte Maas.

Außerdem habe er Range mitgeteilt, dass er bezweifle, dass es sich "bei den veröffentlichten Dokumenten um ein Staatsgeheimnis handelt, dessen Veröffentlichung die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt". Die beiden Sachverhalte, die Maas bezweifelt, sind Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Landesverrats.

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Der Schutz der Pressefreiheit sei ein hohes Gut

Der Justizminister sagte, er werde dem GBA deshalb "zeitnah eine eigene Einschätzung übermitteln". Der Schutz der Pressefreiheit sei ein hohes Gut. Deshalb müsse auch geklärt werden, "ob die strafrechtlichen Vorschriften über Landesverrat und über den Schutz von Staatsgeheimnissen im Verhältnis zur Pressefreiheit insgesamt reformbedürftig sind".

So deutlich hat sich schon lange kein Justizminister mehr von einem Generalbundesanwalt abgesetzt. Auch das Kanzleramt sah sich am Freitag veranlasst, Distanz zu signalisieren. Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz versicherte, das Kanzleramt habe von den Ermittlungen gegen die Journalisten vorab nichts gewusst. Außerdem wies Wirtz demonstrativ darauf hin, dass das Kanzleramt in der Angelegenheit bisher keine Strafanzeige erstattet habe und dies auch nicht beabsichtige.

Range teilte angesichts der Kritik mit, er wolle seine gerade erst eröffneten Ermittlungen gegen Netzpolitik.org vorerst nicht weiter betreiben. In dem Verfahren sei zunächst die Frage zu klären gewesen, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handle, sagte er der FAZ. Dazu sei ein externes Sachverständigengutachten eingeholt worden. Dies habe nur in einem Ermittlungsverfahren geschehen können. Bis zum Eingang dieses Gutachtens werde "mit den Ermittlungen innegehalten". Eingestellt sind die Ermittlungen damit aber noch lange nicht.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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