USA-Israel:Biden hält Bibi hin

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Solche Fotos wünscht sich Benjamin Netanjahu: 2010 traf Israels Premier Joe Biden, damals noch US-Vizepräsident. (Foto: Matthew Hinton/AFP)

Der US-Präsident empfängt Israels Staatspräsident Isaac Herzog im Weißen Haus. Der umstrittene Premier Netanjahu darf erst später kommen.

Von Fabian Fellmann, Washington

Der Ärger von Benjamin Netanjahu entlud sich bei einer Besprechung mit Michael Herzog, seinem Botschafter in den USA. "Du solltest mehr dafür tun, dass ich eine Einladung ins Weiße Haus erhalte", sagte der israelische Premierminister dem Diplomaten in Washington. Ein halbes Jahr schon ist Netanjahu wieder im Amt, doch US-Präsident Joe Biden hat ihn noch immer nicht empfangen, trotz der "besonderen Beziehung" zwischen den beiden Ländern.

Schlimmer noch für Netanjahu: Biden hat an seiner Stelle für Dienstag Isaac Herzog eingeladen, Israels Präsidenten und Bruder des Botschafters. Ihm werden dabei alle Ehren zuteil. Er wird am Mittwoch vor dem Kongress eine Rede halten, der sich trifft, um den 75. Geburtstag des Staates Israel zu feiern. Es ist erst das zweite Mal, dass das versammelte US-Parlament einen israelischen Präsidenten empfängt. Vor mehr als 35 Jahren war Isaac Herzogs Vater, Chaim Herzog, der erste.

Biden nennt Netanjahus Ministerriege "extrem"

Lange konnte sich Netanjahu keine Hoffnungen machen auf ein Gespräch mit Biden vor dem Cheminée im Oval Office. Zu oft hatte das Außenministerium in den vergangenen Monaten Botschafter Michael Herzog einbestellt, um das Missfallen der US-Regierung über das Gebaren von Netanjahus rechts-religiöser Koalition auszudrücken. Eben erst hat Biden öffentlich klargemacht, wie wenig er von der aktuellen Mannschaft hält. "Das ist eines der extremsten Kabinette, das ich gesehen habe", sagte der US-Präsident in einem Interview mit CNN, in dem er Netanjahu bei dessen Spitznamen Bibi nannte - eher ein Zeichen dafür, dass die beiden einander schon lange kennen als eines, dass sie sich auch mögen. Am Montagabend kam dann die überraschende Meldung: Biden habe Netanjahu nach einem "warmen und langen Telefonat" in die USA eingeladen, teilte die israelische Seite mit.

Es sind vor allem die forsche Politik der Ausweitung israelischer Siedlungen im Westjordanland sowie Netanjahus tiefgreifende Justizreform, die Biden verärgern. John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, sagte am Montag, dass "gemeinsame demokratische Werte" weiter die Basis des bilateralen Verhältnisses seien und sich Biden "den breitestmöglichen Konsens" bei der Justizreform wünsche. Die Begegnung solle "wahrscheinlich vor Ende des Jahres" stattfinden, teilte Kirby mit. Er glaube fest daran, dass Israels Sicherheit nur durch eine Zwei-Staaten-Lösung zu gewähren sei, sagte Biden nun in einem Moment, in dem Netanjahus Koalitionäre diesen Ansatz nach Kräften hintertreiben.

Knesset
:Israelisches Parlament billigt Teile der umstrittenen Justizreform

Die Knesset stimmt in erster Lesung einem Gesetzentwurf zu, mit dem die Kontrollfunktion des obersten Gerichts stark eingeschränkt werden soll. Kritiker sehen darin einen Angriff auf den Rechtsstaat und die Gewaltenteilung.

So tief reicht der Riss zwischen den aktuellen Regierungen von Israel und seiner stärksten Schutzmacht, dass Kommentator Thomas Friedman in der New York Time s bereits nach einem "Reassessment" der besonderen Beziehung rief, also nach einer Neubewertung. Es ist nicht nur in Washington kein Geheimnis, dass Biden viel Wert legt auf die Meinung Friedmans, der einer seiner Lieblingsjournalisten ist. Also löste der Beitrag auch in Israel großes Echo aus. Der Begriff "Reassessment" enthält eine unverhohlene Drohung: Er spielt auf 1975 an, als US-Außenminister Henry Kissinger die Waffenlieferungen an Israel aussetzen ließ, um das Land zu einem Abkommen mit Ägypten zu zwingen.

Umgehend haben in den vergangenen Tagen sowohl US-amerikanische als auch israelische Diplomaten beteuert, von einem "Reassessment" könne derzeit keine Rede sei. Mit dem Empfang von Präsident Herzog habe Biden seine Unterstützung für den Staat Israel kundtun und gleichzeitig sein Missfallen über die Politik der aktuellen Regierung ausdrücken wollen, glauben viele in Washington.

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Scharfe Kritik daran formulierte hingegen das Wall Street Journal. Es stellte die Frage, was Biden gegen Israel habe. Der US-Präsident behandle Netanjahu "schlechter als die regierenden Mullahs in Iran", beklagte sich die konservative Zeitung. Er habe amerikanische Zahlungen an antiisraelische Organisationen wiederaufgenommen, womit unter anderem die Beiträge der USA an das UNRWA, das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen, gemeint waren, die Donald Trump hatte stoppen lassen. Dessen Politik der Abraham-Verträge genannten Friedensabkommen der arabischen Nachbarstaaten mit Israel habe Biden nicht weiterverfolgt, stattdessen sei er zu nachgiebig gegenüber Iran: Schlimmer als Barack Obama verhalte sich Biden, urteilte das Wall Street Journal.

Ein erbitterter Streit ist gleichzeitig im Lager der US-Demokraten ausgebrochen. Am Wochenende nannte die prominente Westküsten-Abgeordnete Pramila Jayapal Israel einen "rassistischen Staat" - nachdem propalästinensische Demonstranten eine Podiumsdiskussion an einer Veranstaltung der Progressiven in Chicago unterbrochen hatten.

Am Tag danach "präzisierte" Jayapal ihre Wortwahl: Nicht der Staat Israel sei rassistisch, jedoch die Politik der "extremen Rechtsregierung". Proisraelische Abgeordnete verfassten dennoch einen Brief, mit dem sie sich von Jayapals Äußerungen distanzierten. Und selbst die Führung der Demokraten im Repräsentantenhaus um Hakeem Jeffries sah sich gezwungen klarzustellen, dass die Partei hinter der "speziellen Beziehung zwischen den Vereinigten Staaten und Israel" stehe und diese Bestand haben werde.

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