Spanien:Kanarische Knollenkrise

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Ohne sie fehlt etwas: Traditionelle Runzelkartoffeln, hier mit "Mojo verde". (Foto: imago stock&people)

Auf der Inselgruppe ist ausgerechnet das Grundnahrungsmittel Kartoffel knapp geworden. Schuld sind die Dürre und ein Schädling im fernen England. Doch nun zeichnet sich eine Lösung ab.

Von Patrick Illinger, Madrid

Jeder Besucher der Kanarischen Inseln lernt sie kennen, die papas arrugadas, in Salzwasser (im Original sogar in Meerwasser) gekochte Kartoffeln mit Salzkruste und runzeliger Schale, die ihnen den Namen gibt: runzelig heißt auf Spanisch arrugada. Sie sind eines der klassischen Gerichte der Kanaren, ob als Beilage oder Hauptgericht mit den ebenso typischen Saucen, den mojos, wahlweise in Rot oder Grün.

Und weil die Kanaren ein Teil von Spanien sind, gibt es die Kartoffeln auch in vielen weiteren Darreichungsformen, von der Tortilla Española bis zu schnöden Pommes. 3000 Tonnen Erdäpfel werden auf den Kanaren verspeist - pro Woche.

Doch in diesem Jahr kam es zu einer veritablen Kartoffelkrise. Anfang September stiegen die Preise um ein Vielfaches, Supermärkte rationierten den Verkauf, Restaurants boten die papas teils nicht mehr an, sogar ein Schwarzmarkt entstand. In den sozialen Medien postete jemand empört eine Quittung - 9,98 Euro für zwei Kilo Kartoffeln - und rief zum Straßenprotest auf.

Was war geschehen? Zwei Dinge. Zunächst hatte die Rekorddürre im Frühjahr große Teile der kanarischen Ernte vernichtet. Und dann wurde in der englischen Grafschaft Kent der Kartoffelkäfer gesichtet. Kent? Das liegt zwar fast 3000 Kilometer von den Kanaren entfernt, tatsächlich jedoch ist England für die Kanarischen Inseln der wichtigste Kartoffellieferant: Die einheimische Produktion kann nicht mal die Hälfte des Bedarfs decken, der Rest muss importiert werden - allerdings nicht von irgendwoher. Gemäß einer seit 1987 bestehenden Verordnung dürfen Kartoffeln wie auch anderes Gemüse sowie Obst nicht aus Ländern importiert werden, in denen Schädlinge vorkommen.

Seit 1987 ist die Zahl der sicheren Herkunftsländer geschrumpft, weshalb die Kanarischen Inseln zuletzt fast 90 Prozent ihres Kartoffelimports mit Ware aus England deckten. Bis der Kartoffelkäfer in Kent gesichtet wurde. Das spanische Agrarministerium stoppte die Einfuhr aus England. Von August an wurde es dann knapp mit den Erdäpfeln auf den Kanaren. Im September stiegen die Preise fast um das Vierfache, und frische Ware war kaum mehr anzutreffen.

Die Einfuhr wird überwacht

Doch nun hat das spanische Agrarministerium den Knoten gelöst: Kartoffeln dürfen wieder aus England importiert werden, allerdings nicht aus Kent und nur mit strengen Auflagen: Für die Aussaat bestimmte Knollenfrüchte müssen in durchsichtigen 25-Kilogramm-Säcken verpackt werden. Essware darf in 1,5-Tonnen-Behältern anreisen, aber penibel etikettiert. Lückenlos wollen die Inselkontrolleure die Einfuhr aus England überwachen.

Die Vorsicht beruht auf schlechter Erfahrung: Vor einigen Jahren tauchte, vermutlich aus Südamerika kommend, der zweite große Feind der Kartoffel auf: eine Mottenart, deren Raupe sich im Inneren der Knollenfrüchte wohlfühlt und hässliche braune Stellen hinterlässt. Dutzende Tonnen vernichtet der Schädling jedes Jahr. Sollte demnächst auch noch der Kartoffelkäfer Leptinotarsa decemlineata irgendwo zwischen El Hierro und Lanzarote gesichtet werden, ist die nächste papas-Krise programmiert. Denn die strikten Regeln der Behörden schreiben vor, Feldfrüchte im großen Stil zu vernichten, sobald ein Schädling auftaucht.

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