Justizreform:Auf der richtigen Seite der Geschichte

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David Barnea, seit 1996 beim Mossad, seit zwei Jahren als Chef. (Foto: Kobi Gideon/picture alliance/dpa/GPO)

David Barnea ist Chef des israelischen Auslandsgeheimdiensts Mossad und soll sich in einem internen Treffen gegen die "Justizreform" gestellt haben. Er könnte zum mächtigen Gegenspieler der Regierung werden.

Von Sina-Maria Schweikle

Der Mossad. Es gibt wohl kaum einen anderen Geheimdienst auf der Erde, der so sagenumwoben ist wie derjenige Israels. Vieles hat er seit seinem Aufbau Ende der 1940er Jahre erreicht: beispielsweise Adolf Eichmann, den Organisator des Holocaust, aus Argentinien nach Israel zu entführen um ihn dort vor Gericht zu bringen, oder das iranische Atomarchiv aus Teheran zu entwenden.

Der Mossad ist der Auslandsgeheimdienst, der direkt dem Ministerpräsidenten unterstellt ist. Er und sein Chef müssen ihr Land vor seinen vielen Feinden schützen, der Chef ist oft selbst fast schon eine mystische Figur. Seit Juni 2021 hat David "Dadi" Barnea diese Position inne. Meistens handelt er naturgemäß im Verborgenen. Doch kürzlich soll sich Barnea, 58, laut israelischen Medien in einer informellen Runde zur "Justizreform" der Regierung geäußert haben. Es ist für alle Seiten unangenehm, dass dies an die Öffentlichkeit gelangt ist.

Seit Monaten ziehen Hunderttausende Israelis auf die Straßen, um gegen die Entmachtung der Justiz zu demonstrieren, welche die rechtsreligiöse Regierung unter Benjamin Netanjahu anstrebt. Es sind schwierige Zeiten für den Staat Israel, aber auch für die Führungspersönlichkeiten in der Armee und den Geheimdiensten. Viele fürchten eine Staatskrise und dass sie sich, wenn es hart auf hart kommt, entscheiden müssen, auf welcher Seite sie am Ende stehen. David Barnea wird das Zitat zugeschrieben: "Wenn sich eine Verfassungskrise entfaltet, werde ich auf der richtigen Seite der Geschichte stehen." Welche Seite er als die richtige sieht, kann man nur erahnen. Zu vermuten ist, dass er damit die liberalen Israelis meint, die einen starken Obersten Gerichtshof zur Kontrolle der Regierung bewahren wollen, und damit einen Grundpfeiler des Rechtsstaates.

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Barnea wird als liberaler Reformer beschrieben: Unter ihm wurden im vergangenen Jahr erstmals zwei Frauen in gehobene Führungspositionen befördert. Und er hat es seinen 7000 Mitarbeitern, mit Ausnahme der Führungskräfte, freigestellt, an den Demonstrationen gegen die "Justizreform" teilzunehmen. Sie dürfen dabei aber nicht zu erkennen geben, für welchen Arbeitgeber sie tätig sind.

Aus gut informierten Kreisen heißt es, dass David Barnea im Vergleich zu seinem Vorgänger Yossi Cohen mehr Distanz zu seinem Chef habe, dem Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu. Er beabsichtige, den Mossad aus dem Licht der Öffentlichkeit herauszuholen, in dem er während der fünfeinhalb Jahre unter Cohen gestanden hatte. Eine unfreiwillige Öffentlichkeit erlangte Barnea jedoch im vergangenen Jahr, als Hacker private Fotos und Dokumente von ihm auf einem anonymen Telegram-Kanal veröffentlichten.

Barnea, der ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt auf Finanzen an der New York University abgeschlossen hat und für eine Investmentbank in Israel tätig war, begann seine Karriere beim Mossad 1996 als Sachbearbeiter. Von 2013 bis 2019 leitete er die Abteilung , die für Identifizierung, Rekrutierung und Betreuung von Agenten zuständig ist. Seit 2019 war er stellvertretender Chef des Mossad, leitete dessen geheime Missionen. Eine der prominentesten davon war vermutlich die Tötung von Mohsen Fakhrizadeh, des Leiters des militärischen Atomprogramms des Iran, der im November 2020 in der Nähe von Teheran erschossen wurde.

Im September wird das Oberste Gericht überprüfen, ob ein erstes Gesetz der "Justizreform", das seine eigene Macht einschränken soll, rechtmäßig ist oder nicht. Danach wird sich zeigen, ob das Land in eine Verfassungskrise stürzt und wie sich die Führungspersönlichkeiten der israelischen Sicherheitsapparate, wie David Barnea, wirklich verhalten werden. Denn letztlich liegt ihr Fokus darauf, die Sicherheit des Landes zu gewährleisten, dass sich seit seiner Gründung immer geeint gegen seine äußeren Feinde gestellt hat. Diesmal aber kommt die Gefahr von innen.

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