Historische Niederlage in Washington: Der Republikaner Kevin McCarthy hat es im ersten Versuch nicht geschafft, zum Sprecher des US-Repräsentantenhauses gewählt zu werden. Auch ein zweiter und dritter Anlauf scheiterten. Schließlich wurde die Sitzung vertagt. Zuletzt ist es vor hundert Jahren passiert, dass beim Votum zu dem mächtigen Amt mehr als ein Wahlgang nötig wurde und eine Fraktion ihrem Kandidaten im ersten Durchgang die Gefolgschaft verweigerte.
Die Wahl des Vorsitzenden ist die erste große Amtshandlung eines neu gewählten Repräsentantenhauses. Und bis der Vorsitz geklärt ist, geht gar nichts: Die Kongresskammer kann nicht ihre Arbeit aufnehmen, nicht mal die neuen Abgeordneten können vereidigt werden. McCarthy kam im ersten Durchgang lediglich auf 203 von 434 abgegebenen Stimmen - 218 hätte er gebraucht. 19 Parteikollegen verweigerten ihm die Stimme.
Die zweite Wahlrunde startete direkt im Anschluss an die erste. Dabei zeigte sich einmal mehr die Zerrissenheit der republikanischen Fraktion. Der Abgeordnete Jim Jordan nominierte erneut McCarthy und redete seinen Parteikollegen ins Gewissen, die Reihen zu schließen. Einer der härtesten Gegner McCarthys, der Parlamentarier Matt Gaetz, wiederum nominierte Jordan und betonte, vielleicht sei es besser, jemanden zu wählen, der den Posten nicht so verzweifelt wolle. Jordan habe schon in der kurzen Nominierungsansprache für McCarthy mehr Zukunftsvisionen aufgezeigt, als von diesem je zu hören gewesen seien. Jordan bekam anschließend 19 Stimmen, im dritten Durchgang schließlich 20.
Einer der Republikaner-Rebellen ist Chip Roy aus Texas. Dem Sender CNN sagte er, er stimme gegen McCarthy, weil das Haus "anders arbeiten" müsse. Roy stört sich demnach daran, dass Abstimmungen zu Ausgaben oftmals zusammengeschnürt werden. So hätte er beispielsweise gern separat über die Ukraine-Hilfe der USA abgestimmt, diese sei aber mit einem großen Haushaltsgesetz verbunden gewesen.
Die Republikaner hatten bei der Wahl die Kontrolle der Kammer erobert - im Senat haben die Demokraten von Präsident Joe Biden weiter eine knappe Mehrheit. Der Posten des Sprechers des Repräsentantenhauses, den in den vergangenen Jahren die Demokratin Nancy Pelosi besetzte, steht in der staatlichen Rangfolge der USA an dritter Stelle nach dem Präsidenten und dessen Vize.
Rekord liegt bei 133 Wahlgängen
Mehrere Parteikollegen lehnten sich im Vorfeld gegen McCarthy auf und kündigten vor der Abstimmung an, ihm die Unterstützung zu verweigern. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse deutete sich daher an, dass McCarthy im ersten Wahlgang die nötige Mehrheit verfehlen könnte.
McCarthy gab sich kurz vor der Sitzung kämpferisch und sagte: "Ich halte den Rekord für die längste Rede im Plenum." Er habe kein Problem damit, einen Rekord aufzustellen für die meisten Wahlgänge bei einer Abstimmung zum Vorsitz im Repräsentantenhaus. Der Rekord liegt bei 133 Abstimmungen und stammt aus dem Jahr 1856.
Jeder Wahlgang ist langwierig, weil alle Abgeordneten einzeln aufgerufen werden, um ihren Wunsch-Kandidaten zu benennen. Auch wenn sich McCarthy am Ende durchsetzen sollte, wird er geschwächt aus dem Gerangel hervorgehen und muss sich in den kommenden Jahren auf einige Schwierigkeiten einstellen bei der Organisation von Mehrheiten in der Kongresskammer.
Nach wochenlangen Gesprächen mit seinen Gegnern hinter verschlossenen Türen ging McCarthy vor dem ersten Wahlgang sichtlich verärgert in die Offensive und griff seine Kritiker öffentlich an. Ihnen gehe es allein um das persönliche Fortkommen, nicht um das Land, sagte McCarthy.
Lange Umstimmungsversuche
Der 57-Jährige hat lange in internen Verhandlungen mit allerlei Zugeständnissen versucht, seine Kritiker umzustimmen. McCarthy legte nun offen, am Montag sei ihm gesagt worden, er werde nur die nötigen Stimmen bekommen, wenn er bestimmte Mitglieder der Fraktion mit bestimmten Ämtern und Etats versorge. Einer seiner Gegner, der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz, habe sogar unverblümt gesagt, ihm sei es egal, wenn im Zweifel der Kandidat der Demokraten die Wahl gewinne, sagte McCarthy weiter.
Seinen Kritikern gehe es nicht um Amerika, sondern nur um sie selbst, beklagte er. "Ich werde immer dafür kämpfen, dass das amerikanische Volk an erster Stelle steht - nicht ein paar einzelne, die etwas für sich selbst durchsetzen wollen." Es werde deshalb vielleicht eine "Schlacht" im Plenum der Kammer geben, aber dabei gehe es um die gesamte Fraktion und das Land, "und das ist ok für mich", sagte er.
Hinter dem Streit um McCarthy stehen grundlegende Auseinandersetzungen der Republikaner über den künftigen Kurs und die Führung. Die Partei ist zerrissen zwischen rechtsgerichteten Anhängern des Ex-Präsidenten Donald Trump und moderateren Parteimitgliedern. Für die Fraktion im Repräsentantenhaus gilt das besonders.