Kanzlerkandidat der SPD:Die drei Fragezeichen

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Die SPD-Troika aus Gabriel, Steinbrück und Steinmeier will die Entscheidung über einen Kanzlerkandidaten aussitzen, doch manche in der Partei fordern endlich einen klaren Kurs. Denn es geht bei der K-Frage längst auch um die Inhalte - etwa um die künftige Rentenpolitik.

Susanne Höll, Berlin

Verglichen mit der Regierungskoalition erlebte die Bundes-SPD einen vergleichsweise ruhigen Sommer. Anders als Schwarze und Gelbe stritten die Roten nicht öffentlich untereinander, was für Sozialdemokraten - jedenfalls gemessen an früheren Jahren - schon eine Leistung ist.

Die SPD-Troika aus Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und Frank-Walter Steinmeier (v. li.) will sich noch immer nicht auf einen Kanzlerkandidaten festlegen. (Foto: Philipp Guelland/dapd)

Mit der Ruhe wird es aber bald vorbei sein, mutmaßlich Anfang September, wenn der Vorsitzende Sigmar Gabriel, dann als Ehemann, seine sogenannte sommerliche Babypause beenden will. Es stehen zwei Entscheidungen an, die geeignet sind, die Partei aufzuwühlen. Zum einen muss ein Kompromiss in der intern hochumstrittenen Frage gefunden werden, welchen Weg die SPD in der Rentenpolitik einschlägt.

Und zum Zweiten rückt die Kanzlerkandidaten-Entscheidung näher. Nach Einschätzung einiger maßgeblicher Sozialdemokraten könnte und müsse sie entgegen allen bisherigen Erklärungen vor der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar fallen, vielleicht sogar schon im Spätherbst.

Beide Themen sind jeweils brisant und hängen zusammen, was die Sache umso heikler macht. Beim Thema Rente geht es um die Frage, was die SPD im Fall einer Regierungsübernahme gegen Altersarmut in den nächsten Jahren zu tun gedenkt. Breite Teile der Basis sind dafür, die mühsamen Reformen der vergangenen Jahre rückgängig zu machen und das Rentenniveau nicht weiter absinken zu lassen. Das müsste entweder mit Milliarden aus dem Haushalt finanziert werden oder mit steigenden Rentenbeiträgen. Die vielen Zusatzmilliarden aus der Staatskasse geben aber die SPD-Finanzpläne nicht her, und stark steigende Beiträge stoßen bislang auf Widerstand in der Partei.

Die Überlegung, einen Grundsatzstreit mit dem Vorschlag obligatorischer Betriebsrenten auch für Geringverdiener zu lösen, stieß schon auf Ablehnung. Aus der SPD Baden-Württemberg, aber auch aus dem einflussreichen, weil größten Landesverband Nordrhein-Westfalen gibt es dem Vernehmen nach Einwände, Arbeitnehmer und Unternehmen, die nicht zu den finanzkräftigsten gehören, zusätzlich zu belasten. Wenn aber die Betriebsrenten-Idee nicht durchzusetzen ist, muss vor und auf dem kleinen SPD-Parteitag ein Renten-Grundsatzstreit ausgefochten werden, dessen Ausgang ungewiss ist.

Gewiss ist dagegen, dass der Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück nicht als Spitzenkandidaten antreten wollen, um dann die von ihnen persönlich als zwingend empfundenen grundsätzlichen Rentenreformen aus den früheren SPD-Regierungsjahren zurückzunehmen. Damit wäre die Kandidatenfrage sozusagen erledigt. Parteichef Gabriel müsste in einem Jahr der Herausforderer von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden, ob er wollte oder nicht.

Die Meinungen, ob Gabriel denn nun will oder nicht, sind bis hin in die SPD-Führung hinein geteilt. Manche sind fest davon überzeugt, dass seine jüngste öffentliche Umtriebigkeit ein ganz klarer Beweis für seine Lust auf das Spitzenamt ist und dass er konkret darum kämpft, Kandidat zu werden. Andere glauben, Gabriel sei viel klüger als seine Kritiker meinen und habe längst erkannt, dass die SPD mit ihm als Herausforderer nicht den Sprung zurück in die Regierung schaffen kann. Weil die Bürger, zumal in Krisenzeiten, nicht von einem als eher unstet bekannten Politiker regiert werden wollen.

Zumindest ein Argument spricht für die letzte Theorie: Gabriel muss nicht um eine Kanzlerkandidatur kämpfen. Er ist der Vorsitzende, hat das erste Zugriffsrecht auf den Posten und kann sich, wenn er denn will, jederzeit selbst zum Kandidaten erklären - auch wenn das einigen in seiner Partei nicht passen sollte. Die Verantwortung dafür müsste er dann ziemlich allein tragen und im Fall eines schlechten Wahlergebnisses von unter 30 Prozent womöglich um sein Vorsitzendenamt bangen.

Wer also wird Kandidat? Das entscheidet im Wesentlichen Gabriel, unter Rücksprache mit den SPD-Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten. Ein Treffen der Troika aus Gabriel, Steinmeier und Steinbrück dazu hat es dem Vernehmen nach noch nicht gegeben. Steinmeier signalisiert - und lässt signalisieren -, dass er sich das Spitzenamt abermals zutraue, unter der Voraussetzung, dass die Bedingungen stimmen.

Steinbrück hält es ähnlich. Er stößt in der Funktionärsreihen bislang auf größeren Widerstand als Steinmeier, dessen ruhige Art allseits gelobt und geschätzt wird. Auch Steinbrücks Vertrauter und ehemaliger Ministeriumssprecher, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Thorsten Albig, plädierte inzwischen öffentlich für den SPD-Fraktionsvorsitzenden. Steinbrück, so sein Urteil in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, würde das enggeschneiderte politische Korsett des Kandidaten im Wahlkampf rasch zu eng. Ob die aktuellen Steinmeier-Fans ihn auch noch belobigen, wenn er einen so ruhigen und besonnenen Wahlkampf wie im Jahr 2009 führt, ist allerdings fraglich.

Gabriel möchte sich möglichst viel Zeit mit seinem Kandidatenvorschlag lassen, gerne erst Anfang 2013 entscheiden. Bis hinein in die SPD-Führung wachsen aber die Zweifel, ob dieser Zeitplan tatsächlich zu halten ist. In kleinem Kreis wurden bereits Gespräche über eine frühere Nominierung geführt, eine Entscheidung ist allerdings noch nicht gefallen.

Vier Gründe für eine frühere Bekanntgabe eines Kandidaten werden in Parteikreisen genannt. Die Troika strahle keinerlei Reiz mehr aus und wirke inzwischen albern, heißt es. Zudem laufe die SPD Gefahr, unentschlossen zu wirken. Auch müssten organisatorische Entscheidungen mit Blick auf den Wahlkampf getroffen werden, die direkt mit dem Kandidaten zusammenhängen. Und mit dem Ende der Sommerferien in zahlreichen Bundesländern wachse an der Basis der Wunsch, Klarheit zu schaffen.

Gut möglich also, dass der Kandidat vor Weihnachten gekürt ist. Öffentliche Debatten über den Termin sind unerwünscht. Aus Sicht der SPD-Führung verständlich. Denn dann würde es unruhig. Auf der Stelle, nicht erst im September.

© SZ vom 13.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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