Italien:Aus der Traum

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Enttäuschendes Ergebnis: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte sich für die rechtspopulistische Vox in Spanien stark gemacht, die deutlich Stimmen eingebüßt hat. (Foto: Alberto PizzoliI/AFP)

Kaum verbrämt hat Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf eine ultrarechte Mehrheit in Europa gesetzt - mit ihr an der Spitze. Das Wahlergebnis in Spanien ist da ein herber Rückschlag.

Von Marc Beise, Rom

Die Schadenfreude ist nicht zu überhören. "Die schwarze Welle ist gestoppt", sagte die Parteichefin der Sozialdemokraten, Elly Schlein, "es beginnt eine neue Zeit der Hoffnung für Europa." Die Mitte-links-Opposition konnte ihre Begeisterung darüber kaum zügeln, dass die Ultrarechten bei den Wahlen in Spanien so viel schlechter abgeschnitten haben, als das erwartet oder befürchtet worden war. Um mit Blick auf Italien präzise zu sein: so viel schlechter, als Giorgia Meloni sich das offenkundig erhofft hatte. Meloni, die Spanisch spricht und das Land kennt, hatte sich mehrmals und vehement für die rechtspopulistische Vox eingesetzt.

Die postfaschistischen Fratelli d'Italia stellen seit den italienischen Wahlen im September 2022 die größte Fraktion im Parlament. Und ihre Anführerin Meloni liegt in der Gunst der Wähler immer noch stabil vorne und ist sogar mit rund 30 Prozent Zustimmung heute besser positioniert als bei der Wahl (26 Prozent). Meloni, die auch Vorsitzende der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ist, hatte die klare Hoffnung, dass der Marsch der Rechtsaußenparteien am Ende in der EU-Regierungszentrale in Brüssel ankommen würde. Stationen auf diesem Weg sollten die Wahlen in Spanien und dann die 2024 zum Europäischen Parlament sein. 12,4 Prozent für Melonis Favoriten Vox in Spanien, das ist ein herber Rückschlag, der die Italienerin schon am Abend des Wahlsonntags massiv beschäftigte.

Dabei war dieser Sonntag zunächst ziemlich gut gelaufen für Meloni. Mit der großen Mittelmeerkonferenz in Rom hatte sie das Zeichen gesetzt, dass sie beim geplanten Schulterschluss mit den südlichen Anrainerstaaten zum Thema Migration federführend sein will. Gleichzeitig hatte sie den Mittelmeer-Rivalen Frankreich ein bisschen geärgert, dessen bürgerliche Regierungsspitze nämlich nicht eingeladen war. Und was man hört, wurde das in Paris auch so verstanden, wie es wohl gemeint war: als Machtdemonstration. Dann aber trudelten die Zahlen aus Spanien ein, und Meloni musste erkennen, dass das erhoffte Rechtsbündnis nicht zustande kommen würde.

Bisher hat sich Meloni als geschmeidige Europa-Politikerin erwiesen

Etwas weniger triumphal als die Opposition, aber auch nicht so frustriert wie Meloni, zeigte sich zu Wochenbeginn ihr Regierungsvize und Außenminister Antonio Tajani. Forza Italia, die Berlusconi-Gründung, die Tajani nach dem Tod des Mentors führen muss, ist schon immer und aus Überzeugung Teil der konservativen Parteienfamilie EVP. Ein Zusammengehen mit den Ultrarechten auf europäischer Ebene hat Tajani ausdrücklich ausgeschlossen. Dass die Spanische Volkspartei stark zugelegt hat und stärkste Partei ist, kann Tajani gefallen. Er selbst muss in Italien gerade einen schwierigen Balanceakt hinlegen. Seine einst erfolgsverwöhnte Partei, ohnehin nur noch der kleinste der drei Koalitionspartner, kämpft ohne den Gründer und Übervater ums Überleben, und es würde für sie erst recht gefährlich werden, wenn Meloni offen Berlusconis politisches Erbe beanspruchte - was sie bisher nicht tut.

In Italien wartet man nun mit großem Interesse darauf, wie sich der spanische Dämpfer auf Melonis europäische Ambitionen auswirken wird. Bisher hat sie sich für viele Kritiker überraschend geschmeidig gezeigt. Keine Rede mehr davon, dass jetzt die Zeit Italiens gegen die europäische Überfremdung gekommen sei und dass man Brüssel das Fürchten lehren wolle. Im Gegenteil arbeitet Italien in Brüssel gut mit, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik ist Meloni persönlich - gegen eigene Aussagen im Wahlkampf und gegen eine verbreitete Meinung in ihrer eigenen Partei - ganz auf dem offiziellen Anti-Putin-Kurs. Sie gehört zu den heftigsten Unterstützern der Ukraine, mit deren Präsident Wolodimir Selenskij sie im herzlichen Austausch ist. Am Donnerstag reist Meloni zu ihrem ersten großen Besuch ins Weiße Haus nach Washington und wird sich dort US-Präsident Joe Biden mutmaßlich als treue Verbündete gegen Russland und China präsentieren.

Auch in der Migrationspolitik, bei der sich Italien parteiübergreifend von Brüssel lange Zeit im Stich gelassen fühlte und die Regierung wegen der steigenden Zahlen extrem unter Druck steht, schlägt sie nicht etwa um sich. Vielmehr arbeitet sie beharrlich an gemeinsamen europäischen Positionen; das umstrittene EU-Tunesien-Abkommen geht maßgeblich auf ihren Einsatz zurück. Meloni hat zuletzt auch keine Skrupel gezeigt, gegen ihren früheren Verbündeten Viktor Orbán aus Ungarn zu stimmen. Von daher ist ihr durchaus zuzutrauen, dass sie weiter auf Kooperation statt auf Konfrontation setzt - solange sich die Mehrheiten in Brüssel nicht ändern.

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