Israel:Wieder auf Anfang

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Gemeinsam ziehen sie die Konsequenzen aus den Koalitionskrisen: Premier Naftali Bennett (l.) und Außenminister Jair Lapid. (Foto: Oren Ben Hakoon/AFP)

Um Chaos in den besetzten Gebieten zu verhindern, hat Israels Regierung letztlich kapituliert. Nun wechselt Ex-Premier Netanjahu in den Angriffsmodus.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Am Tag danach sind bei vielen die Gesichter lang und die Ratlosigkeit ist groß. Israels Regierungskoalition hat nach nur einem Jahr das Handtuch geworfen, das Parlament soll aufgelöst und eine Neuwahl abgehalten werden - die fünfte in dreieinhalb Jahren. Das Land wird zurückgeworfen in die politische Instabilität. Kurzum, es darf gejubelt werden im Lager von Benjamin Netanjahu, der sich nach einem Intermezzo als Oppositionsführer schon wieder auf dem Weg ins Premiersamt wähnt. "Eine breite nationale Regierung", so verspricht er dem Wahlvolk, werde den "nationalen Stolz" zurückbringen nach Israel.

Das Aus der Acht-Parteien-Koalition aus rechten, linken und einer arabischen Partei kommt alles andere als überraschend. Seit Wochen schon taumelte sie ohne Mehrheit im Parlament am Abgrund entlang. Nun wollten die Protagonisten - Premierminister Naftali Bennett und Außenminister Jair Lapid, der ihm nun bis zur Bildung einer neuen Regierung als Übergangspremier nachfolgen soll - wenigstens das Ende selber bestimmen und der Opposition zuvorkommen mit einem eigenen Gesetz zur Auflösung der Knesset. "Das ist kein einfacher Moment", sagte Bennett, "aber wir haben die richtige Entscheidung für den Staat Israel getroffen."

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Auslöser für den Bruch der Koalition war die Verlängerung eines zum 30. Juni auslaufenden Gesetzes, das die Siedler im Westjordanland dem israelischen Zivilrecht unterstellt. Seit 1967 schon wird diese Regelung zum Schutz der Siedler alle fünf Jahre routinemäßig verlängert. Doch die bunte Regierungstruppe hatte dafür keine eigene Mehrheit zustande gebracht, und die eigentlich siedlerfreundliche Opposition hatte sie auflaufen lassen. Um Chaos in den besetzten Gebieten zu verhindern, blieb nur die Kapitulation. Denn im Falle von Neuwahlen ist vorgesehen, dass sich die alte Regelung automatisch verlängert, bis sich eine neue Regierung spätestens nach drei Monaten der Sache annimmt.

Der Wahlkampf wird wohl hart und schmutzig

Gescheitert ist die Koalition also letztlich an ihren eigenen ideologischen Gegensätzen - und dennoch hat sie in kurzer Zeit dem Land einiges hinterlassen. Dazu zählt die Verabschiedung des ersten Staatshaushalts seit 2018, aber vor allem der Versuch, die innere Spaltung der Gesellschaft zu überwinden. "Wir haben zusammen an einem Tisch gesessen und mit Respekt zueinander gesprochen", erklärte Bennett zum Abschied. "Wir haben damit die Botschaft ausgesendet, dass es anders gehen kann."

Nun aber wird alles wieder auf Anfang gestellt, und Netanjahu ist längst schon im Angriffsmodus. Er schmäht die bisherige Regierung als "schlechteste in der Geschichte Israels" und wirft ihr vor, die Sicherheit der Bürger vernachlässigt zu haben sowie für steile Preisanstiege verantwortlich zu sein. Ein Vorgeschmack auf den Wahlkampf ist das schon, der hart und schmutzig werden dürfte.

Netanjahu setzt wie gewohnt auf Spaltung und nimmt dabei die arabische Minderheit ins Visier, die unter Bennett und Lapid erstmals in der Geschichte des Landes in der Regierung vertreten ist. Obwohl er selbst noch vor einem Jahr ernsthaft mit Mansour Abbas von der Raam-Partei über eine Regierungsbeteiligung verhandelt hatte, schließt er es nun aus, sich mit solchen "Terrorunterstützern" an einen Koalitionstisch zu setzen.

Sein Ziel ist die Bildung einer rechten und religiösen Regierung, mit der er sich ganz nebenbei Vorteile in dem gegen ihn laufenden Korruptionsprozess verschaffen könnte. Seine Partner dafür sind die beiden ultra-orthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Torah-Judentum, die den Koalitionskollaps bereits als Akt der göttlichen Vorsehung gepriesen haben. Sie dringen mit aller Macht darauf, als Regierungspartei wieder ihre alte Klientelpolitik fortsetzen zu können. Dazu kommt noch die rechtsextreme und offen rassistische Partei der Religiösen Zionisten, die es in Umfragen mittlerweile auf den dritten Platz schafft.

Die Neuwahl könnte am 25. Oktober stattfinden

Für den vorgesehenen Übergangspremier Lapid sind dies die "dunklen Kräfte", deren Rückkehr an die Macht es zu verhindern gilt. Doch die bisherige Koalition wird nach ihrem Scheitern kaum als geschlossener Block auftreten können. Zudem sind manche kleinere Partner davon bedroht, bei der anstehenden Wahl mit einem Ergebnis von unter vier Prozent aus dem Parlament zu fliegen.

Die Weichen für diese Wahl sollen nun möglichst schnell gestellt werden. Möglicherweise kommt es schon an diesem Mittwoch zu einer ersten Abstimmung über das Gesetz zur Knesset-Auflösung. Danach sind noch drei reguläre Lesungen plus Abstimmung nötig, spätestens in der nächsten Woche soll alles unter Dach und Fach sein. Als Termin für die Neuwahl ist der 25. Oktober im Gespräch.

Die Eile soll verhindern, dass Netanjahu doch noch ein Coup gelingt. Denn viel einfacher als durch eine Neuwahl wäre es aus seiner Sicht, sich mit Hilfe von Überläufern eine Mehrheit im bestehenden Parlament zu sichern. Anfällig für großzügige Angebote könnten all jene Abgeordneten sein, die bei einer Neuwahl um ihr Mandat fürchten müssen.

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