Nahost:Im Kreislauf der Kriege

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Bidens erster Programmpunkt in Israel: die Vorführung der Luftabwehr - im Bild die Abwehr von Raketen aus dem Gazastreifen über der Stadt Aschdod. (Foto: Emmanuel Dunand/AFP)

Zum Jahrestag des Gaza-Konflikts von 2021 haben sich Israel und die palästinensische Hamas wieder in die alte Eskalationsspirale hineingedreht. Eine neue Drohung macht die Lage explosiv.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die Drohungen fliegen hin und her, und zwischendurch fliegen auch wieder Raketen. Vor einem "Erdbeben" warnt die palästinensische Hamas, vor dem Beschuss von Tel Aviv und der Wiederaufnahme von Bombenattentaten in den israelischen Städten. Israel reckt die eiserne Faust und nimmt den Hamas-Führer Yahya Sinwar persönlich ins Visier. Mit Wucht haben sich die Kontrahenten wieder in jene Eskalationsspirale hineingedreht, die den nächsten Krieg nur als eine Frage der Zeit erscheinen lässt - und das genau zum Jahrestag des bislang letzten Gaza-Kriegs von 2021.

Am 10. Mai vor einem Jahr hatte die Hamas den Krieg eröffnet mit einer Raketensalve auf Jerusalem. Es war das Signal, dass die islamistischen Beherrscher des Gazastreifens sich nun auch als Verteidiger Jerusalems in Szene setzen wollten. Im Ramadan hatte sich der Konflikt hochgeschaukelt durch Unruhen rund um die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg und im Stadtviertel Scheich Dscharrah, wo palästinensische Familien von Vertreibung bedroht waren. Diese Spannungen entluden sich in einem elftägigen Waffengang, der nach einer Bilanz der Vereinten Nationen 13 Tote auf israelischen Seite forderte und 260 bei den Palästinensern, die Hälfte davon Zivilisten.

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Lehren gezogen aus diesem vierten Krieg in Serie seit Ende 2008 hat offenbar keiner. Auch im Ramadan 2022, der Anfang Mai zu Ende ging, war der Tempelberg wieder Schauplatz blutiger Zusammenstöße, und wieder gab es Raketenalarm in den israelischen Grenzgemeinden zum Gazastreifen. Obendrein hat eine Terrorwelle Israel erfasst und in den vergangenen Wochen 17 Todesopfer gefordert. Eine langfristige Waffenruhe, um die sich seit dem Kriegsende 2021 Vermittler aus Ägypten und Katar bemühen, ist nicht in Sicht.

Wer nach Veränderungen sucht, wird höchstens im Kleingedruckten fündig. Mit Israels Einverständnis haben sich Katar und die Vereinten Nationen auf eine neue Verteilung von Hilfsgeldern geeinigt. Etwa 100 000 notleidende Familien im Gazastreifen erhalten demnach über die UN eine direkte finanzielle Unterstützung von umgerechnet 95 Euro pro Monat. Beendet ist damit die vorherige Praxis, bei der die Emissäre aus Katar mit Koffern voller Bargeld in den Gazastreifen gekommen waren - und niemand kontrollieren konnte, wie viel davon direkt in den Taschen der Hamas landete.

Nun wird wieder über gezielte Tötungen geredet

Solange die seit 2007 bestehende israelische Blockade des Gazastreifens aufrechterhalten wird, können jedoch auch Lockerungen wie eine Ausweitung der Fischereizone auf 15 Seemeilen oder die jüngst versprochenen 20 000 Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser in Israel die Verelendung der mehr als zwei Millionen Bewohner des palästinensischen Küstenstreifens nicht aufhalten. Noch immer liegt die Arbeitslosigkeit im Gazastreifen bei mehr als 40 Prozent. Nur zehn Prozent der Bewohner haben Zugang zu sauberem Wasser. Strom gibt es nur stundenweise.

Hamas-Führer Sinwar scheint nun das Ziel zu verfolgen, Israel vorrangig nicht vom Gazastreifen aus, sondern im Westjordanland und Jerusalem unter Druck zu setzen und zu provozieren. So hat er jüngst in einer Rede alle Palästinenser zu Terrorakten "mit einem Gewehr, einer Axt oder einem Messer" aufgerufen. Das Echo kam am vorigen Donnerstag aus der israelischen Stadt Elad, wo zwei junge Palästinenser drei Menschen töteten - mit der Axt.

In Israel wird seither aufgeregt darüber debattiert, ob das Land zurückkehren soll zur Politik der gezielten Tötungen. Immer wieder waren schon in der Vergangenheit Hamas-Granden zum Opfer solcher Aktionen geworden. Die Tötung Sinwars wird von den Befürwortern als Mittel propagiert, um die israelische Abschreckungskraft wiederherzustellen. Klar ist allerdings, dass dies mit großer Sicherheit in einen neuen Krieg führt - und dass auch dieser Krieg wenig ändern würde an der hoffnungslosen Lage.

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