Israel und Libyen:Aufruhr statt Annäherung

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Demonstranten verbrennen in Tripolis Autoreifen, nachdem die Nachricht von dem Außenministertreffen die Runde gemacht hat. (Foto: Mahmud Turkia/AFP)

Stolz verkündet Israels Außenminister Cohen ein Treffen mit seiner libyschen Amtskollegin al-Mankusch. Die Folge ist ein Diplomatie-Debakel in Nahost.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Es sollte als Erfolg vermeldet werden, mündete jedoch in ein Fiasko: Berichte aus Jerusalem über eine israelisch-libysche Annäherung haben in Tripolis wütende Proteste ausgelöst. Libyens Außenministerin Nadschla al-Mankusch, die in der vorigen Woche in Rom ihren israelischen Amtskollegen Eli Cohen getroffen hatte, wurde umgehend suspendiert und später gefeuert. Libyschen Berichten zufolge hat sie sich am Montag in die Türkei abgesetzt. Im instabilen Libyen sorgt der Fall nun für einen innenpolitischen Sturm - und in Israel wird ein weitreichender diplomatischer Schaden befürchtet.

Losgetreten worden war die Lawine am Sonntagabend mit einer stolzen Erklärung aus dem israelischen Außenministerium. Minister Cohen enthüllte darin dieses vermutlich erste Treffen der Außenminister beider Länder, die oft genug im Clinch lagen und keine diplomatischen Beziehungen miteinander pflegen. Als Vermittler nannte er den italienischen Kollegen Antonio Tajani. "Historisch" sei das, verkündete Cohen, "ein erster Schritt in der Beziehung zwischen Israel und Libyen". Ausführlich schwärmte er dann noch von der "großen Bedeutung und dem enormen Potenzial" solcher Beziehungen.

Inoffizielle Kontakte hatte es schon vorher gegeben

In Israel nahm man diese Meldung eher gelassen zur Kenntnis. Seit den Abraham-Abkommen, mit denen 2020 die Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain, Marokko und Sudan normalisiert wurden, wird immer mal wieder über Annäherungen an andere Länder aus der arabischen Welt berichtet. Die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu hofft auf weitere Partnerschaften, und volle Unterstützung gibt es dafür aus Washington von US-Präsident Joe Biden. Aktuell richten sich die stärksten Bemühungen auf eine Annäherung an Saudi-Arabien. Aber auch im Fall von Libyen wusste man zuvor bereits von verschiedenen inoffiziellen Kontakten.

Dennoch schlug die Nachricht aus Jerusalem in Libyen heftig ein. Auf Videos sind Demonstranten zu sehen, die Autoreifen anzünden und israelische Fahnen verbrennen. Straßen in der Hauptstadt Tripolis wurden blockiert und einem Bericht zufolge auch eine Residenz von Premierminister Abdul Hamid Dbaiba in Brand gesetzt. Der Außenministerin wird Verrat vorgeworfen.

Umgehend versuchte die libysche Regierung, die Reißleine zu ziehen. Premier Dbaiba suspendierte seine Chefdiplomatin und kündigte eine Untersuchung zum römischen Treffen an. Das Außenministerium in Tripolis beeilte sich zu erklären, dass es sich hier "um eine unvorbereitete und zufällige Begegnung während eines Treffens im italienischen Außenministerium" gehandelt habe. Die Ministerin habe zuvor ein Treffen mit Vertretern Israels noch explizit abgelehnt.

War die Bekanntgabe des Treffens abgesprochen?

Das soll wohl nach Zufall klingen, vielleicht sogar nach Überrumpelung. Klargestellt wird, dass Libyen eine Normalisierung in den Beziehung zu Israel "komplett und absolut" zurückweise. Bei dem Treffen sei es zu "keinerlei Diskussionen oder Vereinbarungen" gekommen. Vielmehr habe Ministerin al-Mankusch die libysche Unterstützung für die Sache der Palästinenser "klar und unzweideutig" betont.

Undurchschaubar bleibt zunächst, ob Cohen mit der Bekanntgabe des Treffens vorgeprescht ist, ohne dass es abgesprochen war - oder ob der Führung in Tripolis erst im Nachhinein wegen der sofortigen Proteste ein Schreck in die Glieder gefahren ist. In israelischen Medien heißt es unter Berufung auf anonyme Regierungsquellen, das Treffens sei vorab "von höchsten Stellen" abgesegnet worden und habe eine volle Stunde gedauert.

Klar ist jedoch, dass dieser Fall den innenpolitischen Konflikten Libyens reichlich Futter bietet. Das Land droht seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 in einem Bürgerkrieg zu versinken. Die Proteste werden von Gegnern des Ministerpräsidenten Dbaiba angeführt. Dessen Regierung wird von den Vereinten Nationen anerkannt und kontrolliert von Tripolis aus den Westen des Landes. Bereits 2022 gab es Berichte über Kontakt zu Israel, demnach hat Dbaiba in Jordanien David Barnea getroffen, den Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad. Aber Dbaiba dementierte das.

Israels Außenminister wird auch in der eigenen Partei kritisiert

Gegenspieler im Osten ist der einflussreiche General Khalifa Haftar, der allerdings selbst schon seine Fühler in Richtung Israel ausgestreckt hatte. 2021 berichtete die Zeitung Haaretz, Haftars Sohn Saddam habe Israel einen kurzen heimlichen Besuch abgestattet, um die Möglichkeiten einer militärischen und diplomatischen Unterstützung auszuloten. Im Gegenzug soll er Israel die Aufnahme diplomatischer Beziehungen versprochen haben.

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Israels Interesse an solchen Beziehungen ist offenkundig, Cohens Erklärung zu dem Außenministertreffen hat das nun nur noch unterstrichen. Doch angesichts der dadurch ausgelösten Turbulenzen muss sich der Minister aus der Likud-Partei nun heftige Kritik selbst aus dem eigenen Lager anhören. "Unverantwortlich" oder auch "amateurhaft" - so wird Cohens Vorgehen in israelischen Medien unter Berufung auf hohe Regierungsvertreter genannt.

Der Oppositionsführer und frühere Außen- und Premierminister Jair Lapid wirft Cohen vor, mit der Bekanntgabe des Treffens andere Staaten abzuschrecken, die im Geheimen mit Israel über eine Aufnahme diplomatischer Beziehungen sprechen wollten. Auf Twitter erklärte er: "Die Länder der Welt schauen heute Morgen auf das unverantwortliche Leak und fragen sich: Ist dies ein Land, mit dem wir Beziehungen unterhalten können? Ist dies ein Land, dem man trauen kann?"

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