Eskalation im Nahost-Konflikt:Nach Angriffen aus dem Libanon: Israel feuert zurück

Lesezeit: 3 min

Rauch und Explosionen während der israelischen Angriffe im Gaza-Streifen. (Foto: REUTERS)

Es waren die heftigsten Attacken aus dem Nachbarland seit 2006 - als Reaktion schießt die israelische Armee in die Nähe eines palästinensischen Flüchtlingslagers. Auch Ziele im Gazastreifen werden bombardiert.

Nach schwerem Beschuss aus dem Nachbarland Libanon hat Israels Armee Ziele im Gazastreifen angegriffen - und auch im Libanon. Nach eigenen Angaben nahm sie dort die "terroristische Infrastruktur" der Hamas ins Visier. Sie macht die militanten Palästinenser dafür verantwortlich, dass am Donnerstag Dutzende Raketen aus dem Nachbarland auf Israel abgefeuert wurden.

Israel habe bei seinen Angriffen auch ein Feld in der Nähe eines palästinensischen Flüchtlingslagers getroffen, hieß es aus libanesischen Sicherheitskreisen. Informationen über mögliche Opfer gibt es demnach noch nicht. Einige Häuser seien bei den Angriffen nahe der Stadt Tyros im Südlibanon beschädigt worden, berichteten Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur. Die Explosionen in den frühen Morgenstunden hätten bei Anwohnern Panik ausgelöst.

Israel war am Donnerstagnachmittag erstmals seit mehr als anderthalb Jahrzehnten wieder unter schweren Beschuss aus dem Libanon geraten. Insgesamt seien aus dem Nachbarland mindestens 36 Raketen auf israelisches Gebiet gefeuert worden, erklärte die Armee. Das nationale Raketenabwehrsystem Iron Dome (Eiserner Dom) habe gut zwei Dutzend davon abgefangen. Laut israelischen Medienberichten handelte es sich um den heftigsten Beschuss aus dem Libanon seit 2006.

Zwei Männer inspizieren die Schäden, die israelische Angriffe im Südlibanon verursacht haben sollen. (Foto: Aziz Taher/Reuters)

Libanons Ministerpräsident verurteilt die Angriffe aus seinem Land

Israel und der Libanon befinden sich offiziell im Kriegszustand, an der Grenze kommt es immer wieder zu Spannungen. Libanons geschäftsführender Ministerpräsident Nadschib Mikati verurteilte den Beschuss aus seinem Land Richtung Israel. "Der Libanon lehnt jede militärische Eskalation, die von seinem Land ausgeht, sowie die Nutzung libanesischen Territoriums zur Durchführung von Operationen, die die bestehende Stabilität gefährden kann, vehement ab", sagte Mikati in Beirut. Israels Armee schrieb hingegen in einer Erklärung, der libanesische Staat trage die Verantwortung für jeglichen Beschuss, der von seinem Gebiet ausgehe. Man wolle "der Terrororganisation Hamas nicht erlauben", von dort aus zu operieren.

Die UN-Friedensmission Unifil forderte alle Beteiligten auf, die Angriffe einzustellen. "Beide Seiten haben gesagt, dass sie keinen Krieg wollen", hieß es in einer Erklärung. Die Blauhelme der Unifil überwachen seit 1978 das Grenzgebiet zwischen Israel und dem Libanon.

Bei den Raketenangriffen wurden laut dem israelischen Rettungsdienst Magen David Adom mindestens zwei Menschen im Norden Israels leicht verletzt. Zudem hätten weitere Menschen wegen Stresssymptomen behandelt werden müssen, hieß es weiter. In mehreren Orten waren Sirenen zu hören. Anwohner wurden angewiesen, Schutz zu suchen.

Zwei Frauen sterben bei Angriff im Westjordanland

Am Freitagvormittag wurden bei einem mutmaßlichen Angriff von Palästinensern im Westjordanland dem Rettungsdienst zufolge zwei israelische Frauen getötet. Israels Armee sprach davon, dass die Frauen in einem Auto beschossen worden seien. Soldaten durchkämmten das Gebiet auf der Suche nach Tätern. Die Frauen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren seien in einem Auto unterwegs gewesen und hätten - womöglich wegen eines Schussangriffs - einen Unfall gehabt, teilte Magen David Adom mit. Eine weitere Frau sei lebensgefährlich verletzt worden.

Israels Luftwaffe bombardiert Ziele im Gazastreifen

Am Donnerstagabend tagte das israelische Sicherheitskabinett. In der Nacht und am Morgen flog Israels Luftwaffe dann auch Angriffe auf den Gazastreifen. Kampfjets bombardierten laut Armee unter anderem Waffenfabriken sowie Angriffstunnel der islamistischen Hamas. Das Militär geht davon aus, dass diese oder die im Gazastreifen ebenfalls aktive militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad verantwortlich sind für die Raketenangriffe aus dem Libanon. In einigen israelischen Orten im Süden gab es in der Nacht und am Morgen mehrmals Raketenalarm. Nach Angaben der Armee wurden mehr als 40 Geschosse in der Nacht aus dem Gazastreifen auf Südisrael abgefeuert. Anwohner der Region wurden dazu angehalten, in der Nähe von Luftschutzbunkern zu bleiben.

Israel
:Raketenangriffe als Reaktion auf Ausschreitungen auf dem Tempelberg

Nach Zusammenstößen zwischen israelischer Polizei und palästinensischen Gläubigen auf dem Tempelberg feuern radikale Palästinenser Raketen aus dem Gazastreifen ab. Israel reagiert mit Gegenangriffen.

Zuvor war es am Tempelberg in Jerusalem an zwei Tagen in Folge zu Zusammenstößen zwischen israelischen Polizisten und Palästinensern gekommen. Die Polizisten versuchten laut Augenzeugen, Palästinenser aus der Al-Aksa-Moschee zu holen, dabei seien Blendgranaten und Gummigeschosse eingesetzt worden. Die israelische Polizei sah sich nach eigener Darstellung zu dem Vorgehen in der ersten Nacht gezwungen, nachdem sich auf dem Gelände "maskierte Aufwiegler" verschanzt hätten. Mehr als 350 Menschen seien festgenommen und weggebracht worden. Rettungskräften zufolge wurden zahlreiche Menschen verletzt, darunter auch israelische Sicherheitskräfte. Der Rote Halbmond warf den Israelis vor, sie hätten Sanitäter daran gehindert, die Moschee zu erreichen.

Der Tempelberg in Jerusalem ist für Muslime und Juden eine heilige Stätte. In den vergangenen Jahren haben sich die Spannungen dort verschärft. In diesem Jahr kommt erschwerend hinzu, dass zeitlich der muslimische Fastenmonat Ramadan, das jüdische Pessachfest und das christliche Osterfest zusammenfallen und dadurch mehr Menschen aller Religionsgruppen das Gelände aufsuchen.

Die jüngste Eskalation findet vor dem Hintergrund von Vorstößen der israelischen Sicherheitskräfte ins Westjordanland statt, bei denen in den vergangenen Monaten mehr als 250 Palästinenser getötet und Tausende festgenommen wurden. Bei Angriffen durch Palästinenser sind wiederum mehr als 40 Israelis und drei Ukrainer getötet worden.

© SZ/rtr/dpa/mt/kast - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungNaher Osten
:Israels Feinde spüren seine Schwäche und nutzen sie aus

Raketen aus Gaza und aus dem Libanon, Unruhen auf dem Tempelberg und im Westjordanland - dem jüdischen Staat droht ein Krieg. Diesmal an mehreren Fronten.

Kommentar von Peter Münch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: