Regierungskrise in Italien:Tritt Mario Draghi zurück?

Lesezeit: 2 min

Hat kein arithmetisches Problem, aber ein politisches: Mario Draghi, hier bei einer Pressekonferenz im Juni. (Foto: Alberto Pizzoli/AFP)

In einer Vertrauensabstimmung im Senat haben die Cinque Stelle die Aula vor dem Votum verlassen, um ein Zeichen des Unmuts zu setzen. Premier Mario Draghi gewinnt zwar die Abstimmung - aber nicht so, wie er es gefordert hatte.

Von Oliver Meiler, Rom

Italien rutscht in eine Regierungskrise ohne leicht absehbare Lösung. Bei einer Abstimmung am Donnerstag im Senat haben nicht alle Partnerparteien Premier Mario Draghi ihr Vertrauen ausgesprochen: Die Cinque Stelle verließen die Aula, um so ihren Unmut zu manifestieren. Vordergründig ging es ihnen um Differenzen zum sogenannten "Decreto aiuti", einem Hilfspaket von etwa 23 Milliarden Euro, mit dem die Nöte von Familien und Unternehmen in der Inflations- und Energiekrise gelindert werden sollen. Diese Hilfen genügten der Partei von Ex-Premier Giuseppe Conte aber nicht. Hintergründig spielten auch wahltaktische Überlegungen eine Rolle: Italien wählt im Frühling 2023 ein neues Parlament - so es bei dem Termin bleibt.

Arithmetisch stellte das Votum kein Problem dar: 172 Senatorinnen und Senatoren stimmten für Draghi, mindestens nötig gewesen wären 106. Faktisch ist das Vertrauen also intakt, Draghi hat eine breite Mehrheit hinter sich, die Minister der Cinque Stelle verbleiben im Kabinett. Doch politisch ist die Krise damit eröffnet. Der Premier hatte vorab klargemacht, dass seine Regierung der nationalen Einheit ende, sollten die Fünf Sterne ihm ihr Vertrauen verweigern. Nun wird erwartet, dass er zurücktritt, wie er das in den Tagen vor der Abstimmung angedeutet hatte.

Alle Nachrichten im Überblick
:SZ am Morgen & Abend Newsletter

Alle Meldungen zur aktuellen Situation in der Ukraine und weltweit - im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Nachrichten-Newsletter bringt Sie zweimal täglich auf den neuesten Stand. Hier kostenlos anmelden.

Die Verwaltung der Regierungskrise würde dann übergehen an Staatspräsident Sergio Mattarella. Der kann Draghi bitten, es umgehend noch mal zu versuchen - entweder mit derselben Allianz, die einen neuen Pakt für den Rest der Legislaturperiode aushandelt, oder mit einer neuen Koalition. Vor allem die zweite Option schloss Draghi bereits aus. Weigert sich Draghi, einen neuerlichen Versuch zu starten, kann Mattarella auch eine Alternative vorschlagen: einen Übergangspremier als Geschäftsführer für einige wenige dringende Aufgaben. Für dieses Szenario gelten Wirtschafts- und Finanzminister Daniele Franco und der Präsident des Verfassungsgerichts, Giuliano Amato, als mögliche Figuren.

Mattarella kann auch zum Schluss gelangen, dass es Zeit sei, die Kammern aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Die wären dann sechzig Tage später fällig, also Ende September oder Anfang Oktober. Aus der Entourage des Präsidenten hört man allerdings, dass ihm dieses Szenario am meisten widerstrebt.

Paradoxerweise würden vorzeitige Neuwahlen auch den Cinque Stelle, die die Krise ausgelöst haben, missfallen. Die Wahlsieger von 2018 sind in den vergangenen Jahren in der Gunst des Volkes stark geschrumpft: von rund 33 Prozent auf neu etwa zwölf Prozent gemäß Umfragen. Außerdem hat die Partei neulich bei einer Spaltung mehrere Dutzend Parlamentarier um Außenminister Luigi Di Maio verloren, die Draghi unterstützen.

Würden die Italiener jetzt neu wählen, auch das zeigen die Umfragen, würde wohl die Rechte gewinnen. Stärkste Partei sollen die postfaschistischen Fratelli d'Italia von Giorgia Meloni sein, einzige Opposition im Land. Die politischen Wirren in Rom wirkten sich auch auf die Börse aus, Mailands Index schwächelte. Der Renditeaufschlag italienischer Staatsanleihen zu deutschen Bundesanleihen ist stark angestiegen - ein Zeichen für die wachsende Sorge im Ausland.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEuro-Krise
:Lauert in Italien wieder Gefahr für Europas Wirtschaft?

Die Welt gerät aus den Fugen, und das schuldengeplagte Italien erlebt gerade einen gnadenlosen Stresstest. Noch hält der Krisenmanager Mario Draghi das Land auf Kurs.

Von Ulrike Sauer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: