Unterstützung für Familien:Kritische Punkte der Kindergrundsicherung

Lesezeit: 2 min

Will das Existenzminimum von Kindern neu berechnen lassen, hält sich bei den Vorgaben aber noch zurück: Familienministerin Lisa Paus. (Foto: Kay Nietfeld/DPA)

Auch nach der Ampel-Einigung zu der Reform dürfte es noch Änderungen an den Plänen geben.

Von Roland Preuß, Berlin

Die erste Etappe ist geschafft. Seit dem Wochenende liegt ein Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung vor, den alle Ampelpartner unterstützen. An diesem Mittwoch soll er vom Bundeskabinett beschlossen werden. Damit kann die größte Reform zur Förderung von Kindern und Familien seit Jahrzehnten nach monatelangem Streit den Weg ins parlamentarische Verfahren antreten. Wichtige Konfliktpunkte zwischen Grünen und FDP sind gelöst, zugleich zeichnet sich weiterer Streit ab. Der jetzige Entwurf dürfte noch Änderungen erfahren.

Was gelöst wurde: Die Kindergrundsicherung soll bisherige Hilfen wie Kindergeld, Kindersofortzuschlag für ärmere Familien und Bürgergeld für Kinder zusammenführen, Eltern sollen die Unterstützung leichter und digital beantragen können. Zuletzt war strittig, ob auch Asylbewerber die Kindergrundsicherung erhalten sollen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte das abgelehnt, Asylbewerber sind nun ausgenommen. Umstritten war zudem, wie die Kindergrundsicherung bei Eltern angerechnet wird, die Bürgergeld beziehen. Bisher wird das Kindergeld grundsätzlich beim Bürgergeld abgezogen, weil dieses nur das Existenzminimum sichern soll. Künftig sollen Eltern die Kindergrundsicherung behalten dürfen, auch wenn sie über das Bürgergeld hinauskommen. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Ex-Partner Unterhalt zahlt. Bisher muss dies das Jobcenter jeweils prüfen und verrechnen.

Vereinfachung: Hier zeichnen sich noch harte Auseinandersetzungen ab. Erklärtes Ziel von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) ist, dass Familien künftig leichter an Hilfen kommen. Die Behörden sollen die nötigen Daten möglichst per Datenabgleich besorgen, statt sie immer wieder bei den Eltern anzufordern, die Verwaltung hierfür soll schlanker und digitaler werden. Hier habe man Einwände von Verbänden und Behörden berücksichtigt, hieß es aus Paus' Ministerium.

Dies zweifeln Vertreter der Kommunen an, welche die Kindergrundsicherung mit umsetzen müssten. "Die Änderungen im Gesetzentwurf sind nur kosmetisch", sagte Reinhard Sager (CDU), der Präsident des Deutschen Landkreistages, am Montag der Süddeutschen Zeitung. "Das Gesetz bringt weiter bürokratischen Mehraufwand und Doppelstrukturen. Viele Behörden werden für eine Familie zuständig sein." Die Jobcenter, an denen auch viele Kommunen beteiligt sind, blieben "immer dann zuständig, wenn die Kindergrundsicherung nicht reicht", sagte Sager.

Der Nationale Normenkontrollrat, eine Art Bürokratiewächter, schreibt in einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf, die der SZ vorliegt, Bedürftige müssten sich "künftig an bis zu fünf Stellen wenden". Dies schaffe "zahlreiche Schnittstellen, die dem eigentlichen Vereinfachungsgedanken widersprechen". Aus anderen beteiligten Behörden hieß es, der überarbeitete Gesetzentwurf werde die Umsetzung teilweise leichter machen. "Der Mehraufwand sinkt etwas", hieß es.

Höhe der Unterstützung: Grundsätzlich bleibt es laut Gesetzentwurf bei der bisherigen Höhe der Unterstützung, allerdings soll das Existenzminimum von Kindern anders berechnet werden. Dies hatte Paus stets gefordert - in der Erwartung, dass mehr Geld herausspringt. Laut Familienministerium werden sich durch die veränderte Berechnung höhere Leistungen für Kinder ergeben. Die genaue Höhe werde in einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamts ermittelt. Aus Regierungskreisen hieß es, das soziokulturelle Minimum werde sich voraussichtlich um mindestens 20 Euro pro Kind erhöhen.

Wann es losgehen kann: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) hatte kürzlich gewarnt, dass der für Anfang 2025 geplante Starttermin wegen des nötigen Aufwands für die IT-Umstellung "unrealistisch" sei. Die BA soll die Kindergrundsicherung managen und auszahlen. Im Gesetzentwurf steht nun dennoch der 1.1.2025, obwohl es bei den IT-Fragen kaum Änderungen gibt. Die BA wollte sich am Montag nicht dazu äußern, der Städtetag aber teilt deren Bedenken. "Sorge bereitet uns weiterhin der enge Zeitplan", sagte Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, der SZ. Die IT-Systeme in den kommunalen Jobcentern und den kommunalen Ämtern bis zum 1. Januar 2025 anzupassen, sei "sehr sportlich".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFamilien
:Verspricht die Regierung armen Kindern zu viel?

Schneller, smarter, schlanker: Die Kindergrundsicherung will Bürokratie abbauen, damit Familien leichter an Hilfen kommen. Doch bei den beteiligten Behörden wachsen Zweifel. Ein Überblick.

Von Tim Frehler und Kathrin Müller-Lancé

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: