Kehrtwende in der Energiepolitik:Aber denen gehört doch unser Ausstieg nicht

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Union und FDP fahnden eilig nach Wegen, die deutschen Meiler abzuschalten, die CSU hat sich auf ein konkretes Datum für den Ausstieg festgelegt. Dass sich Schwarz-Gelb von der Atomkraft verabschieden will, können SPD und Grüne nicht ertragen. Sie zetteln eine fast schon verzweifelte Debatte an.

Michael Bauchmüller

Ein Reaktor lässt sich nicht einfach abschalten. Die Brennstäbe heizen weiter, sie müssen künstlich gekühlt werden. Ingenieure nennen das die "Nachbetriebsphase". Diesen Prozess zu beherrschen, ist wie vieles im Reich der Kernkraft ein sensibles, nicht ganz einfaches Unterfangen. Ganz wie die Energiewende.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer: Am Wochenende hat sich die CSU auf der Klausurtagung im Kloster Andechs als erste Regierungspartei auf ein konkretes Ausstiegsdatum geeinigt. (Foto: dapd)

Auch die deutsche Atomdebatte läuft derzeit auf eine Art Nachbetriebsphase zu. Union und FDP fahnden eilig nach Wegen, die deutschen Meiler herunterzufahren, die Opposition aber heizt weiter ein; an diesem Wochenende aus Anlass eines CSU-Beschlusses zur Energiewende. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel macht nun eine Endlagersuche auch in Bayern zur Bedingung für einen Atomkonsens, Grünen-Chefin Claudia Roth will im Papier der Christsozialen eine Revisionsklausel entdeckt haben, die ein "Scheunentor" für eine Atomwende rückwärts öffne. Beides zeugt mehr von Verzweiflung als von ernster Debatte.

Gabriel hat recht, wenn er eine Debatte auch über Atommüll fordert; sie würde zwangsläufig auf eine neue Endlagersuche hinauslaufen. Diese aber zur Bedingung für einen parteiübergreifenden Konsens zu machen, ist durchsichtig - es legt die Latte eben noch ein bisschen höher. Auch Roth hätte recht: Ein Atomausstieg, der später noch mal überprüft werden soll, verdiente den Namen nicht. Nur ist das explizit nicht Forderung der CSU. Die will zwar regelmäßig prüfen, ob der Umstieg auf erneuerbare Energien im Plan liegt. Dies werde aber nichts an der Abschaltung des letzten Meilers im Jahr 2022 ändern. Wozu also die Aufregung?

Ganz offensichtlich plagt die Opposition schon der Phantomschmerz. In den vergangenen Wahlkämpfen war die Kernkraft das zentrale Unterscheidungsmerkmal zwischen dem schwarz-gelben und dem rot-rot-grünen Lager. Es war die Atompolitik, die Grün-Rot in Baden-Württemberg zur Macht verhalf. Es war auch die Atompolitik, die Angela Merkel im letzten Bundestagswahlkampf am ehesten in die Defensive brachte. So ein Thema verliert man ungern.

Doch dieses Kalkül ist gefährlich. Die SPD und, viel mehr noch, die Grünen stehen vor einem grandiosen Erfolg. Nach Jahren des Widerstands könnten sie bald schon das nahe Ende der Atomkraft in Deutschland feiern. Und weil nicht sie selbst das besiegeln, sondern der politische Gegner, könnte der leidige Streit für alle Zeiten begraben werden. Nur besteht Gefahr, dass Sozialdemokraten und Grüne selbst, mit ihnen auch die Umweltbewegung, den Erfolg aus der Hand geben: durch Unfähigkeit zum Konsens.

Was die CSU am Wochenende aufgeschrieben hat, geht in die richtige Richtung. Es läuft auf einen unverrückbaren Termin für den Atomausstieg hinaus und benennt Alternativen auch jenseits gigantischer Windparks in Nord- und Ostsee, nämlich in der Region. Es klammert weder den Bau neuer Stromnetze aus noch die Notwendigkeit, sparsamer mit Energie umzugehen.

Vielleicht sollte die Opposition das einfach mal anerkennen.

© SZ vom 23.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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