Kaschmir:Anti-Terror-Fahnder nehmen Menschenrechtler fest

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Der Menschenrechtler Khurram Parvez und seine Mitarbeiter führen Buch über die Menschen, die in Kaschmir gewaltsam zu Tode kommen. (Foto: OH)

Seit Jahren protokolliert Khurram Parvez die Gewalt in der strategisch bedeutsamen Bergregion. Nun wirft ihm der indischen Staat eine "kriminelle Verschwörung" vor.

Von Arne Perras, München

Khurram Parvez notiert seit vielen Jahren, welche Menschenrechtsverletzungen in der hochmilitarisierten Krisenzone Kaschmir verübt werden. Dort kämpft der Staat gegen Gruppen bewaffneter Separatisten und islamistischer Extremisten, manche wollen einen Anschluss an Pakistan erzwingen, andere fordern ein unabhängiges Kaschmir. Unter extrem schwierigen Bedingungen führen Parvez und seine Mitarbeiter akribisch Buch über die Toten, die der Konflikt um die strategisch wichtige Bergregion fordert.

Außerdem machte er immer wieder darauf aufmerksam, wie kontraproduktiv das drakonische Vorgehen indischer Sicherheitskräfte gegen Zivilisten ist. In einem Gespräch mit der Onlineplattform The Wire warnte Khurram Parvez schon vor Jahren, dass der Staat die revoltierende Jugend in die Militanz treibe, wenn er Demonstranten ständig ins Gefängnis werfen lasse, wo sie gedemütigt und, wie manche berichteten, auch gefoltert würden. "Es scheint so, als wäre sich die Regierung nicht bewusst, was sie diesen Jungs antut."

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Nun ist der prominente Menschenrechtler von der indischen Anti-Terror-Behörde festgenommen worden. Wie indische Medien berichten, wird ihm "Verschwörung" und "Terrorfinanzierung" vorgeworfen. Details der Anschuldigungen wurden nicht bekannt. Mehrere internationale Organisationen verurteilten das Vorgehen. Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, schrieb über Parvez auf Twitter: "Er ist kein Terrorist." Der amerikanische Rechtswissenschaftler David Kaye, der früher für die UN tätig war, sprach mit Blick auf den Schritt der Anti-Terror-Behörde von "einem weiteren außergewöhnlichen Missbrauch in Kaschmir".

Die Weltorganisation gegen Folter in Genf verlangte Parvez' Freilassung und warnte: "Wir sind sehr beunruhigt angesichts des hohen Folterrisikos." Parvez ist behindert, er verlor 2004 ein Bein durch eine Mine, als er als Wahlbeobachter unterwegs war.

Parvez saß schon einmal im Gefängnis - ohne dass sich die Vorwürfe erhärten ließen

Vor fünf Jahren hatte der indische Staat Parvez daran gehindert, nach Genf zu fliegen, um dort vor den Vereinten Nationen über die Ergebnisse seiner Arbeit zu berichten, er koordiniert Recherchen der Jammu and Kashmir Coalition of Civil Society (JKCCS), außerdem ist er für die Asian Federation Against Involuntary Disappearances (AFAD) tätig. Damals war Parvez festgenommen worden und verbrachte 76 Tage im Gefängnis, ohne dass sich die Vorwürfe erhärten ließen. Die strikte Anti-Terror-Gesetzgebung erlaubt es dem Staat, Festgenommene ohne Anklage bis zu drei Monaten festzuhalten, außerdem hat der Staat die Möglichkeit, diesen Zeitraum noch zu verlängern.

Mit dem Vorgehen gegen den Menschenrechtler verschärft Delhi seinen harten Kurs gegen Kritiker im indisch kontrollierten Teil von Kaschmir. Zuletzt hatten die Spannungen wieder zugenommen, weil bei einem Polizeieinsatz vor wenigen Tagen vier Zivilisten ums Leben gekommen waren. Die Polizei gab zunächst an, es seien Unterstützer von Terroristen gewesen, später korrigierte sie ihre Version und gab an, dass die Opfer im Kreuzfeuer gestorben seien, als die Sicherheitskräfte sich ein Gefecht mit Aufständischen lieferten. Familienangehörige hätten beiden Versionen widersprochen, wie die New York Times aus Srinagar berichtete.

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