Geiseldiplomatie:Iran hält schwedischen EU-Beamten in Haft

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"Wir haben uns unermüdlich für die Freiheit von Herrn Floderus eingesetzt": Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. (Foto: Denis Doyle/Getty Images)

Der Schwede Johan Floderus arbeitet für die EU - und sitzt seit nun 500 Tagen in einem iranischen Gefängnis, wie erst jetzt bekannt wurde. Vermutlich als Faustpfand.

Von Alex Rühle

"Wir werden nicht aufgeben", sagte Josep Borrell am Dienstag, als er bei einem Ministertreffen in Cádiz auf den Fall des Schweden Johan Floderus angesprochen wurde. Zuvor hatte die New York Times berichtet, dass Floderus seit 500 Tagen in einem iranischen Gefängnis sitze. Die Europäische Kommission wollte sich zunächst nicht zu dem Fall äußern. Ein Sprecher bestätigte nur, dass Floderus Schwede sei und von der iranischen Regierung "als Schachfigur" benutzt werde.

Borrell, der Außenbeauftragte der Europäischen Union, bestätigte aber im spanischen Cádiz die Informationen der New York Times, Floderus sei "illegal inhaftiert" worden und betonte, dass "die europäischen Institutionen in enger Abstimmung mit den schwedischen Behörden und seiner Familie die iranischen Behörden gedrängt haben, ihn freizulassen. Wir haben uns unermüdlich für die Freiheit von Herrn Floderus eingesetzt und werden dies auch weiterhin tun."

Borrell ist gewissermaßen Floderus' Vorgesetzter, schließlich ist der 33-jährige Schwede im Außendienst der EU in Brüssel angestellt und soll in dieser Funktion auch mehrmals nach Iran gereist sein. Zuvor hat er für die schwedische EU-Kommissarin Ylva Johansson gearbeitet.

"Jeder Tag ist eine große Prüfung, für uns und vor allem für Johan"

Laut der schwedischen Zeitung Aftonbladet war Floderus mit drei Freunden im April 2022 nach Iran geflogen um einen gemeinsamen Bekannten zu besuchen. Die anderen drei durften nach dem Besuch wieder abreisen, Floderus aber wurde am Flughafen von Teheran festgenommen. Im Juli gab die iranische Regierung dann bekannt, dass sie einen schwedischen Staatsangehörigen wegen Spionage verhaftet habe, nannte aber nicht dessen Namen.

Seine Identität wurde auch von der EU und der schwedischen Regierung geheim gehalten; es sickerte damals nur durch, dass er im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran festgehalten werde. Laut New York Times schrieb Floderus' Familie am Montagabend in einem Pressestatement, dass sie zutiefst besorgt und verzweifelt sei. "Jeder Tag ist eine große Prüfung, für uns und vor allem für Johan."

Iran hat immer wieder europäische und US-amerikanische Staatbürger inhaftiert und in diplomatischen Verhandlungen als Faustpfand benutzt. Anfang August hatte das Regime nach zweijährigen Verhandlungen im Austausch gegen mehrere iranische Gefangene fünf US-Bürger entlassen. Eine dieser fünf amerikanischen Geiseln, der in Iran geborene Geschäftsmann Siamak Namazi, war seit 2015 inhaftiert gewesen. In dem Fall gab die amerikanische Regierung außerdem sechs Milliarden Dollar frei, die Iran im Zuge der internationalen Sanktionen auf südkoreanischen Konten versteckt hatte und die von den US-Behörden dort eingefroren worden waren.

Wieder frei: Der belgische Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele war mehr als 450 Tage im Evin-Gefängnis. Er habe Floderus dort getroffen, sagt er. (Foto: François Walschaerts/AFP)

Anfang des Jahres wurden vier Europäer im Austausch gegen einen Iraner freigelassen, der nach einem vereitelten Bombenattentat in Belgien zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war. Einer dieser Freigelassenen, der Belgier Olivier Vandecasteele, sagte der New York Times, er habe Johan Floderus während seiner Zeit im Evin-Gefängnis getroffen.

Es sitzen weitere schwedische Staatsbürger in iranischen Gefängnissen, darunter der schwedisch-iranische Arzt Ahmadreza Djalali, der 2017 in einem laut internationalen Beobachtern manipulierten Prozess wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt worden ist. Die schwedische Zeitung Dagens Nyheter berichtet, dass Iran im vergangenen Jahr damit drohte, Djalali hinrichten zu lassen. Damals wurde in Schweden dem Iraner Hamid Noury der Prozess gemacht, weil er an den Massenermordungen politischer Gefangener in Iran im Sommer 1988 beteiligt war. Noury wurde trotz dieses diplomatischen Erpressungsversuchs wegen mehr als hundertfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die Regierung in Teheran schweigt zu den Vorwürfen

Der Fall Noury ist für das Mullah-Regime auch deshalb so heikel, weil der amtierende Präsident Ebrahim Raisi ebenfalls an diesen Massenhinrichtungen von Oppositionellen beteiligt war. Es gibt nun die Vermutung, dass Floderus verhaftet wurde, um einen erneuten Versuch zu unternehmen, Noury freizupressen. Johan Floderus ist im Gegensatz zu den meisten anderen Gefangenen kein iranischer Staatbürger und hat auch keine iranischen Wurzeln - wie etwa der in Iran zum Tode verurteilte Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd.

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Die schwedische Amnesty-International-Mitarbeiterin Maja Åberg, die sich seit Floderus' Verhaftung um den Fall kümmert, schrieb, es sei äußerst besorgniserregend, dass Iran zunehmend die sogenannte "Geiseldiplomatie" einsetze. Die New York Times hat in ihrem Beitrag mehrere Insider zitiert, die alle sagten, Floderus habe nie Spionage betrieben. Die schwedische Regierung scheint das ähnlich zu sehen, so betonte Schwedens Außenminister Tobias Billström in einer SMS an Aftonbladet : "Unsere Regierung arbeitet sehr intensiv an dem Fall. Der betreffenden Person wird willkürlich die Freiheit entzogen, und sie muss daher unverzüglich freigelassen werden." Die iranische Regierung äußerte sich bis Dienstagnachmittag nicht zu den Vorwürfen.

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