Israel:Prosit im Jahr 5782

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Nicht wenige Israelis haben an Nikolausmützen und Silvesterpartys gefallen gefunden, wie dieser Straßenverkäufer in Tel Aviv. (Foto: Oded Balilty/AP)

Das jüdische Neujahr war schon im September, doch nicht nur im stets feierbereiten Tel Aviv wächst die Lust auf Silvesterpartys. Viele Israelis leben ohnehin in zwei Zeitrechnungen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Wie schnell doch die Zeit vergeht in Israel: Eben noch wurde das Neujahrsfest begangen, nun ist schon wieder Silvester. Neujahr, genauer gesagt Rosch Haschana, war nach jüdischem Kalender im September. Silvester wird nach dem gregorianischen Kalender gefeiert. Weil zwei Neujahrstage in einem Jahr entschieden zu viel sind, ist im jüdischen Staat natürlich allein der besinnliche und im Familienkreis gefeierte Festtag im Herbst bedeutsam. Doch zunehmend wird nun auch hier zu Partys geladen an "Silvester" - selbst wenn das Ganze reichlich kompliziert ist.

Grundsätzlich sind es die Israelis gewohnt, in zwei Zeitrechnungen zu leben und zwei Kalender zu Hause hängen zu haben. So schreibt man seit dem vorigen September das Jahr 5782, aber am 28. Tag des Monats Tevet beginnt zugleich das Jahr 2022. Vieles im Alltags- und Geschäftsleben wird nach gregorianischem Kalender geregelt - von den Sommerferien in der Schule über den Stichtag für die Steuererklärung bis zur Ende Dezember erstellten Jahresbilanz der israelischen Armee. Doch der Rhythmus des Jahres wird durch die jüdischen Feiertage bestimmt, und jede Woche mündet in den Sabbat, den hochheiligen Ruhetag.

Pilger beten am Tag vor dem jüdischen Neujahrsfest, Rosch Haschana. (Foto: MENAHEM KAHANA/AFP)

Zu den jüdischen Festen und Feiertagen gesellen sich sehr inoffiziell aber inzwischen auch noch ein paar andere. Das ist ein typischer Fall von kultureller Aneignung im globalen Dorf, so wie in Deutschland irgendwann auch Halloween aufploppte. Nicht wenige Israelis haben zum Beispiel Gefallen gefunden an blinkenden Plastikweihnachtbäumen - oder eben an Silvesterpartys.

Wenn die ganze Welt feiert, will man wohl auch in Israel nicht freudlos daneben stehen, schon gar nicht im stets feierbereiten Tel Aviv. Zwar gibt es kein Feuerwerk und auch kein Bleigießen. Aber die Liste der Hotels und Restaurants, die oft sündteure Silvestermenüs anbieten, wird in jedem Jahr länger. Die Clubs locken mit besonderen DJs, und im Ausgehviertel Florentin ist der Pandemie zum Trotz sogar ein Straßenfest angekündigt. Obendrein wird in vielen Wohnungen der mehr als eine Million Einwanderer aus der früheren Sowjetunion am 31. Dezember sowieso noch Novi God gefeiert, das säkulare russische Neujahrsfest, das sich ein paar Anlehnungen ans christliche Weihnachten erlaubt, mit geschmücktem Baum und der Präsenz von Väterchen Frost.

Allerdings sind solche Festivitäten nicht nach jedermanns Geschmack. Manche sehen dadurch die Identität des jüdischen Staats bröckeln. Die Frommen klagen über eine Beleidigung der religiösen Tradition, weshalb das Oberrabbinat immer wieder mal den Gastronomen, die sich dem Feierzug anschließen, mit einem Entzug des Koscher-Zertifikats drohen. Verwiesen wird dabei auch auf den Namensgeber des Festtags, den Papst Silvester I., der am 31. Dezember 335 gestorben ist und dem der Ruf eines schlimmen Antisemiten anhaftet.

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Gehemmt wird die Feierlaune zu Silvester in Israel überdies oft dadurch, dass am nächsten Tag ein ganz normaler Arbeitstag ist. In diesem Jahr aber gibt es glückliche Umstände: Am 1. Januar können auch die Israelis ausschlafen. Es ist ein Sabbat.

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