Konflikte:Polens wahnsinnige EU-Politik

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Polens Ministerpräsidentin Beata Szydło (Foto: REUTERS)

Was will die Warschauer Regierung mit ihren Wutreden in Richtung Europa bewirken? Die Polen enteuropäisieren? Das hat wenig Aussicht auf Erfolg, fast 90 Prozent der Wähler mögen die EU.

Kommentar von Daniel Brössler, Brüssel

Polens Regierenden ist in diesen Tagen das fast Unmögliche gelungen. Sie haben es geschafft, selbst ihre britischen Kollegen an Rätselhaftigkeit zu übertreffen. Die britischen Tories verwirren Europa mit einer eigentümlichen Verhandlungstaktik und verwegenen Vorschlägen für die Zeit nach dem Brexit. Allerdings verfolgen sie ein allseits bekanntes Ziel: den vom Volk gewollten Austritt aus der Europäischen Union.

Welche Absicht verfolgt Polens Premierministerin Beata Szydło, wenn sie den französischen Präsidenten Emmanuel Macron persönlich beleidigt? Warum treiben Polens Nationalkonservative den Konflikt mit der EU-Kommission auf die Spitze? Aus der EU austreten wollen sie nicht. Das sagen sie immer wieder. Aber was wollen sie?

Eine ehrliche und verständliche Antwort darauf ist die polnische Führung den Partnern in Europa bisher schuldig geblieben. Vordergründig geht es darum, die Nationalstaaten zu stärken und den Einfluss der EU-Kommission zu begrenzen. Mit solchen Zielen befinden sich die Polen vielleicht in der Minderheit, stehen aber sicher nicht allein. In Wahrheit aber haben Parteichef Jarosław Kaczyński und seine Regierungsgehilfen den Anspruch, die Richtung des europäischen Schiffs mitzubestimmen, längst aufgegeben. Dazu wären Verbündete nötig. So gründlich wie die polnische aber hat sich lange keine Regierung in der EU isoliert.

Die Regierung sucht die Festigung der Macht im Inneren

Im Streit über angebliche Dumpinglöhne von Osteuropäern im Westen fällt es dem Franzosen Macron deshalb so leicht, Warschau zu umgehen. Selbst Tschechen und Slowaken setzen sich deutlich von den Polen ab, wiewohl sie immer noch gegen die EU-weite Verteilung von Flüchtlingen sind. Einziger verbliebener Verbündeter ist der Ungar Viktor Orbán, und der ist im Unterschied zu Kaczyński weniger Ideologe als zynischer Pragmatiker. Bereits in ihrem hoffnungslosen Versuch, die Wiederwahl des Polen Donald Tusk als EU-Ratspräsident zu verhindern, ließ Orbán die angeblichen Warschauer Gesinnungsgenossen im Stich.

Parteichef Kaczyński hat sich vollständig verrechnet. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump in den USA setzte er auf eine rechtspopulistische Welle in Europa. Die Wahlniederlagen von Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden ließen ihn im europapolitischen Niemandsland zurück. Es scheint Kaczyński ein Plan zu fehlen, und mit Sicherheit fehlen ihm die Partner. Daraus folgt nun jene seltsame Politik, die mit der Realität in der EU so wenig und zuweilen auch nichts zu tun hat. In Wahrheit geht es nur noch um Polen. Kaczyński wird Europa nicht in seinem Sinne polonisieren können. Umso entschlossener verfolgt er das Vorhaben, Polen zu enteuropäisieren.

Das ist ein wahnsinniges Unterfangen in einem Land, in dem nur elf Prozent der Bürger angeben, sie hätten ein negatives Bild von der EU. Kaczyński und Szydło kämpfen letztlich nicht gegen Macron oder die EU-Kommission, sondern gegen die pro-europäische Einstellung in ihrem Land. Sie haben den hasserfüllten, ja oft hysterischen Ton, den die Polen aus dem innenpolitischen Diskurs sattsam kennen, auf die europäische Ebene gehoben.

Damit machen sie sich im Ausland unmöglich, im Inneren aber kann das Gift wirken. Von angeblichen Feinden umgeben, sollen die Polen sich um ihre Führung scharen. Die Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaat erfüllt so einen doppelten Zweck: die Festigung der eigenen Macht und die Entfremdung von der EU.

Polens Regierung will keinen Kompromiss. Sie braucht den Konflikt. Diesem Konflikt können die EU-Kommission und die EU-Staaten nicht ausweichen. Sie müssen klarstellen, dass in der EU nur Platz ist für demokratische Rechtsstaaten.

© SZ vom 29.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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