US-Kongress:Jim Jordan scheint die Luft auszugehen

Lesezeit: 3 min

Jim Jordan, wieder mit goldfarbener Krawatte, am Donnerstag beim Gespräch mit Reportern im Kapitol in Washington. (Foto: J. Scott Applewhite/AP)

Die gespaltenen Republikaner lähmen das US-Parlament. Donald Trumps Wunschkandidat für das oberste Amt im Repräsentantenhaus spielt auf Zeit.

Von Fabian Fellmann, Washington

Siegesgewiss marschierte Jim Jordan schon am Dienstag mit goldfarbener Krawatte in das House of Representatives. Er war sich sicher, dass ihm eine Sensation bevorstand. Endlich würde er ganz oben ankommen, zum neuen Sprecher der großen Kammer des US-Parlaments gewählt werden. Nicht nur das Repräsentantenhaus würde er fortan leiten. Im Ernstfall wäre er auch die Nummer zwei in der Nachfolgeregelung für das Präsidentenamt.

Gleich hinter Vizepräsidentin Kamala Harris würde er rangieren. Er, den ein eigener Parteifreund als "legislative terrorist" beschrieb. Der "Parlamentsterrorist" stimmte in 16 Jahren im Kongress gegen alles und stieß kein einziges Gesetzesprojekt an. Dafür half er seinem Mentor und Vertrauten Donald Trump zuerst nach Kräften, gegen Joe Biden zu putschen, um ihn dann im Impeachment-Verfahren vor einer Verurteilung zu bewahren.

Politik betreibt er wie Kampfsport

Mit dem "Honorable Representative Jim Jordan of Ohio" als Speaker of the House würde die Trump-Bewegung eine entscheidende Machtposition in Washington besetzen. Seine Anhänger sehen das als ersten Schritt auf dem Weg zurück ins Weiße Haus. Sie loben ihn als vorzüglichen Taktiker und unbezwingbaren Kämpfer, verweisen auf seine Ringerkarriere.

Auf der Matte scheint sich der 59-Jährige auch die Inspiration für sein unsanftes Vorgehen in der Politik geholt zu haben. Er war daran beteiligt, Kevin McCarthys Position als Speaker derart zu schwächen, dass dieser den Hammer vor zwei Wochen abgeben musste. Im Ringen um seine Nachfolge manövrierte Jordan zunächst den Favoriten Steve Scalise eiskalt aus. Dann baute er über rechte Medien Druck für seine eigene Kandidatur auf. Fox-Moderator Sean Hannity und auch Trumps früherer Berater Steve Bannon riefen das Publikum auf, bei Abgeordneten für Jordan zu intervenieren. Die Morddrohungen an Jordans Gegner folgten auf dem Fuß.

US-Repräsentantenhaus
:Republikaner Jordan bei Speaker-Wahl gescheitert

Auch wenn der Rechtsaußen Jim Jordan einige Gegner auf seine Seite ziehen konnte, so fehlten ihm am Ende doch 20 Stimmen. Jetzt kommt es darauf an, ob er noch weitere Republikaner überzeugen kann.

Einflussreiche Haushaltspolitiker halten Jordan für unwählbar

Nur hatten die Trump-Republikaner unterschätzt, wie erbittert die gemäßigteren Vertreter Widerstand leisten würden. Die Moderaten befürchten, die Partei komplett Trump auszuliefern, falls seine Marionette Speaker würde. Daran wollen sich jene Abgeordneten nicht beteiligen, die aus Bezirken mit vielen demokratischen Wählern kommen, um ihre Wiederwahl nicht zu gefährden. Einflussreiche Haushaltspolitiker halten Jordan für unwählbar, weil er nicht diskussionsbereit sei und das Land schon mehrmals in die Zahlungsunfähigkeit habe abrutschen lassen wollen. Und alle miteinander waren derart sauer über Jordans Druckversuche, dass sie ihm erst recht die Stimme verweigerten.

So wurde Jordans Gesicht am Dienstag bei der ersten Wahl immer länger. Er wusste wohl, dass er nicht sofort gewinnen würde: Um eine Mehrheit zu holen, durfte er nur fünf Stimmen aus den eigenen Reihen verlieren. Aber mit einem guten Resultat wollte er den Druck erhöhen, sich hinter ihn zu stellen. Als ihm am Ende ganze 20 Stimmen fehlten, waren das zu viele. Erst am Tag darauf wagte Jordan einen zweiten Wahlgang. Zwei zusätzliche Abgeordnete stimmten für ihn - doch vier andere entzogen ihm die Unterstützung. Unter dem Strich fehlten nun 22 Stimmen. Dennoch wollte Jordan am Donnerstag zunächst einen weiteren Versuch wagen, den er dann aber in letzter Minute absagte.

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Seit nunmehr zwei Wochen ist das US-Repräsentantenhaus nicht mehr beschlussfähig, nachdem Trumps Handlanger den früheren Speaker McCarthy geschasst hatten, weil er mit den Demokraten einen Haushaltskompromiss abschloss. Nun denken die Republikaner laut darüber nach, Interims-Speaker Patrick McHenry mit zusätzlichen Kompetenzen auszustatten, damit der Kongress wieder handlungsfähig wird. Die Zeit drängt: Bis Ende November ist erneut ein Haushaltskompromiss nötig, zudem warten Israel und die Ukraine auf Kreditbeschlüsse für Waffenlieferungen.

Jordan selbst sprach sich am Donnerstag überraschend dafür aus, McHenry bis Januar im Amt zu lassen, wofür ihn aber die anderen Trump-Hardliner sofort öffentlich tadelten. Die Pause soll verhindern, dass er auf die Matte klopfen muss: Jim Jordan scheint die Luft auszugehen.

Am Nachmittag bäumte sich der alte Kämpfer noch einmal auf. Er habe den Vorschlag mit McHenry nur unterstützt, "um die Temperatur zu senken und wieder an die Arbeit zurückzukehren", sagte Jim Jordan am Ende einer stundenlangen hitzigen Sitzung der Republikaner. Die Konferenz habe anders entschieden. "Ich kandidiere immer noch als Speaker", bekräftigte Jordan. Er werde wieder eine Wahl verlangen "und dieses Rennen gewinnen". Medienberichten zufolge soll es am Freitagnachmittag so weit sein.

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