Neue Regierung:Der nächste Skandal in Island

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  • Bjarni Benediktsson, Chef der konservativen Unabhängigkeitspartei, wird isländischer Premierminister.
  • Dabei wollten die Isländer ihn eigentlich loswerden, denn der Name des ehemalige Finanzministers tauchte in den Panama Papers auf.
  • Er soll Anteile an einer Firma auf den Seychellen gehalten haben. Der Minister erklärte, er habe vom Standort der Firma nichts gewusst - und blieb.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Ihn, vor allem ihn wollten die vielen Tausend Isländer loswerden, als sie vor das Parlament zogen. Am Ende erreichten sie das Gegenteil: Bjarni Benediktsson, Chef der konservativen Unabhängigkeitspartei, wird isländischer Premierminister. Mehr als zwei Monate dauerten die Koalitionsverhandlungen, nun hat sich Bjarni Benediktsson mit den relativ jungen Parteien Björt framtíð (Strahlende Zukunft) und Viðreisn geeinigt. Am Dienstag stellte er in Reykjavík seine Regierung vor.

Der 46-Jährige selbst war es gewesen, der den Isländern im vergangenen April vorgezogene Wahlen versprochen hatte. Die Proteste vor dem Parlament zwangen den damaligen Finanzminister dazu. Sein Premierminister war da schon zurückgetreten, er hatte Offshore-Vermögen verheimlicht. Die Isländer fühlten sich betrogen, auch von Bjarni Benediktsson. Schließlich tauchte auch sein Name in den Panama Papers auf, die der SZ zugespielt wurden, mit Anteilen an einer Firma auf den Seychellen. Der Minister erklärte, er habe vom Standort der Firma nichts gewusst - und blieb.

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Ende Oktober wählten die Isländer. Bereits da ahnte man, dass die Sache trotz allem gut ausgehen könnte für Bjarni Benediktsson. Seine Unabhängigkeitspartei erhielt erneut die meisten Stimmen, wie bei fast jeder Wahl der vergangenen 70 Jahre. Die Isländer straften nur seinen bisherigen Koalitionspartner, die Fortschrittspartei des verjagten Premierministers Sigmundur Davíð Gunnlaugsson, für die Offshore-Lügen ab. Bjarni Benediktsson erhielt als Chef der stärksten Partei das Mandat, eine Regierung zu bilden.

Doch ausgerechnet am Wochenende vor Bjarni Benediktssons Amtsantritt als Islands neuer Premier schlittert er in den nächsten Skandal. Wieder hat er die Unwahrheit gesagt, wieder geht es um Offshore-Geld, wieder hat er eine Ausrede. Grund der Aufregung ist ein Bericht, den Bjarni Benediktsson vergangenes Jahr als Finanzminister in Auftrag gegeben hat. Darin sollten Experten das gesamte Offshore-Vermögen der Isländer schätzen. Ihr Ergebnis: Dem Land gehen umgerechnet 23 bis 54 Millionen Euro an Steuern im Jahr verloren. Die Zahlen liegen Bjarni Benediktsson seit dem 13. September vor - also Wochen vor der Parlamentswahl. Veröffentlicht hat er sie erst am vergangenen Freitag. Am Samstag behauptete er in einem TV-Interview, er habe den Bericht erst nach der letzten Parlamentssitzung im Herbst gesehen. Als sich das als unwahr herausstellte, gab er zu, mit seiner Zeitleiste "nicht ganz exakt" gewesen zu sein.

"Es wäre wichtig für die Isländer gewesen, diesen Bericht vor den Wahlen zu sehen", sagt Thordur Snær Júlíusson, Chefredakteur der Internetzeitung Kjarninn. Tatsächlich wären Steuerverluste durch Offshore-Vermögen für Bjarni Benediktsson wohl keine gute Nachricht vor der Wahl gewesen. Nun dürfte sein Start als Regierungschef umso holpriger ausfallen.

Ein paar Neuerungen nach der Wahl gibt es

Auch wenn es nach der Wahl so aussah, als bleibe vieles beim Alten in Island, gibt es doch ein paar Neuerungen: Zum ersten Mal muss die Unabhängigkeitspartei eine Koalition mit zwei liberalen Parteien eingehen. Die Partei Viðreisn, zu Deutsch "Reform-Partei", existiert erst seit Mai. Auf Anhieb hat sie sieben der 63 Sitze im isländischen Parlament gewonnen. Viele Mitglieder waren vorher in derselben Partei wie Bjarni Benediktsson. Sie gingen im Protest, als diese 2013 die isländischen EU-Beitrittsgespräche beendete. In den Koalitionsverhandlungen war dies einer der großen Streitpunkte: Die kleineren Parteien wollen die Beitrittsgespräche wieder aufnehmen, Bjarni Benediktsson ist strikt dagegen. Außerdem will die Unabhängigkeitspartei nicht, dass sich das Fischquotensystem zu sehr ändert, sie hält die Interessen der mächtigen Fischereiindustrie hoch. Offenbar haben die kleineren Parteien in beiden Punkten zurückgesteckt.

Bjarni Benediktsson habe eine Hülle aus Teflon, heißt es in Reykjavík, an der Skandale abperlen. Doch in den vergangenen Wochen tat er sich schwer. Er bekam keine Koalition zustande, musste sogar das Mandat zur Regierungsbildung an die Oppositionsparteien abgeben. Eine zweite Chance bekam er nur, weil sie sich ebenso wenig einigen konnten. Viele Isländer hatten gehofft, mit einem Regierungswechsel auch die alte Vetternwirtschaft zu beenden. Von Bjarni Benediktsson, der einer alten Politiker- und Unternehmerfamilie entstammt, erwarten sie das nicht. Bereits sein Großonkel war isländischer Premier. Sein Onkel gehört zu Islands Unternehmerelite. Es gab in vergangenen Jahren immer wieder Beispiele dafür, wie Unternehmen der Familie von der Politik der Unabhängigkeitspartei profitierten. Bevor er ins Parlament einzog, war Bjarni Benediktsson selbst an diesen Geschäften beteiligt. Auch mit der Reform-Partei verbindet ihn mehr als nur ein Koalitionsvertrag: Bjarni Benediktsson ist mit deren Chef Benedikt Jóhannesson verwandt.

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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