Jüdischer Terrorismus:Wer Israel im Inneren bedroht

Lesezeit: 3 min

People detain after disarming an Orthodox Jewish assailant, after he stabbed and injured six participants of an annual gay pride parade in Jerusalem on Thursday, police and witnesses said; 2015-07-30T181039Z_1716008714_GF20000009109_RTRMADP_3_ISRAEL-GAY

Die Bluttat eines sittenstrengen Ultra-Orthodoxen auf einer Schwulenparade wühlte Israel auf.

(Foto: REUTERS)

Zwei Bluttaten jüdischer Terroristen haben Israel in diesem Sommer aufgewühlt. Es sind die Auswüchse der fast 50-jährigen Besatzung, die parallel zu Israels Demokratie ein Schattenreich entstehen ließ.

Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

In Israel hätte es ein schöner, ruhiger Sommer werden können. Die Rekordhitze bietet auch zwischen Mittelmeer und Jordan genügend Stoff für herrlich harmlose Schlagzeilen - was für ein Kontrast zum Vorjahr, als der Gaza-Krieg sich im Juli und August 50 Tage lang blutig austobte.

Aktuell sind die äußeren Bedrohungen eher übersichtlich, denn die palästinensische Hamas leckt noch ihre Wunden, die libanesische Hisbollah ist anderweitig beschäftigt im syrischen Sumpf, und selbst in Sachen Iran ist erst einmal die Luft raus nach dem Atom-Abkommen. Doch Ruhe ist in Israel immer nur die Ruhe vor dem Sturm, und der Sturm dieses Sommers hat eine neue Gefahr für den jüdischen Staat ans Licht gebracht: den jüdischen Terrorismus.

Schock, Schmerz und Scham nach zwei Bluttaten

Zwei Bluttaten religiöser Fanatiker haben das Land aufgewühlt und diesen Sommer zum Sommer der Selbstbespiegelung gemacht. Erst stürmte in Jerusalem ein sittenstrenger Ultra-Orthodoxer mit dem Messer in der Hand in die Schwulenparade und tötete ein 16-jähriges Mädchen. Dann wurde im Dörfchen Duma im Westjordanland das Haus einer palästinensischen Familie in Brand gesetzt, ein 18 Monate altes Baby und der Vater starben in den Flammen. Auf Hebräisch hinterließen die Täter die Graffitis "Rache" und "Lang lebe der König, der Messias".

Schock, Schmerz und Scham - das ist die Reaktion der israelischen Gesellschaft auf diese beiden Vorfälle. Mit Gefahren von außen kennt das Land sich aus seit der Staatsgründung vor 67 Jahren. Doch plötzlich kommt die Verrohung und Bedrohung von innen, und das erfordert neues Denken und neues Handeln.

Anders als in den Palästinensergebieten, in denen Terrorismus immer noch oft zur Heldentat verklärt wird, stellt sich Israel dieser Herausforderung, auch wenn die Debatten schmerzhaft sind. Im gesamten Spektrum von rechts bis links werden die Verbrechen verurteilt.

Es wird nach den Tätern gefahndet, Verdächtige werden verhaftet und Strafmaßnahmen wie die Inhaftierung ohne Anklage, die bislang nur für Palästinenser galten, können nun auch bei jüdischen Extremisten angewendet werden. Mit aller Kraft will Israels Demokratie zeigen, dass sie wehrhaft ist auch gegenüber Extremisten aus den eigenen Reihen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema