Konflikte:USA und Nordkorea schaukeln Rhetorik auf

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Nach Angaben der nordkoreanischen Regierung zeigt das Foto den Test einer Hwasong-14-Interkontinentalrakete. (Foto: KCNA)

Washington/Seoul/Peking (dpa) - Hitzige Wortgefechte in einem der gefährlichsten Konflikte der Welt: Donald Trump und Kim Jong Un belegen sich gegenseitig mit Androhungen militärischer Gewalt.

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Washington/Seoul/Peking (dpa) - Hitzige Wortgefechte in einem der gefährlichsten Konflikte der Welt: Donald Trump und Kim Jong Un belegen sich gegenseitig mit Androhungen militärischer Gewalt.

Nach seinen deutlichen Worten mit „Feuer, Wut und (...) Macht“ am Dienstag legte Trump sogar noch einmal nach und wies wenig missverständlich daraufhin, wie schlagkräftig das US-Atomarsenal doch sei. Nordkoreas Machthaber Kim hatte zuvor mit einem Militärschlag auf das US-Außengebiet Guam im Pazifik, einen militärstrategisch wichtigen Stützpunkt, gedroht.

Die Kriegsrhetorik, so abwegig sie in Teilen auch sein mag, weckte Ängste vor einer unkalkulierbaren Eskalation oder gefährlichen Fehleinschätzung, die einen gewaltsamen Konflikt mit Hundertausenden Toten auf der koreanischen Halbinsel auslösen könnte. US-Außenminister Rex Tillerson, auf dem Rückweg von Malaysia zu einem Tankstopp auf Guam gelandet, versuchte sich sogleich in Besänftigung. Es gebe keine unmittelbare Bedrohung, die Amerikaner sollten ruhig schlafen. Selbst Trump wies darauf hin: Keiner wolle einen Krieg.

Die Amerikaner sind in der Beurteilung der Handhabe Nordkoreas durch den Oberbefehlshaber ihrer Armee gespalten. 37 Prozent halten Trumps Poltern einer Umfrage des Senders CNN zufolge für richtig - in etwa so viele, wie auch Trumps Amtsführung insgesamt positiv beurteilen. Außenminister Tillerson versuchte die ungewöhnliche Rhetorik so zu erklären: Trump habe mit Kim Jong Un lediglich in einer Sprache sprechen wollen, die dieser auch verstehe.

Während drastische Formulierungen in Nordkoreas Propaganda zum gewohnten Ton gehören, gibt es für derart streitlustige Äußerungen eines amerikanischen Präsidenten nur weniger Präzedenzfälle. Zwar hatte sich auch Trumps großes Vorbild Ronald Reagan gern martialischer Worte bedient - ähnlich drastisch hatte sich jedoch nur US-Präsident Harry Truman 1945 bei der Mitteilung über den Abwurf der Atombombe auf die japanische Stadt Hiroshima geäußert, als er die Kapitulation der Japaner forderte, wie US-Medien hervorhoben. Er drohte ihnen sonst mit „einem Regen der Zerstörung aus der Luft, wie ihn die Erde noch nicht gesehen hat“.

Mit der extremen Wortwahl Trumps wächst die Sorge, dass sich beide Kontrahenten weiter aufschaukeln. Beobachtern in Seoul fiel auf, dass die Drohung Nordkoreas mit einem Angriff auf die Pazifikinsel Guam zumindest gemessen an der üblichen, wilden Kriegspropaganda fast differenziert wirkte. Die Drohung war auch keineswegs neu und schon früher ähnlich geäußert worden.

Die Streitkräfte zögen eine solche Attacke „auf Guam ernsthaft in Erwägung“, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Mittwoch. Der Plan zum Angriff könne „jederzeit“ ausgeführt werden, sobald Kim Jong Un die Entscheidung dazu treffe, sagte ein Militärsprecher. Die USA sollten ihre „rücksichtslosen militärischen Provokationen“ unterlassen, so dass man nicht „gezwungen“ sei, eine „unvermeidliche militärische Entscheidung“ zu treffen.

Der verbale Schlagabtausch ist der vorläufige Höhepunkt der Krise, die durch Nordkoreas Tests mit Interkontinentalraketen eskalierte. Die Sorge über Pjöngjangs Fortschritte mit Nuklearsprengköpfen wächst. Die USA und Japan gehen davon aus, dass Nordkorea inzwischen in der Lage ist, Raketen mit Miniatur-Atomsprengköpfen zu bestücken - auch Interkontinentalraketen, die die USA erreichen könnten. Allerdings wiesen Experten darauf hin, dass es nicht allein um die Verkleinerung der Sprengköpfe geht, sondern auch darum, dass sie auch den Wiedereintritt der Rakete in die Erdatmosphäre überstehen.

Trotz der neuen Spannungen zeigten sich viele Südkoreaner gelassen. Die Regierung in Seoul gab keine Warnmeldung heraus. Auch das öffentliche Leben in der besonders von Nordkoreas Artillerie bedrohten Hauptstadt ging wie gewohnt seinen Gang. „Nordkorea droht ja immer wieder damit, aber am Ende ist nie etwas passiert“, sagte die 26-jährige Jeon Hae-in in Euijeongbu, einem Vorort von Seoul, nur rund 30 Kilometer von der Grenze zu Nordkorea entfernt: „Bei Trump ist es ein bisschen anders. Ihm würde ich alles zutrauen.“

Kritik an Trumps feuriger Wortwahl hagelte es auch in den USA. Der außenpolitisch profilierte, republikanische US-Senator John McCain mahnte Trump zur Zurückhaltung. „Die großen Führer, die ich kenne, sprechen keine Drohungen aus, solange sie nicht bereit zum Handeln sind“, sagte der Republikaner dem US-Radiosender KTAR. „Und ich bin nicht sicher, dass Präsident Trump bereit zum Handeln ist.“ Trump bringe die USA damit nur näher an eine ernste Konfrontation. Andere Kritiker warnten, Trump setze die Glaubwürdigkeit der USA aufs Spiel.

Historiker wiesen darauf hin, dass US-Präsidenten gewöhnlich behutsam mit ihrer Sprache umgehen, um eine Krise nicht unnötig anzufachen. Auch sinke Trump auf das Niveau des nordkoreanischen Machthabers, wenn er sich im Ton an die Nordkoreaner anlehne. Während einige aber auch eine „Botschaft der Abschreckung“ sahen, fürchteten andere einen „gefährlichen Pfad“, den Trump beschreite. Unklar blieb, ob Trump spontan geredet - oder seine Formulierung geplant hatte.

Aber auch Nordkorea ließ seine Muskeln spielen. Es zielte schon früher mit Drohungen auf die US-Luftwaffenbasis Andersen auf Guam, von der die USA häufig strategische Bomber des Typs B-1 zu Manövern in Richtung koreanische Halbinsel entsenden. Die Insel gilt Pjöngjang als potenzieller „Ausgangspunkt für eine Invasion in Nordkorea“. Erwogen wird demnach ein Angriff mit ballistischen Raketen des Typs Hwasong-12. Doch gibt es auch Skepsis unter US-Experten, ob Nordkorea zu einem solchen Angriff überhaupt technisch in der Lage ist.

Seine Drohungen rechtfertigte Pjöngjang mit einer Mobilisierung des Atomwaffenarsenals sowie Raketentests durch die USA und Übungen mit Langstreckenbombern über Südkorea. Es sieht seine strategischen Waffen als „ein wichtiges militärisches Mittel, um entschlossen den politischen und wirtschaftlichen Druck der USA sowie deren militärische Drohungen zu kontern“.

Angesichts der Drohungen der USA mit einer „militärischen Option“ kündigte ein nordkoreanischer Militärsprecher laut KCNA an, auf einen möglichen „Präventivkrieg“ der USA mit einem „grenzenlosen Krieg“ zu reagieren, der „sämtliche Stützpunkte des Gegners ausrotten wird, auch auf dem US-Festland“.

Die täglich wachsende Eskalation wird von China mit großer Sorge verfolgt. Peking will die Kontrahenten an den Verhandlungstisch bringen, indem die USA ihre Manöver mit Südkorea einstellen und Nordkorea sein Atom- und Raketenprogramm aussetzt. Trump solle auf Kim Jong Un zugehen und die Sicherheitsinteressen Nordkoreas berücksichtigen, fordert Peking. Die USA wie auch Nordkorea lehnen diesen „zweigleisigen Ansatz“ aber ab.

„Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist sehr gefährlich“, sagte der Experte Zhang Liangui von Pekings Parteihochschule. Nordkorea betrachte sich selbst bereits als Atommacht und wolle sich das nicht mehr nehmen lassen. Pjöngjang komme aber der „roten Linie“ der USA sehr nahe, wonach es nicht die Sicherheit der USA bedrohen dürfe. Wegen der Fortschritte in Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm „tickt die Uhr“, da die Sanktionen nicht wirkten.

Südkorea will in der Krise aufrüsten. Südkoreas Präsident Moon Jae rief zu einer tiefgreifenden Reform der Streitkräfte auf. „Wir brauchen eine vollständige Verteidigungsreform im Sinne einer Wiedergeburt, anstatt nur einige Modifizierungen oder Verbesserungen durchzuführen“, sagte Moon nach Angaben der Nachrichtenagentur Yonhap gegenüber Spitzenbefehlshabern. Südkorea will unter anderem Raketen mit höherer Sprengkraft anschaffen, um unterirdische Bunker zerstören zu können.

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