Jemen:Der Konflikt in Jemen eskaliert

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Rauchwolken über einem Militärcamp - Die Lage nahe der Stadt Aden spitzt sich nach der Kontrollübernahme des Südlichen Übergangsrats zu. (Foto: AFP)
  • Der Konflikt in Jemen, dem ärmsten Land der arabischen Welt, ist weiter eskaliert.
  • Separatisten haben die Kontrolle in der Interims-Hauptstadt übernommen und den Premier Ahmed Bin Dagher sowie Teile seines Kabinetts unter Hausarrest gestellt.
  • Zugleich steht das Bündnis zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der Probe.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Panzer stehen vor dem Al-Maaschiq-Palast in der jemenitischen Hafenstadt Aden. Es ist der Sitz der international anerkannten Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi. Während er sich in Saudi-Arabien aufhält, stehen sein Premierminister Ahmed Bin Dagher und Teile seines Kabinetts de facto unter Hausarrest. Die Panzer gehören zu Einheiten des Südlichen Übergangsrats, eines Zusammenschlusses separatistischer Politiker und Gruppen. Sie haben am Dienstag nach tagelangen schweren Kämpfen die Kontrolle über die Interimshauptstadt übernommen; zuletzt besetzten sie noch zwei strategisch wichtige Stützpunkte von Armee-Einheiten, die loyal zu Hadi standen.

Diese neue Eskalation könnte zum neuerlichen Auseinanderbrechen des ärmsten Landes der arabischen Welt führen, das wie Deutschland seit 1990 wiedervereinigt ist. Zugleich steht auch das Bündnis zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auf der Probe, das im März 2015 unter Riads Führung und Beteiligung anderer arabischer Staaten militärisch in Jemen eingegriffen hatte.

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Erklärtes Ziel der Intervention ist, im Einklang mit den einschlägigen UN-Resolutionen der legitimen Regierung wieder die Kontrolle über das gesamte Land zu verschaffen. Dazu sollen die von Iran unterstützten Huthi-Milizen zurückgedrängt werden. Sie hatten Hadi zunächst aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben und dann auch aus Aden. Während Saudi-Arabien im Wesentlichen im Norden einen Luftkrieg gegen die Huthis führt, bei dem es viele zivile Opfer gab, rekrutierten die Emirate im Süden Milizen, um gegen sie zu kämpfen - darunter die Separatisten, die jetzt in Aden Hadis Regierung festgesetzt haben.

Die Vereinigten Arabischen Emirate halten Hadi für unfähig und korrupt

Beide Konflikte zeichnen sich seit Langem ab: Der Südliche Übergangsrat formierte sich im Mai 2017, nachdem Hadi den Gouverneur von Aden, Aidarous al-Zubaidi, abgesetzt hatte, der heute den Rat führt. Dieser wirft Hadis Regierung Korruption vor und hatte ihn ultimativ aufgefordert, Premier Dagher zu entlassen und das Kabinett umzubilden. Nachdem Dagher in Aden Truppen hatte aufmarschieren lassen, um Proteste zu unterbinden, begannen am Sonntag Kämpfe, bei denen laut Internationalem Roten Kreuz 40 Menschen getötet und mehr als 180 verletzt wurden. Am Mittwoch blieb es zunächst ruhig; angeblich wurde darüber verhandelt, das Kabinett nach Saudi-Arabien auszufliegen.

Die Emirate sehen Hadi laut westlichen Diplomaten schon seit zwei Jahren als Teil des Problems und nicht der Lösung in Jemen. Sie halten ihn für unfähig und korrupt - nicht zu Unrecht, wie europäische Emissäre sagen. Abu Dhabi hat im Süden Jemens konsequent seine Agenda verfolgt und seinen Einfluss gefestigt: Das emiratische Militär baute Milizen auf, emiratische Firmen übernahmen Häfen, Öl- und Gasanlagen und andere strategische Einrichtungen. Hadi hatte das als "Verhalten eines Besatzers" kritisiert. Die offizielle Formel in Abu Dhabi lautete seither, die Jemeniten hätten jedes Recht, über die Zukunft ihres Landes zu entscheiden - einer Sezession des Südens stellt man sich nicht entgegen.

Saudi-Arabien dagegen will laut offizieller Position die Einheit Jemens bewahren - und es hält an Hadi fest. Zwar ist man auch in Riad nicht glücklich mit ihm. Ihn beiseitezudrängen würde die Situation aber nur komplizierter machen. Denn dem rechtmäßigen Präsidenten und seiner Regierung wieder die Macht über das Land zu verschaffen, das ist die offizielle Rechtfertigung für den Kampf gegen die Huthis im Norden.

Die Emirate sind erbost, dass Hadi in Riad Kooperation mit der Islah-Partei sucht, dem jemenitischen Ableger der Muslimbruderschaft, die den Emiraten als ihr gefährlichster Feind gilt. Riad dagegen sieht diesen in den Huthis, die es für Handlanger seines Hauptrivalen Iran hält.

Der Übergangsrat teilte nun mit, er werde die Unabhängigkeit Südjemens vorantreiben. Allerdings heißt es aus Aden auch, es gebe jetzt Verhandlungen über eine Regierungsbeteiligung. Ein einflussreicher saudischer General schlug eine Föderation aus Norden und Süden vor, der Hadi als Präsident vorstehen könnte. Offiziell und öffentlich hat sich Riad aber bislang nicht positioniert, sondern nur zu Ruhe und Verhandlungen aufgerufen. Saudische Truppen hatten eine Erstürmung des Palastes verhindert. Und der Übergangsrat betont, er kooperiere weiter mit der von Riad geführten Militärallianz - das klingt nicht so, als seien die letzten Worte schon gesprochen.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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