Studie:Klimawandel könnte Deutschland Hunderte Milliarden Euro kosten

Lesezeit: 2 min

Massive Zerstörungen hat die Flutkatastrophe im Ahrtal im Jahr 2021 etwa in Altenahr-Kreuzberg in Rheinland-Pfalz hinterlassen. (Foto: Boris Roessler/dpa)

In einer Studie gehen Experten bis 2050 von Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro aus. Und sie mahnen: Nicht alle Folgen lassen sich in volkswirtschaftlichen Kosten messen. Die Gelehrtengesellschaft Leopoldina dringt auf schnelles Handeln.

Der Klimawandel könnte allein in Deutschland Schäden von bis zu 900 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 verursachen. Dies ist das Ergebnis einer vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz beauftragten und in Berlin vorgestellten Studie.

Die Autoren der Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) und der Prognos AG haben für die Kosten verschiedene Szenarien berechnet. Je nach Ausmaß der Erderwärmung rechnen sie zwischen 2022 und 2050 mit volkswirtschaftlichen Schäden in Höhe von 280 bis 900 Milliarden Euro.

900 Milliarden Euro entsprechen in etwa zwei kompletten Bundeshaushalten, der von Finanzminister Christian Lindner (FDP) verantwortete Etat beträgt in diesem Jahr etwa 475 Milliarden Euro. Die Ergebnisse sind nicht als Vorhersage zu verstehen, sondern sollen einen Eindruck vermitteln, was unter bestimmten Annahmen passieren könnte.

Fokus der Studie sind die volkswirtschaftlichen Folgekosten, die über den reinen Wiederaufbau nach direkten klimawandelbedingten Schäden wie Fluten hinausgehen. In ihren Szenarien berücksichtigten die Autoren beispielsweise auch zusätzliche Belastungen durch eingeschränkte Produktionsmöglichkeiten oder unterbrochene Lieferketten. Dem Bundesumweltministerium zufolge hat allein die Flut im Ahrtal im Sommer 2021 Folgekosten in Höhe von etwa 40 Milliarden Euro verursacht.

Die Folgen könnten noch höher sein

Nach den Modellen werden sich die durchschnittlichen jährlichen Kosten der Extremereignisse wie Hitze und Hochwasser der vergangenen 20 Jahre bis 2050 jährlich um das Anderthalb- bis Fünffache erhöhen. Die Wirtschaft würde damit selbst im günstigsten Szenario schrumpfen, falls keine Vorkehrungen zur Anpassung an die Erderwärmung getroffen werden. Anpassungsmaßnahmen wie etwa mehr Grün in Städten könnten demnach die rein ökonomischen Kosten, gemessen als Verlust in der Wirtschaftsleistung, um 60 bis 100 Prozent reduzieren.

SZ PlusRekorddürre in Norditalien
:Gondeln, die auf dem Trockenen liegen

Beunruhigende Nachrichten aus der Lombardei, dem Trentino und dem Veneto: Es fehlt das Wasser. Ein neuer Dürre-Sommer kündigt sich an - mit dramatischen Folgen für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln.

Von Marc Beise

Die ermittelten Werte stellen nach Darstellung der Autoren Untergrenzen dar, da sich nicht alle Folgen des Klimawandels in Kosten messen und im Modell darstellen lassen. Hinzu kommen beispielsweise der Verlust von Lebensqualität und Artenvielfalt sowie Todesfälle. "Es ist also damit zu rechnen, dass die Kosten des Klimawandels noch wesentlich höher ausfallen können, als durch die Szenarien im Modellzusammenhang ermittelt", heißt es in der Untersuchung.

"Die Klimaveränderungen haben schon heute schwere ökonomische Folgen, die massiv anwachsen können", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Wenzel (Grüne) dem Handelsblatt. "Jeder in den Klimaschutz investierte Euro verringert die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch Extremwetterereignisse künftig entstehen können."

Wissenschaftler fordern verlässliche Investitionen in Klimaschutz

Auch die Wissenschaft dringt auf schnelles Handeln. "Der kritische Zeitpunkt, an dem Deutschland und Europa die Voraussetzungen für eine Erreichung der Pariser Klimaziele schaffen können, ist bald verstrichen", heißt es in einem am Montag von der Gelehrtengesellschaft Leopoldina in Halle veröffentlichten Diskussionspapier. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie der Klimaökonom Ottmar Edenhofer und die zu den fünf Wirtschaftsweisen zählende Veronika Grimm waren daran beteiligt. Die Veröffentlichung war laut Spiegel ursprünglich für einen Forschungsgipfel Ende des Monats geplant. Sie sei vorgezogen worden, um die Bundesregierung auf ihrer Klausurtagung auf Schloss Meseberg zu erreichen.

Die Politik müsse verlässliche Rahmenbedingungen für klimagerechte Investitionen schaffen. Parallel sollten Anreize und Vorgaben zu einer effizienteren Energienutzung führen. Für das Gelingen der Energiewende sei zudem ein breiter gesellschaftlicher Diskussionsprozess eine wichtige Voraussetzung, schreiben die Autorinnen und Autoren im Vorwort zu ihrem Papier.

Die erste Phase der Klimapolitik müsse eine drastische Verminderung der Emissionen zum Ziel haben. Parallel müsse aber bereits die zweite Phase eingeläutet werden, in der es darum gehe, nicht vermeidbare Emissionen der Atmosphäre wieder zu entnehmen. Die EU müsse den Rahmen schaffen, um die Technologien dafür rasch zu zertifizieren.

© SZ/Reuters/saul - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimakrise
:Der SZ-Klimamonitor

Wie wir Menschen die Erde zerstören - und wie wir sie noch retten können. Die wichtigsten Daten und Hintergründe zur größten Krise der Welt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: