Krise in Nahost:Ägypten will im Gaza-Konflikt vermitteln

Lesezeit: 5 min

Ägyptens Regierung hat einen Drei-Punkte-Plan für eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt vorgelegt. Während die israelische Regierung den Vorschlag diskutieren will, winkt die Hamas ab.

  • Die ägyptische Regierung legt einen Plan für eine Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern vor.
  • Das israelische Militär meldet die erfolgreiche Abwehr einer Drohne aus dem Gazastreifen.
  • Israels Polizei äußert sich zu Mord an palästinensischem Teenager
  • Nach fast einer Woche Raketenbeschuss zwischen Israel und der Hamas mit etwa 170 getöteten Palästinensern fordert UN-Generalsekretär Ban, die Waffen unverzüglich ruhen zu lassen.
  • Auch die EU fordert Israel und Hamas zur sofortigen Waffenruhe auf.

Ägypten legt Plan für Waffenruhe vor

Die ägyptische Regierung will eine ab Dienstagmorgen geltende Waffenruhe zwischen Israelis und Palästinensern vermitteln. Ein entsprechender Vorschlag wurde den Konfliktparteien unterbreitet, wie das Außenministerium in Kairo mitteilte. Darin vorgesehen seien unter anderem eine sofortige Feuerpause und die Öffnung von Übergängen zum Gazastreifen, um die Versorgung der Menschen gewährleisten zu können. Sollten beide Seiten der Initiative zustimmen, will Ägypten binnen 48 Stunden bei indirekten Gesprächen weiter vermitteln. Wie die israelische Tageszeitung Haaretz berichtet, will sich das israelische Sicherheitskabinett am Dienstagmorgen über den Plan beraten. Ein Sprecher der radikalislamischen Hamas erklärte allerdings, es handele sich bei dem ägyptischen Vorstoß nur um eine "Initiative für die Medien". Man habe das Papier nicht erhalten und betrachte es deshalb als "Witz", sagte er zu CNN.

Israels Militär berichtet von Drohnenabschuss

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben eine Drohne vor der Küste der Stadt Aschdod abgeschossen. Das unbemannte Fluggerät sei mit einer Rakete des Typs Patriot abgefangen und in der Luft zerstört worden, teilt das Militär mit. Die Drohne war nach Medienberichten aus dem Gazastreifen in den israelischen Luftraum eingedrungen. Die Marine suchte am Montag vor der Küste nach Überresten des Fluggeräts.

"Die Armee ist auf Überraschungen der (radikalislamischen) Hamas aus der Luft vorbereitet", sagte die Militärexpertin des israelischen Rundfunks. Der israelische Militärsprecher Arye Shalicar sagte, es sei unklar, um welches Modell es sich bei der abgeschossenen Drohne handele - ein aus Iran eingeschmuggeltes Fluggerät oder eine Eigenproduktion der Hamas. "Wir wissen in diesem Fall nicht, wo sie herkommt. Wir sehen aber seit Jahren Bemühungen der Hamas, ihre Terror-Kapazität in der Luft auszubauen", sagte Shalicar. Er bestätigte Sorgen, die Hamas könnte Fluggeräte mit Kameras ausrüsten oder mit Sprengstoff bestücken. In den Waffenschmieden im Gazastreifen würden solche Versuche seit geraumer Zeit unternommen.

Israels Polizei äußert sich zu Mord an palästinensischem Teenager

Israels Polizei hat sich erstmals ausführlicher zum Mord an dem palästinensischen Teenager Mohammed Abu Chedair geäußert. "Ein 29-Jähriger und zwei 17-Jährige haben den Mord umfassend gestanden", sagte ein Polizeisprecher. Der 16-jährige Palästinenser war Anfang Juli in einem Wald bei Jerusalem tot aufgefunden worden. Es soll sich um einen Racheakt für die Entführung und Ermordung dreier israelischer Jugendlicher durch radikale Palästinenser gehandelt haben. Der Mord an Abu Chedair hatte zur jüngsten Eskalation der Gewalt in Nahen Osten beigetragen.

UN und EU fordern sofortige Gefechtsruhe auf beiden Seiten

Nahost-Konflikt
:Gefühlte Sicherheit unter der Eisenkuppel

Feindliche Flugkörper prallen an ihm ab: Das Raketenabwehrsystem "Iron Dome" wiegt Israel in einem Gefühl relativer Sicherheit, während es auf palästinensischer Seite nicht einmal einen Sirenenalarm gibt. Doch das System droht, die Menschen gleichgültig zu machen - obwohl es nicht fehlerfrei arbeitet.

Von Peter Münch

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat Israel und die radikalislamische Hamas erneut zu einer sofortigen Waffenruhe aufgefordert. Es sei im Interesse beider Seiten, unverzüglich Schritte zur Beendigung der Gefechte zu ergreifen, erklärte Ban am Sonntag in New York. Erneut verurteilte der UN-Generalsekretär den Raketenbeschuss Israels durch die radikalislamische Hamas. Besonders besorgt zeigte er sich über die Auswirkungen der israelischen Offensive auf die Bevölkerung im Gazastreifen. "Zu viele Zivilisten" seien bereits getötet worden, und eine Bodenoffensive werde ihr Leiden sicherlich erhöhen.

Die EU hat Israel und die radikalislamische Hamas im Gaza-Streifen zu einer sofortigen Waffenruhe aufgefordert. "Wir fordern alle Seiten zu einer maximalen Zurückhaltung auf, um Opfer zu vermeiden", sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel. Auch eine Sprecherin des Bundesaußenministeriums forderte in Berlin mit Blick auf israelische Luftangriffe, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt werden müsse. "Aufs Schärfste" verurteile die Bundesregierung zudem, dass die Hamas Zivilisten als menschliche Schutzschilder benutze.

Internationale Krisendiplomatie sucht nach Wegen aus der Gewalt

An diesem Montag kommen Vertreter der internationalen Staatengemeinschaft zusammen, um nach Wegen aus der Gewaltspirale zu suchen. In der ägyptischen Hauptstadt Kairo tagt die Arabische Liga, die am Rand der Gespräche dazu aufgerufen hat, die israelischen Luftangriffe auf den Gazastreifen zu beenden und die Palästinenser zu schützen. In New York trifft sich der UN-Sicherheitsrat.

Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) reist in die Krisenregion, um eine Waffenruhe im Gazastreifen anzubahnen. Er äußerte sich besorgt über die Lage in der Region. Der Raketenbeschuss der Hamas gegen Israel habe "eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt", die kaum noch aufgehalten werden könne, so Steinmeier am Sonntag. Auf beiden Seiten lebten die Menschen in ständiger Angst vor dem nächsten Angriff. Die Bilder der vielen unschuldigen Opfer seien schwer zu ertragen. "Die Hoffnungen auf einen Friedensprozess scheinen in weite Ferne gerückt. Trotzdem müssen wir gerade in dieser Situation Kontakt mit den politischen Entscheidungsträgern suchen," erklärte Steinmeier weiter. Der Minister reist am Montag zu einem zweitägigen Besuch nach Jordanien, Israel und in die Palästinensergebiete.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte internationalen Schutz für den Gazastreifen. In einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wolle er darum bitten, "den Staat Palästina offiziell dem internationalen UN-Schutzprogramm zu unterstellen", teilte die Politikerin Hanan Aschrawi mit.

Ungeachtet allen internationalen Drucks scheint die Bereitschaft beider Seiten zu einem Waffenstillstand nur gering. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte an, das Militär werde die Hamas mit "wachsender Macht treffen". Netanjahu hält sich die Option einer größeren Bodenoffensive offen, sollte der Beschuss aus dem Gazastreifen nicht aufhören. Er bekräftigte am Sonntag in einem Interview des US-Senders CBS: "Wir werden tun, was auch immer nötig ist, um unser Volk zu schützen." Auf die Frage nach einer möglichen Feuerpause antwortete er, es sei Israels Ziel, "dauerhafte Ruhe" zu erreichen. Netanjahus Sicherheitskabinett beriet am Sonntag über das weitere Vorgehen. Nach Informationen der israelischen Medien beendete er jedoch die Sitzung in der Nacht, ohne einen großangelegten Einsatz von Bodentruppen anzuordnen, wie er unter anderem von Außenminister Avigdor Lieberman gefordert wird.

Die Hamas und ihre Verbündeten feuerten ihrerseits mehr als 870 Raketen auf Israel, von denen nach Armeeangaben 160 vom Abwehrsystem "Eiserne Kuppel" abgefangen wurden. Zum ersten Mal schlug auch ein von Syrien aus abgefeuertes Geschoss auf den besetzten Golanhöhen ein. Es traf nur unbewohntes Gelände, doch Israels Armee nahm im Gegenzug Stellungen der syrischen Armee unter Artilleriebeschuss. Bei den anhaltenden Raketenangriffen wurden nach israelischen Angaben bislang keine Menschen getötet.

Bislang mindestens 170 Tote, Tausende Palästinenser auf der Flucht

Seit Beginn des jüngsten Konflikts am Dienstag sind nach Angaben des palästinensischen Sanitätsdienstes mehr als 170 Palästinenser bei israelischen Luftangriffen getötet und mehr als 1200 verletzt worden. Mindestens 130 Todesopfer waren laut dem Palästinensischen Menschenrechtszentrum Zivilisten. Am Montag wurde eine Opferliste veröffentlicht, nach der ein knappes Drittel aller Opfer Frauen und Kinder waren. Der Leiter der Rettungskräfte in Gaza, Aschraf al-Kidra, der die Liste vorstellte, fügte hinzu, dass die aktuellen Todeszahlen mittlerweile die der letzten israelischen Offensive übersteigen.

Zwischen 10 000 und 17 000 Menschen suchen unterdessen Schutz in den Einrichtungen des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtinge (UNRWA).

Linktipps:

© Süddeutsche.de/afp/dpa/dgr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: