Iran:Letzte Chance für den Atomdeal

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EU-Diplomatin Helga Schmid und Irans Vize-Außenminister Abbas Araqchi beim Treffen in Wien. (Foto: REUTERS)
  • In Wien verhandeln Top-Diplomaten über das Atomabkommen mit Iran.
  • Schon am Wochenende könnte das Land eine zentrale Beschränkung des Atomdeals überschreiten.
  • Für Iran sind die stark eingebrochenen Öl-Exporte das wichtigste Thema.

Von Paul-Anton Krüger, Wien

Der US-Präsident zeigt sich in Osaka ganz entspannt. "Keine Eile", sagte Donald Trump angesichts des eskalierenden Konflikts mit Iran. "Wir haben absolut keinen Zeitdruck." Das sieht von Wien aus ganz anders aus, wo sich am Freitag hochrangige Diplomaten aus Frankreich, Großbritannien, China, Russland und Deutschland mit der iranischen Delegation trafen. Der Termin im Palais Coburg, wo 2015 das Atomabkommen ausgehandelt wurde, sei die letzte Chance, den Deal noch zu retten, hatte zuvor Abbas Mousavi gesagt, Sprecher des iranischen Außenministeriums.

Iran war, Stand Mittwoch, noch 2,8 Kilogramm entfernt von der Höchstmenge von 300 Kilogramm, die das Abkommen festlegt für auf 3,67 Prozent angereichertes Uran, wie ein iranischer Diplomat in Wien bestätigte. Die Zentrifugen produzieren derzeit etwa ein Kilo dieses Stoffes pro Tag. Schon an diesem Wochenende also könnte die Islamische Republik eine der zentralen Beschränkungen für sein Atomprogramm überschreiten.

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Vor einigen Tagen drohte der US-Präsident Teheran noch mit "Auslöschung", nun will er sich Zeit lassen. Am Rande des G-20-Gipfels beteuerte er: "Es gibt keinen Zeitdruck".

Eine Reaktion der nach dem Ausstieg Trumps verbliebenen Vertragspartner, zumindest der Europäer, wird so in absehbarer Zeit unausweichlich - das Ende des Abkommens wahrscheinlicher. Trump wäre mit seiner Strategie am Ziel, die Europäer auf Kurs zu zwingen. Mit jedem Tag steigt der Druck, schon deswegen hat Trump "jede Menge Zeit", wie er in Osaka sagte.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wollte ihn in Japan dafür gewinnen, Ausnahmen bei den Öl-Sanktionen gegen Iran zu bewilligen und so Verhandlungsspielraum zu schaffen.

Denn die Öl-Exporte, das machte Vize-Außenminister Abbas Araghchi in Wien erneut klar, sind für Iran das zentrale Thema. Sie sind die wichtigste Quelle für Staatseinnahmen und Devisen. Und sie sind eingebrochen wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet: Irans wichtigste Kunden in Asien kauften noch knapp 400 000 Barrel pro Tag. Vor Auslaufen der US-Ausnahmegenehmigungen im Mai hatten sie noch 1,6 Millionen Barrel abgenommen. Zwei Drittel von Irans Öl-Exporten gingen nach Asien. Araghchi verlangte von den Europäern, die Zweckgesellschaft Instex für die Abwicklung von Öl-Exporten zu öffnen; Frankreich, Großbritannien und Deutschland hatten sie initiiert, um EU-Unternehmen zu ermöglichen, trotz der US-Sanktionen mit Iran Handel treiben zu können.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte am Dienstag angekündigt, Instex sei nun betriebsbereit, was Diplomaten in Wien bestätigten. Die drei Gründerstaaten stellen eine Anschubfinanzierung in Millionenhöhe bereit, erste Geschäfte sollen bald über die Bühne gehen. Belgien, Finnland, die Niederlande, Österreich, Slowenien, Spanien und Schweden erklärten, dass sie Instex unterstützen. Araghchi erkannte das als "guten Fortschritt" an, genug sei das aber nicht. Von einem Durchbruch wollte er daher nicht sprechen.

Instex ist allerdings weder dafür vorgesehen noch imstande, Öl-Geschäfte mit Drittländern abzuwickeln, die Größenordnungen von Hunderten Millionen Euro erreichen würden. Die Gesellschaft ist eine Art Tauschbörse, bei der Lieferungen aus der EU mit Importen aus Iran verrechnet werden. Europäische Firmen kaufen allerdings schon länger kein Öl mehr in Iran. Und der Handel jenseits von Öl wird nur ein bescheidenes Niveau erreichen, das an Irans Wirtschaftskrise wenig ändern.

Und so rückte Araghchi nicht ab von der Drohung, dass Iran schon Anfang Juli weiteren Verpflichtungen des Atomabkommens nicht mehr nachkommen könnet. Die Europäer wollen den Deal erhalten, um eine weitere Eskalation am Golf zu verhindern. Sollte als Reaktion der UN-Sicherheitsrat die Sanktionen wieder einsetzen, hat Iran angekündigt, wie Nordkorea aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten. Dann wäre die Krise perfekt, das Szenario eines US-Militärschlags gegen das Atomprogramm wieder auf dem Tisch. Die USA wollen genau beobachten, ob sich durch Irans Aktionen die Zeit verkürzt, die Iran theoretisch bräuchte zum Bau einer Atombombe; das Atomabkommen hatte den Zeitraum von zwei bis drei Monaten auf ein Jahr vergrößert.

Noch bleibt Zeit; eine Reaktion der Europäer würde bis zur Umsetzung wohl Monate beanspruchen, und Iran kündigte an, das Abkommen wieder einzuhalten, sobald die Forderungen erfüllt seien. Nun solle ein Treffen auf Ebene der Außenminister folgen, kündigte Araghchi an. Neue Ausnahmen der USA für Ölexporte könnten den Weg zu Verhandlungen eröffnen, wie ein iranischer Diplomat in Wien andeutete. Jedoch hegt kaum jemand große Hoffnung, dass Trump seine Kampagne des maximalen Drucks gegen Iran aussetzen könnte.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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