EU-Parlament und "Katargate":14 Reformen gegen die Korruption

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"Wir haben nichts unter den Teppich gekehrt", sagt Roberta Metsola, Präsidentin des Europaparlaments. (Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Hat das EU-Parlament genug getan, um Korruptionsskandale wie "Katargate" in Zukunft zu verhindern? Für die Parlamentspräsidentin jedenfalls ist die Sache halbwegs überstanden. Doch das sehen nicht alle so.

Von Hubert Wetzel, Brüssel

Für Roberta Metsola ist die Sache halbwegs überstanden. Ein Dreivierteljahr ist es her, dass das EU-Parlament von dem Bestechungsskandal erschüttert wurde, der als "Katargate" bekannt geworden ist - nach dem arabischen Herkunftsland eines Teils des Schmiergelds, mit dem den Vorwürfen zufolge Abgeordnete gekauft wurden. Jetzt, kurz vor Beginn der Brüsseler Sommerpause, sitzt Metsola, die Präsidentin des Europaparlaments, in ihrem Büro und ist hörbar erleichtert.

Alle Reformvorschläge, die sie vorgelegt habe, um ähnliche Korruptionsaffären in Zukunft zu verhindern, seien gebilligt worden, sagt Metsola. "Wir haben nichts unter den Teppich gekehrt. Wir hätten wegsehen können, aber das haben wir nicht getan."

"Zu sagen, wir als Parlament hätten unsere Hausaufgaben gemacht, ist Augenwischerei."

Ein paar Etagen unter ihr, in den Tiefen des Parlamentsgebäudes, wird diese Ansicht nicht uneingeschränkt geteilt. "Zu sagen, wir als Parlament hätten unsere Hausaufgaben gemacht, ist Augenwischerei", klagt der Abgeordnete Daniel Freund von den deutschen Grünen, der seit Jahren gegen Korruption in der EU kämpft. Metsola habe höchstens "ein paar Schlupflöcher gestopft, die gar nicht hätten existieren dürfen".

Rechtfertigen lassen sich beide Meinungen. Metsola hat nach Bekanntwerden des Skandals 14 Reformen vorgeschlagen. Diese sind mittlerweile alle abgearbeitet. Im Kern sollen die Änderungen dazu beitragen, dass EU-Abgeordnete mehr Informationen dazu offenlegen, wen sie treffen, von wem sie Geschenke oder Reiseeinladungen annehmen, welche Nebentätigkeiten ihnen wie viel Geld einbringen und wo sie mögliche Interessenkonflikte haben. Ehemalige Abgeordnete, die als Lobbyisten arbeiten, müssen eine sechsmonatige "Abkühlphase" hinter sich bringen, bevor sie in den Gebäuden des Parlaments tätig sein dürfen. Zudem bekommen sie keine dauerhaften Hausausweise mehr.

Unklar ist, ob und wann die Justiz Anklage gegen die beteiligten Parlamentarier erhebt

Dadurch soll es für Regierungen oder Unternehmen schwieriger werden, über amtierende oder frühere Abgeordnete, denen sie Geld zukommen lassen, unbemerkt Einfluss auf die Arbeit des EU-Parlaments zu nehmen. Das war im Katargate-Skandal offenbar versucht worden, wobei die mutmaßlich Beteiligten anscheinend mit so hoher krimineller Energie vorgingen, dass wohl auch die ausgefeilteste parlamentarische Geschäftsordnung sie nicht gestoppt hätte.

Durch die neuen Regeln "erhöhen wir die Rechenschaftspflicht und die Integrität", sagt Metsola. Abgeordnete müssen bei Verstößen zudem mit höheren Strafen rechnen. Sie sollen künftig bis zu 60 Tage suspendiert werden können statt bis zu 30. Pro Tag verlieren sie 338 Euro - die Höchststrafe liegt damit bei gut 20 000 Euro. Noch härtere Strafen, etwa der Verlust der Abgeordnetenpension im Fall einer Verurteilung, seien juristisch kaum möglich, sagt Metsola.

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Daniel Freund geht das längst nicht weit genug. Die Geldstrafen seien für gut bezahlte EU-Abgeordnete nicht abschreckend, sagt er. Außerdem würden schon die bestehenden Regeln in der Praxis kaum durchgesetzt. "Das größte Problem im Parlament ist die Kultur der Straflosigkeit", so Freund. Er fordert, dass nicht mehr die Parlamentspräsidentin für Sanktionen gegen Abgeordnete zuständig ist, sondern ein unabhängiges Gremium, das die Einhaltung der Regeln gegen Korruption überwacht, bei Verstößen ermittelt und Strafen verhängt. Diesem Vorschlag hat sich im EU-Parlament allerdings die größte Fraktion entgegengestellt, die konservative Europäische Volkspartei (EVP), der auch Metsola angehört. EVP-Vertreter begründen ihren Widerstand gegen ein unabhängiges Kontrollgremium mit dem "freien Mandat" der Abgeordneten. "Das ist Quatsch", sagt dazu Freund. "Das freie Mandat bedeutet ja nicht völlige Straffreiheit."

Unklar ist acht Monate nach Bekanntwerden des Skandals weiterhin, ob und wann die zuständige belgische Justiz strafrechtlich Anklage gegen die beteiligten Parlamentarier erhebt. Am Mittwoch wurden im Zusammenhang mit Katargate mehrere Immobilien einer belgischen sozialdemokratischen EU-Abgeordneten durchsucht. Ihr Sohn hatte eine Geschäftsbeziehung zu dem Sohn des bisher für Katargate zuständigen belgischen Ermittlungsrichters, der deswegen vor einigen Wochen von dem Fall zurückgetreten ist. Beobachter in Brüssel fragen sich nun, warum die Durchsuchungen erst jetzt stattgefunden haben.

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